# taz.de -- Parlamentswahl in Island: Das „Weiter so“ steht auf der Kippe | |
> Die Regierung aus Links-Grünen, Konservativen und Rechtsliberalen könnte | |
> weitermachen. Das linke Lager muss jedoch Verluste einstecken. | |
Bild: Ihr Amt steht auf der Kippe: die bisherige Ministerpräsidentin Katrín J… | |
Stockholm taz | Eigentlich könnte sie weiter machen: Eine auch für Island | |
ungewöhnliche Konstellation aus Links-Grünen, Konservativen und | |
Rechtsliberalen. Bei der Parlamentswahl am Samstag konnten die drei | |
Parteien, die in den letzten vier Jahren die Regierung stellten, 37 der 63 | |
Mandate im Parlament Alþingi gewinnen – eine bequeme Mehrheit mit zwei | |
Mandaten mehr als bisher. Und vor dem Wahltag hatten alle drei Parteien | |
eine Fortsetzung ihrer Koalition, die allen Unkenrufen zum Trotz eine ganze | |
Legislaturperiode durchgehalten hatte, als erste Wahl bezeichnet. | |
Allerdings haben sich die Kräfteverhältnisse zwischen den | |
Regierungsparteien deutlich verschoben. Ihre traditionelle Stellung als | |
Islands stärkste Partei konnte die Selbständigkeitspartei ( | |
Sjálfstæðisflokkurinn) zwar behaupten, verlor aber 0,8 Prozent und | |
schlitterte mit 24,4 Prozent nur knapp am schlechtesten Ergebnis ihrer mehr | |
als 90-jährigen Geschichte vorbei. | |
Eine andere Traditionspartei, die über 100 Jahre alte rechtsliberale | |
Fortschrittspartei (Framsóknarflokkurinn), konnte sich mit einem Plus von | |
6,6 diesmal wieder auf 17,3 Prozent emporarbeiten. Sie wurde damit | |
eigentliche Wahlgewinnerin und nahm den Links-Grünen (Vinstrihreyfingin – | |
grænt framboð) die bei den letzten beiden Wahlen jeweils erreichte Position | |
der zweitstärksten Partei wieder ab. Die sich als ökosozialistisch und | |
feministisch bezeichnende Partei ist mit 12,6 Prozent (minus 4,3 Prozent) | |
nun nur noch drittstärkste Kraft. | |
Das enttäuschende Ergebnis wird vermutlich die Position der bisherigen | |
Ministerpräsidentin Katrín Jakobsdóttir, der 45-jährigen Vorsitzenden der | |
Links-Grünen, in Frage stellen. Und das obwohl den WählerInnen laut | |
Umfragen Islands erste Regierung unter Führung der 1999 gegründeten Partei | |
durchaus gefallen zu haben scheint: Jakobsdóttir ist jetzt die mit weitem | |
Abstand populärste Politikerin des Landes, denn 36 Prozent würden sie gern | |
weiterhin als Regierungschefin sehen. | |
Die Vorsitzenden der anderen Koalitionsparteien können da nicht mithalten. | |
Bjarni Benediktsson von der Selbstständigkeitspartei überzeugt nur 13,3 und | |
Sigurður Ingi Jóhannsson von der Fortschrittspartei nur 10,1 Prozent. | |
Trotzdem dürfte es in diesen Parteien Widerstand dagegen geben, der dann | |
kleinsten Regierungspartei formal die Führungsrolle zu überlassen. | |
## Debatte über „Reykjavik-Modell“ | |
Als einzige mögliche Alternative zur bisherigen Regierungskoalition war vor | |
der Wahl das „Reykjavik-Modell“ gehandelt worden. Seit den letzten | |
Kommunalwahlen steuert eine Linkskoalition aus Sozialdemokraten, | |
Links-Grünen, der Piratenpartei und der liberalen Renaissance Islands | |
Hauptstadt. Die Linksopposition hatte versucht, im Wahlkampf den [1][Umgang | |
mit Corona] und die dabei deutlich gewordenen Mängel im Gesundheitswesen zu | |
thematisieren, hatte damit aber offensichtlich nicht überzeugen können. | |
Auch ein anderer ihrer Schwerpunkte, [2][das Klimathema], spielte laut | |
Umfragen bei den WählerInnen nur eine untergeordnete Rolle. | |
Neben den Links-Grünen verloren auch die Sozialdemokraten (9,9 Prozent, | |
minus 2,2) und die Piraten (8,6 Prozent, minus 0,6) Stimmen und eine | |
neugegründete Sozialistische Partei scheiterte knapp an der | |
Fünf-Prozent-Klausel. Unter dem Strich ist das für die Parteien links der | |
Mitte ein ziemliches Fiasko und eine linke Konstellation hätte damit auch | |
keine Mehrheit im Alþingi. Dort werden im übrigen mit vermutlich 33 der 63 | |
Mandate erstmals mehr weibliche als männliche Abgeordnete vertreten sein | |
werden. | |
Ein „Weiter so“ auf Island also? Die [3][bisherige Regierung] konnte vor | |
allem überleben, weil sie alle strittigen Fragen, von Fischerei- und | |
Landwirtschaftspolitik bis zu sozialen Reformen, einfach ausgeklammert | |
hatte. Vor allem bei den Links-Grünen und ihren AnhängerInnen war darüber | |
zunehmend die Unzufriedenheit gewachsen. | |
26 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Coronapandemie-in-Island/!5751841 | |
[2] /Skandinavier-und-Klimawandel/!5619847 | |
[3] /Neue-Regierung-in-Island/!5463736 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
## TAGS | |
Island | |
Parlamentswahl | |
Island | |
Annalena Baerbock | |
Island | |
Island | |
Equal Pay | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Neue und alte Regierungschefin in Island: Jakobsdóttir macht weiter | |
Die Vorsitzende der Links-Grünen wird zum zweiten Mal Regierungschefin in | |
Island. In der Koalition ist ihre die kleinste der drei Parteien. | |
Kanzlerkandidatin der Grünen: Und nun? | |
Die Grünen landen am Wahlabend recht unsanft in der Realität. Es wäre aber | |
unterkomplex, Annalena Baerbock die Verantwortung allein zuschieben. | |
Coronapandemie in Island: Einstellige Inzidenzzahlen | |
Erstmals seit über vier Monaten hat ein europäisches Land einstellige | |
Inzidenzwerte bei Coronaneuinfektionen erreicht: Island. Jetzt wird | |
gelockert. | |
Zweite Amtszeit von Islands Präsident: Auf ein Bierchen mit Jóhannesson | |
Islands Präsident ist Fußballfan und hält sich vom Wirtschaftsklüngel fern. | |
Mit 92,2 Prozent der Stimmen tritt er die zweite Amtszeit an. | |
Finanzexpertin über Equal Pay in Island: „Fair und transparent“ | |
Island will bis 2022 keinen Gehaltsunterschied bei Frauen und Männern | |
haben. Das ist in Deutschland undenkbar, sagt Geldexpertin Henrike von | |
Platen. |