Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Coronapandemie in Island: Einstellige Inzidenzzahlen
> Erstmals seit über vier Monaten hat ein europäisches Land einstellige
> Inzidenzwerte bei Coronaneuinfektionen erreicht: Island. Jetzt wird
> gelockert.
Bild: In Island sind die Bars wieder geöffnet, wie hier das Bravo in Reykjavik
Stockholm taz | „Ja, wir machen das wohl sehr gut“, freute sich Islands
links-grüne Ministerpräsidentin [1][Katrín Jakobsdóttir] am Dienstag in
einem TV-Interview und versprach: „Auf diesem Weg wollen wir weitergehen.“
Auf der wie jede Woche jeweils am Donnerstag aktualisierten [2][Europakarte
des „EU-Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten“ (ECDC)]
in Stockholm ist die Nordatlantikinsel der einzige „grüne“ Staat.
Mit Island ist die 14-Tage-Inzidenz der Coronaneuinfektionen pro 100.000
EinwohnerInnen seit Monaten erstmals in einem ganzen Land wieder einstellig
geworden: 8,4 lautet der Wert für die vierte und fünfte Kalenderwoche. Die
zum Wochenende veröffentlichten [3][Zahlen des Gesundheitsministeriums in
Reykjavik] sehen sogar noch besser aus: Eine 14-Tage Inzidenz von 2,5.
Hat Island Corona „besiegt“? Das hatte man schon einmal im Mai und Juni
2020 gehofft, als die Zahl der Neuinfektionen wochenlang gegen Null
tendierte. Aber um der Tourismusbranche zu helfen, die die größte
Einnahmequelle des Landes ist, waren daraufhin die Grenzen wieder geöffnet
worden – wenn auch vorsichtig und mit obligatorischem Test bei der
Einreise.
Es war eine zu lückenhafte Kontrolle, wie sich bald herausstellte. Die
Zahlen schnellten hoch. Mitte Oktober lag Island mit einer Inzidenz von 290
zeitweise dann sogar in der [4][Gruppe der am schwersten betroffenen
europäischen Länder].
## Geimpfte EU-Bürger müssen nicht mehr in Quarantäne
Natürlich spielte die Insellage eine Rolle dafür, wenn man das seither
wieder schrittweise in den Griff bekommen hat. Aber auch dank einer
Strategie, die ähnlich wie in allen anderen nordischen Ländern nicht auf
Perioden eines umfassenden Lockdowns und auf allgemeines Maskentragen
setzte und setzt, sondern auf gezielte Einzelmaßnahmen zum Aufspüren und
Eingrenzen der Infektionen.
Diese Politik habe dazu beigetragen, dass die IsländerInnen noch nicht
„Coronamüde“ geworden seien, sondern bis heute positiv auf die von der
Regierung eingeführten Regeln für Quarantäne und soziale Distanz – 2 Meter
Abstand – reagieren, wie Dórólfur Guðnason, Chefepidemiologe der
Gesundheitsbehörde gerne lobt.
Die einheimische Bevölkerung wird viel und regelmäßig getestet. Eine
Quarantänepflicht gibt es nicht erst nach einem positiven Test, sondern
schon dann, wenn wegen des Kontakts mit einer infizierten Person das Risiko
einer Ansteckung bestehen könnte, selbst wenn man keinerlei Symptome hat.
Ins Land kommen Reisende seit Monaten nur nach zweimaligen negativen Tests:
Einer, der sofort bei der Einreise am Flughafen stattfindet, der zweite
nach darauf folgender fünftägiger Quarantäne.
Seit Montag sind nun wieder Kneipen, Restaurants und Fitnessstudios
geöffnet, eine Begrenzung der Zahl gleichzeitiger Besucher auf maximal 20
wurde aber erst einmal beibehalten. Bei Einreisen ins Land müssen
EU-BürgerInnen nicht mehr in Quarantäne, wenn sie Corona-Impfungen mit
einem amtlichen Impf-Pass nachweisen können. Für Nicht-Geimpfte steht aber
eine weitere Verschärfung der Regeln zur Debatte: Die Einreisequarantäne
zwischen den beiden Tests soll in Unterkünften unter staatlicher Regie
absolviert werden müssen, um eine bessere Kontrolle zu haben.
## Schnelle Durchimpfung aller vorerst geplatzt
Was die Chancen Islands auf eine baldige Impfung der Bevölkerung angeht, so
war der Kampf der Regierung gegen Neuinfektionen wohl eher sogar zu
erfolgreich. Seit Ende letzten Jahres hatte die Gesundheitsbehörde mit dem
Pharmakonzern Pfizer über eine Impfstoffregelung nach dem
„[5][Israel-Modell]“ verhandelt. Island sollte bevorzugt mit 500.000 Dosen
des Pfizer/Biontech-Impfstoffs versorgt werden, was für eine zweimalige
Impfung der gesamten erwachsenen Bevölkerung gereicht hätte.
Im Gegenzug wollte sich das Land verpflichten, Pfizer mit den
Gesundheitsdaten der Geimpften zu versorgen, damit das Unternehmen diese
für Studien zur Herdenimmunität und Wirksamkeit gegen einzelne Mutationen
verwenden könnte. Eine große Sporthalle in Reykjavik und verschiedene
andere Sportarenen wurden bereits für Massenimpfaktionen vorbereitet.
Am Mittwoch wurde bekannt, dass Pfizer diesen Deal doch nicht abschließen
will. Offizielle Begründung: Die Infektionszahl auf Island sei schon zu
niedrig für solche Studien. Laut Kári Stefánsson, Chef des isländischen
Genforschungsunternehmens „deCode“ soll bei diesem Rückzug des Konzerns
aber auch der Protest der Regierungen verschiedener EU-Länder gegen eine
solche Vorzugsbehandlung Islands eine Rolle gespielt haben.
Auf ihre Regierung sei kein Druck ausgeübt worden, versichert Katrín
Jakobsdóttir: „Natürlich wäre so eine Schnellimpfung fantastisch gewesen,
ich hätte das gerne gesehen. Aber dann machen wir eben im bisherigen Tempo
weiter.“ Da steht Island mit einer Impfrate von 5,5 Prozent vergleichsweise
auch nicht schlecht da.
12 Feb 2021
## LINKS
[1] /Neue-Regierung-in-Island/!5463736
[2] https://www.ecdc.europa.eu/en/cases-2019-ncov-eueea
[3] https://www.covid.is/data
[4] /Warnung-des-Auswaertigen-Amts/!5718069
[5] /Impfung-gegen-Corona/!5743190
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Island
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Island
Schwerpunkt Coronavirus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Parlamentswahl in Island: Das „Weiter so“ steht auf der Kippe
Die Regierung aus Links-Grünen, Konservativen und Rechtsliberalen könnte
weitermachen. Das linke Lager muss jedoch Verluste einstecken.
Aktuelle Nachrichten in der Coronakrise: Allergisch gegen Brüsseler Spitzen
Horst Seehofer findet die Kritik an Grenzkontrollen unzulässig. Und
Philosoph Julia Nida-Rümelin würde lieber zuerst Museen statt Friseursalons
öffnen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.