# taz.de -- Personaldiskussion bei den Grünen: Gleichstellung auch beim Verlie… | |
> Das Grünen-Parteistatut, den höchsten Posten stets mit einer Frau zu | |
> besetzen, ist zu starr. Um grüne Politik umzusetzen, braucht es mehr | |
> Flexibilität. | |
Bild: Annalena Baerbock bei einem Wahlkampfauftritt in Potsdam | |
Man kann es unpassend, unklug und vielleicht sogar instinktlos finden, dass | |
der grüne Co-Vorsitzende [1][Robert Habeck] am Tag nach dem enttäuschenden | |
Wahlausgang seinen Anspruch geltend macht, jetzt die Führung zu übernehmen. | |
Nach Posten zu greifen – wie es scheint –, noch bevor überhaupt | |
Sondierungsgespräche angefangen haben, hat immer einen unangenehmen | |
Beigeschmack. Doch der Vorwurf, die tapfere [2][Annalena Baerbock] würde | |
jetzt von ihren männlichen Parteikollegen wieder in die zweite Reihe | |
gedrängt, ist schlicht lächerlich. | |
Baerbock ist kein hilfloses Frauchen, welches sich willenlos in die Ecke | |
stellen lässt, sondern sie ist eine knallharte Machtpolitikerin. Sie hat | |
sich auf der Grundlage des grünen Frauenstatuts [3][die Macht genommen] – | |
trotz geringerer Qualifikation als Habeck und ungeachtet schlechterer | |
Aussichten auf Erfolg. Die willensstarke Baerbock ist die Letzte in der | |
grünen Partei, die etwas mit sich machen lassen würde. Das zu unterstellen, | |
birgt in sich schon einen sexistischen Kern. | |
Gleichberechtigung gilt auch in der Niederlage. Baerbock ist mit ihrer | |
Kanzlerkandidatur, die sie sich ausdrücklich zugetraut hat, gescheitert. | |
Die Umfragewerte haben sich in den Monaten zwischen ihrer Nominierung und | |
der Wahl halbiert. Und das unter günstigsten Voraussetzungen: schwache | |
Gegner, eine aufrüttelnde Flutkatastrophe, ein Klimapolitik unterstützendes | |
Verfassungsgerichtsurteil und eine starke Fridays-for-Future-Bewegung. Die | |
Konsequenz des schwachen Abschneidens ist eine schlechtere | |
Verhandlungsposition für die Grünen und am Ende weniger Klimaschutz. | |
Wer bei einer Frau nicht die gleichen Maßstäbe ansetzt wie bei einem Mann, | |
muss sich fragen lassen, wie man diesen gefühlten Sexismus von | |
tatsächlichem unterscheiden will. Frauen – und gerade auch Politikerinnen – | |
wollen nicht beschützt werden. Sie wollen Chancengleichheit. Baerbock jetzt | |
schonen zu wollen, hat etwas von Tür aufhalten und in den Mantel helfen – | |
es scheint nett, will aber die Hilfsbedürftigkeit des weiblichen | |
Geschlechts unterstreichen. | |
## Ministeriumsposten für Baerbock | |
Baerbock bekommt ohne Zweifel einen wichtigen Minister*innenposten, auch | |
wenn Habeck Vizekanzler wird. Sie wird vielleicht Deutschlands erste | |
Außenministerin. Das ist für die Kanzlerkandidatin, die einen rasenden | |
Schrumpfungsprozess zu verantworten hat, gar nicht übel. | |
Die Grünen sollten sich aber Gedanken darüber machen, ob sie es mit ihrem | |
Führungsanspruch wirklich ernst meinen und ob das weit über die Quote | |
hinausgehende Frauenstatut – die Nummer eins muss immer weiblich sein – | |
noch dazu passt. Die Quote ist unverzichtbar, aber Frauen sind in diesem | |
Rahmen durchaus konkurrenzfähig – und willig. Ein Frauenstatut ist zu starr | |
– es wäre so, als dürften auf der Titelseite der taz nur noch Frauen | |
Kommentare schreiben. | |
Gerade im Ringen darum, Mehrheiten für den Klimaschutz – oder vielmehr den | |
Schutz der Menschen vor den Folgen des Klimawandels – zu gewinnen, braucht | |
es in Zukunft mehr Flexibilität. | |
29 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.sueddeutsche.de/politik/bundestagswahl-2021-live-csu-soeder-sch… | |
[2] /Kanzlerkandidatin-der-Gruenen/!5803644 | |
[3] /Baerbock-wird-Kanzlerkandidatin/!5762149 | |
## AUTOREN | |
Silke Mertins | |
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