# taz.de -- Bedeutung der Wahl fürs Handwerk: Kostenlos Meister:in werden | |
> Union, SPD und Grüne wollen die Gebühren für den Meister:innenbrief | |
> abschaffen. Ein höherer Mindestlohn bringt nur wenigen im Handwerk etwas. | |
Bild: Der Dachdecker:innen-Verband sieht im Klimaschutz eine der wichtigsten Au… | |
BERLIN taz | Der Verband der Dachdecker:innen sieht im Klimaschutz eine | |
der wichtigsten Aufgaben der künftigen Bundesregierung – verbunden mit der | |
Forderung nach mehr staatlicher Förderung und Sanierungsanreizen für | |
Gebäude. Bäcker:innen dagegen stehen dem Klimaschutz verhalten | |
gegenüber. Ihnen sind niedrigere Energiekosten wichtiger. | |
Das Kraftfahrzeuggewerbe ist durchaus auch für Klimaschutz – aber es muss | |
„sichergestellt werden, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre Mobilitätsform | |
den eigenen Bedürfnissen gemäß und ohne Restriktionen wählen dürfen“, wie | |
es im Forderungskatalog des Zentralverbands des Deutschen | |
Kraftfahrzeuggewerbes heißt. Ein Tempolimit für Autobahnen lehnt der | |
Verband ab – auch wenn offen bleibt, warum das für Kfz-Mechaniker:innen | |
wichtig ist. | |
Die Wünsche des Handwerks an die kommende Bundesregierung sind also sehr | |
gemischt. Mit einem Umsatz von 576 Milliarden Euro in Deutschland ist es | |
ein gewaltiger [1][Wirtschaftsfaktor]. Das Handwerk besteht aus rund einer | |
Million Betriebe mit 5,62 Millionen Beschäftigten – das entspricht 12,5 | |
Prozent der Erwerbstätigen. 27 Prozent der Auszubildenden erlernen ihren | |
Beruf in einem Handwerksbetrieb. 130 höchst unterschiedliche Berufe sind | |
als Handwerk anerkannt, von der Bäckerin über den Friseur. Fast 60 Prozent | |
der Betriebe haben weniger als fünf Beschäftigte, nur rund 2,5 Prozent mehr | |
als 50. | |
Im Handwerk gibt es eine ganze Reihe von Branchenmindestlöhnen, die über | |
dem gesetzlichen Mindestlohn liegen. Im Dachdeckergewerbe liegt er bei | |
12,60 Euro, für Gesell:innen bei 14,10 Euro. Im Elektrohandwerk liegt er | |
bei 12,40 Euro. Auf dem Bau gibt es für einfache Arbeiten mindestens 12,85 | |
Euro, für sogenannte Fachwerker:innen im Westen 15,70 Euro. Im Osten | |
gibt es für diese Lohngruppe keinen Branchenmindestlohn, weil sich | |
Arbeitgeber und Gewerkschaften nicht einigen konnten. Gerüstbauer:innen | |
bekommen mindestens 12,20 Euro. | |
SPD und Grüne wollen den Mindestlohn auf 12 Euro, die Linke will ihn auf 13 | |
Euro erhöhen. Die Union und die FDP sind dagegen. Von einer Anhebung des | |
[2][gesetzlichen Mindestlohns] würden im Handwerk Beschäftigte nur in | |
wenigen Branchen profitieren, etwa in der Gebäudereinigung, wo der | |
Mindestlohn bei 10,80 Euro für Innenbereiche liegt. | |
Für Beschäftigte in der Glas- und Fassadenreinigung würde ein höherer | |
gesetzlicher Mindestlohn keinen Vorteil haben, weil der Mindestlohn der | |
Branche bereits 14,10 Euro beträgt. Das gilt auch für Maler- und | |
Lackierergesell:innen, sie bekommen mindestens 13,80 Euro. Hilfsarbeitende | |
in diesem Gewerbe haben allerdings einen Mindestlohn von lediglich 11,40 | |
Euro. | |
CDU und CSU versuchen im Wahlkampf damit zu punkten, dass die | |
[3][Meister:innenausbildung] künftig kostenlos sein soll. Die SPD und | |
die Grünen wollen ebenfalls die Gebühren für die entsprechenden Kurse | |
abschaffen, auch wenn sie diese Forderung nicht so herausstellen, wie die | |
Konkurrenz. Die Linkspartei ist für eine Aus- und Weiterbildungsoffensive | |
im Handwerk. Die FDP äußert sich in ihrem Wahlprogramm nicht zur | |
Meister:innenausbildung. | |
Für interessierte Gesell:innen geht es um viel Geld: Den | |
Meister:innenbrief zu machen, ist je nach Gewerk und Art der | |
Weiterbildung – etwa in Vollzeit oder berufsbegleitend – unterschiedlich | |
teuer. Nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) | |
kostet die Ausbildung zwischen knapp 6.000 Euro bis über 18.000 Euro. Für | |
Friseur:innen ist sie vergleichweise günst, für Angehörige von | |
Gesundheitsberufen teuer. | |
Hinzu kommen Kosten für Hilfsmittel, Material und Prüfungsgebühren. „Je | |
nach Einzelfall werden die realen Kosten für Meistervorbereitung und | |
-prüfung vollständig oder teilweise über das | |
Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz gefördert“, so das ZDH. Allerdings | |
erfolgt die Förderung nur zum Teil als Zuschuss. Deshalb bleiben die frisch | |
gebackenen Meister:innern auf einer mehr oder weniger hohen Summe | |
sitzen, die sie als Darlehen zurückzahlen müssen. | |
Der ZDH findet den Vorschlag gut, dass Weiterbildung, etwa zum | |
Meister:innenbrieg kostenlos werden soll. „Aus Sicht des Handwerks | |
sollte das Aufstiegs-Bafög so weiterentwickelt werden, dass der | |
Darlehensanteil nach erfolgreicher Prüfung vollständig in einen Zuschuss | |
gewandelt wird, sodass Fortbildungsteilnehmer zu 100 Prozent von den | |
Fortbildungskosten entlastet werden“, heißt es auf taz-Anfrage. „Das wäre | |
auch ein Beitrag zu mehr Gleichberechtigung von Fortbildungsabsolventen und | |
Studierenden, die keine Gebühren für ihr Studium zahlen.“ | |
20 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.zdh.de/daten-und-fakten/kennzahlen-des-handwerks/ | |
[2] /Die-Wahl-fuer-Niedrigverdiener/!5799926 | |
[3] /Meisterpflicht-im-Handwerk/!5646040 | |
## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
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