| # taz.de -- taz Talk mit Bettina Jarasch: „Das ist ein Juwel!“ | |
| > Im letzten taz Talk mit Berlins Spitzenkandidat*innen schließt | |
| > Bettina Jarasch eine Bebauung des Tempelhofer Feldes aus. | |
| Bild: So schön grün hier: Bettina Jarasch, Grünen-Spitzenkandidatin, auf dem… | |
| Berlin taz | Richtig gelöst wirkt die grüne [1][Spitzenkandidatin Bettina | |
| Jarasch] erst bei der Frage, ob sie Verständnis dafür habe, wenn ihr offen | |
| kommunizierter katholischer Glaube bei manchen Wähler*innen im insgesamt | |
| wenig gläubigen und schon gar nicht katholischen Berlin Bedenken auslöse. | |
| Die Antwort hat die Spitzenkandidatin der Berliner Grünen parat: Eine | |
| Regierende Bürgermeisterin mit ethischen Kriterien sei doch gut für die | |
| Stadt, sagt Jarasch. Und fügt hinzu: Den Dialog über diese Frage habe sie | |
| schließlich jahrelang geübt. „Da haben mich meine Grünen schon auf Herz und | |
| Nieren geprüft!“ | |
| Die katholische Kirche hätte ja durchaus manches Unrühmliche in ihrer | |
| Geschichte, hatte Redaktionsleiter Bert Schulz beim taz.berlin Talk mit | |
| Jarasch eher vorsichtig gefragt. Die katholische Kirche habe „sehr | |
| Unrühmliches in ihrer Geschichte“, stellt die Grüne klar; es tue ihr | |
| deshalb gut, dass sie hier in der Minderheit sei. Überdies sei sie in ihrer | |
| Kirche, erklärte Jarasch, ja „der linksradikale Rand. Und das bin ich sonst | |
| selten.“ | |
| Tatsächlich präsentiert sich die Spitzenkandidatin der Berliner Grünen, die | |
| als [2][letzte der Spitzenkandidat*innen der großen Berliner Parteien | |
| zum taz Talk eingeladen] war, im Gespräch mit den LeiterInnen der | |
| taz.Berlin-Redaktion Anna Klöpper und Bert Schulz am Montagabend deutlich | |
| als Realpolitikerin. Lehrer*innen wieder verbeamten? Ja, weil es anders | |
| nicht gehe, sagt Jarasch, und vollzieht damit eine 180-Grad-Wende zur | |
| bisherigen Grünen-Position: Wenn an manchen Schulen bis zu 80 Prozent | |
| Quereinsteiger unterrichteten, weil ausgebildete Lehrkräfte dahin | |
| abwanderten, wo sie verbeamtet würden, „dann müssen wir sie an diese Stadt | |
| binden“ – auch wenn die Verbeamtung nicht ihr erster Wunsch sei, so | |
| Jarasch. | |
| Große Immobilienfirmen enteignen? Sie selbst werde am [3][26. September für | |
| das entsprechende Volksbegehren] stimmen, wiederholte Jarasch in der taz | |
| Kantine, obwohl Bundesparteichefin Annalena Baerbock im Triell am Sonntag | |
| das Gegenteil behauptet hatte. Trotzdem bleibe das Mittel der Enteignung | |
| für Jarasch nur der letzte Weg. Aber: „Wir brauchen den Druck des | |
| Volksbegehrens.“ | |
| Damit will Jarasch große Eigentümer an den Tisch holen, um sie in | |
| Verhandlungen zu sozialen Mietregulierungen zu verpflichten, und so | |
| schneller „und rechtssicher“ Erleichterung für Berlins Mieter*innen zu | |
| erreichen. „Denn die Unternehmen werden gegen den Gesetzentwurf klagen, und | |
| das wird Jahre dauern. Wollen wir diese Zeit ungenutzt verstreichen | |
| lassen?“ | |
| Auch „Autos verbieten“ wolle sie gar nicht, stellt Jarasch klar. Ebenso | |
| wenig aber, [4][dass die Stadt zu einer „Asphalthölle“ werde], „aus der … | |
| noch Reiche fliehen können“. Deshalb müsse der ÖPNV ebenso wie Rad- und | |
| Fußwege massiv ausgebaut und der Autoverkehr deutlich reduziert werden: „Es | |
| geht um die Zukunft und unser aller Leben!“ | |
| Überhaupt seien „die Grünen im Roten Rathaus“ angesichts der Dringlichkeit | |
| des Klimawandels auch in Berlin „die einzige Option“. Bei der Umsetzung | |
| verkehrspolitischer und Klimaziele habe man in der vergangenen Legislatur | |
| „viel dazugelernt“, kontert sie die Kritik der Moderator*innen daran, | |
| dass nicht einmal die grüne Verkehrssenatorin selbst mit dem Erreichten | |
| zufrieden sei: „Jetzt müssen wir führen!“ | |
| ## Sätze mit Ausrufezeichen | |
| Allein beim Tempelhofer Feld zeigt sich die grüne Spitzenkandidatin nicht | |
| kompromissbereit und verwies auf ein Plakat der Grünen dazu: „Einfach mal | |
| so lassen“, stehe darauf. Das Feld sei wichtig für das städtische Klima und | |
| aus sozialen Gründen „als Freifläche für den am dichtesten besiedelten | |
| Bezirk der Stadt, wo viele Menschen wohnen, die keine eigenen Gärten | |
| haben“. Das Feld sei zudem ein Unikat, das Berlin auszeichne. | |
| Und als Seitenhieb [5][auf die Kandidat*innen der SPD und der CDU], | |
| Franziska Giffey und Kai Wegner, die in der Woche zuvor beim taz Talk die | |
| Randbebauung des Feldes mit den fast identischen Worten gefordert hatten, | |
| sagt Jarasch: „Wir brauchen keinen Central Park, wie haben den Tiergarten. | |
| Ich bin doch nicht verrückt und baue dieses Feld zu, das ist ein Juwel!“ | |
| Nicht nur dafür erntet sie Applaus von den meisten der gut 50 Gäste, die in | |
| der taz Kantine dem Gespräch folgten. Weitere 50 sehen [6][die Debatte im | |
| Livestream auf Youtube]. Bettina Jarasch hat damit auch das meiste Publikum | |
| der vier taz Talks. Die Nominierung der 52-Jährigen zur Spitzenkandidatin | |
| der Grünen war für viele eine Überraschung: Jarasch, gebürtige | |
| Augsburgerin, war von 2011 bis 2016 Landesvorsitzende der Berliner Grünen | |
| und saß ab 2016 als Sprecherin für Integration und Flucht sowie | |
| Religionspolitik ihrer Fraktion im Abgeordnetenhaus. Außerhalb politisch | |
| aktiver Kreise war sie jedoch kaum bekannt. | |
| ## „Ich will mit dieser Koalition weitermachen“ | |
| Vielleicht ist das ein Grund dafür, dass die grüne Spitzenkandidatin viele | |
| ihrer Sätze hörbar mit Ausrufezeichen versieht: Dass sie die richtige Wahl | |
| ist, muss sie auch vielen grün-affinen Wähler*innen in diesem Wahlkampf | |
| erst beweisen. Dass ihre Partei Ende vergangener Woche bei einer | |
| Civey-Umfrage nur noch auf 15 Prozent und damit Platz vier hinter SPD, CDU | |
| und Linken kam, wischt sie am Montagabend dennoch selbstbewusst weg: „Wir | |
| sind heute bei dem gleichen Institut schon wieder auf Platz zwei!“ | |
| Und äußert sich, anders als SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey (über | |
| die an diesem Abend, anders als etwa im [7][taz Talk mit dem Linken Klaus | |
| Lederer], erstaunlich wenig gesprochen wird) auch deutlich zur künftigen | |
| Koalitionsfrage: „Ich will mit dieser Koalition weitermachen.“ | |
| 14 Sep 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Abgeordnetenhauswahl-am-26-September/!5791462 | |
| [2] /Talk/Berlinwahl-Spezial/!p5352/ | |
| [3] /Festlegung-zu-Volksentscheid-im-Triell/!5800191 | |
| [4] /Berlins-Gruenenchef-ueber-den-Wahlkampf/!5800039 | |
| [5] /Wahl-in-Berlin/!5797009 | |
| [6] https://www.youtube.com/watch?v=KLUWBVF2tXI | |
| [7] /taz-Talk-Berlin-Wahl-mit-Klaus-Lederer/!5799105 | |
| ## AUTOREN | |
| Alke Wierth | |
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