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# taz.de -- Auswirkungen von 12 Euro Mindestlohn: Verschoben nach oben
> Mit den Chancen auf einen Kanzler Scholz steigt auch die
> Wahrscheinlichkeit eines Mindestlohns. Was würde das für Betriebe und
> Beschäftigte bedeuten?
Bild: Die SPD kündigt an, den Mindestlohn „zunächst auf mindestens 12 Euro …
Berlin taz | Knapp 11 Euro in der Stunde, so viel verdient derzeit eine
ausgebildete Fachkraft in der Gastronomie in Mecklenburg-Vorpommern, nach
Tarif. Kommt ein gesetzlicher Mindestlohn von 12 Euro in Deutschland,
müsste schon ein ungelernter Mitarbeiter so viel Lohn bekommen und die
Fachkraft entsprechend mehr.
„Wir müssen in den Betrieben den Lohnabstand wahren“, sagt Lars Schwarz,
Präsident des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in
Mecklenburg-Vorpommern, „eine ausgebildete Fachkraft sollte mehr verdienen
als eine Küchenhilfe. Ein Mindestlohn von 12 Euro wird zu massiven
Verteuerungen der Produkte führen“.
Mit der Wahrscheinlichkeit einer SPD-geführten Regierung und einem grünen
Koalitionspartner steigt die Wahrscheinlichkeit, dass demnächst ein
gesetzlicher Mindestlohn von 12 Euro kommt. Die SPD kündigt in ihrem
[1][Wahlprogramm] an, den Mindestlohn „zunächst auf mindestens 12 Euro zu
erhöhen“. Das wäre dann die unterste Lohngrenze, besonders relevant für die
privaten Dienstleistungen, in denen unterdurchschnittlich verdient wird.
„Die gesamte Lohnstruktur müsste angepasst werden“, sagt Karin Vladimirov,
Sprecherin der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Im Jahre
2015, als der gesetzliche Mindestlohn erstmals eingeführt wurde, mit 8,50
Euro die Stunde, seien die untersten Lohngruppen der Stufe „ungelernt“
entfallen, berichtet die Sprecherin. „In den Tarifrunden wurde das
Tarifgitter angepasst“.
## Der sensible Kunde
Steven Haarke, Geschäftsführer für Tarifpolitik beim Handelsverbandes HDE
warnt vor einer „Stauchung“, weil die neue Lohnuntergrenze „Auswirkungen
auf die gesamte Lohnstruktur hätte, da die Anhebung der untersten
Entgeltgruppen mittelbar auch zu einer Anhebung der darüber liegenden
Entgeltgruppen führen würde“. Der Handelsverband lehnt ebenso wie die
Dehoga eine gesetzliche Lohnuntergrenze von 12 Euro ab.
Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung hat [2][in einer Studie]
erklärt, dass etwa 8 Millionen Beschäftigte direkt von einem Mindestlohn
von 12 Euro profitieren würden, weil sie derzeit weniger verdienen. Hinzu
kämen noch weitere Erwerbstätige, deren Entgelt durch den Mindestlohn
indirekt angehoben würde.
Rein statistisch liegen die Personalkosten im Hotel- und Gaststättenbereich
bei etwa einem Drittel des Umsatzes. Würden die Personalkosten um etwa 20
Prozent steigen, müssten die Preise also rechnerisch um mindestens sieben
Prozent angehoben werden, um die Mehrkosten aufzufangen. „Der Kunde ist
sehr sensibel“, sagt Schwarz, selbst Gastwirt und Hotelier, „Menschen sind
nicht bereit, beliebig viel für Essen zu bezahlen“. Außerdem würden sich
viele von Gastronomen angekaufte Produkte verteuern, weil ja auch
Zulieferer höhere Personalkosten hätten.
Schwarz befürchtet einen weiteren Nebeneffekt eines höheren Mindestlohnes:
„Wir haben jetzt schon Auszubildende, die sagen, was soll ich mir den
Stress der Berufsschule antun, ich fang lieber gleich im Betrieb als
Mitarbeiter an, schließlich bekomme ich dann von Anfang an den gesetzlichen
Mindestlohn, auch ohne Ausbildung. Das könnte sich durch einen Mindestlohn
von 12 Euro noch verstärken, dass junge Leute ihre Ausbildung abbrechen“.
## Rückgang bei Minijobs erwartet
Wer in der Gastronomie auf Minijobbasis für 450 Euro arbeitet, hat erst mal
nichts von der Erhöhung außer mehr Freizeit. Bleibt die Minijobgrenze bei
450 Euro, müssten künftige Mindestlöhner im Minijob dann entweder ihre
Stundenzahl reduzieren oder in eine sozialversicherungspflichtige
Beschäftigung zu höherem Bruttolohn wechseln.
Die Böckler-Studie erwartet durch einen höheren Mindestlohn einen Rückgang
der Minijobs und einen „ebenso großen Anstieg bei den
sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Teil- und Vollzeit“, heißt
es in dem Papier. Diese Verschiebung ließ sich schon mit Einführung des
Mindestlohnes im Jahre 2015 beobachten.
Manche Arbeitgeber, die den Eingriff in die „Tarifautonomie“ durch einen
gesetzlichen Mindestlohn beklagen, müssen sich allerdings vorhalten lassen,
selbst nicht viel zur Tarifautonomie beizutragen. In Rheinland-Pfalz etwa
sei der Landesverband der Dehoga nicht bereit gewesen, einen neuen
Tarifvertrag abzuschließen, so Vladimirov. Der alte Tarifvertrag lief Ende
Februar 2018 aus. Überhaupt sei nur ein Drittel des Personals in der
Branche in tariflich zahlenden Betrieben beschäftigt. Der gesetzliche
Mindestlohn aber gilt für alle.
21 Sep 2021
## LINKS
[1] https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Beschluesse/Programm/SPD-Zukunftspro…
[2] https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-mehr-mindestlohn-mehr-wachstum-3…
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
## TAGS
Mindestlohn
Gastronomie
Tarifautonomie
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Thomas Piketty
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