Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- AfD-nahe Erasmus-Stiftung: Steuergeld für politische Unbildung
> Nach der Wahl könnte die Stiftung der AfD Millionen vom Staat erhalten.
> Das Personal in Vorstand und Kuratorium zeigt, wie antidemokratisch sie
> ist.
Bild: Die Vorsitzende der Desiderius-Erasmus-Stiftung, Erika Steinbach
Berlin taz | Ihr Steuergeld könnte künftig der AfD gehören. Das ist die
Kernaussage der Kampagne „Kein Geld für die AfD“. Sie fragt derzeit in den
sozialen Medien die Spitzenkandidat*innen der Bundestagswahl, wie sie
es finden, dass Steuergeld bald der AfD zukommt und was sie dagegen tun
wollen. Geantwortet haben die jeweils mit dem Vornamen angesprochenen Olaf,
Annalena und Armin bisher allerdings nicht.
Klar spitzt die Kampagne etwas zu, aber im Kern stimmt es: Wenn die AfD
nach der Wahl ein zweites Mal in den Bundestag einzieht, steht ihrer
parteinahen Desiderius-Erasmus-Stiftung nach bestehender Praxis eine
staatliche Förderung zu – ebenso wie sie andere parteinahe Stiftungen wie
die Friedrich-Ebert-Stiftung der SPD oder die Konrad-Adenauer-Stiftung der
CDU in Anspruch nehmen.
Die parteilose Vorsitzende der Erasmus-Stiftung, Erika Steinbach, rechnet
im ersten Jahr nach der Wahl mit rund acht Millionen Euro Förderung, im
zweiten Jahr gar mit 14 Millionen, wie sie der taz sagte. Die genauer
Förderungshöhe ergebe sich aus dem Wahlergebnis der AfD. Zum Vergleich: Die
der AfD zustehende Parteienförderung lag [1][2020 bei 11,8 Millionen Euro].
Fließen soll das Geld in den Aufbau eines AfD-nahen Bildungswerks: Die
Stiftung will Politikberatung für AfDler*innen organisieren, Stipendien
vergeben und Auslandskontakte pflegen. Steinbach sagt, man habe bereits
begonnen, in allen Teilen des Landes Personal für den Aufbau zu suchen.
## Steuergeld für einen Rechtsruck in der politischen Bildung
Steinbach ist bemüht, einen [2][handzahmen Eindruck zu vermitteln]. „Die
Themenpalette ist breit gestreut“, wie sie sagt, „uns geht es um
Schulbildung, Hochschulbildung sowie um Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Meinungsfreiheit, aber auch eine Zukunft Deutschlands als Nation.“ Ab dem
zweiten Jahr wolle man auch ein Stipendienprogramm aufsetzen, so Steinbach.
Man wolle für eine „Erweiterung des Diskurses“ sorgen, weil die
Meinungsfreiheit in Deutschland bedroht sei, wie sie behauptet.
Die Stiftung könnte mit dem Staatsgeld Personal einstellen, rechte
Karrieren ermöglichen und dabei helfen, extrem rechte Positionen
gesellschaftsfähig zu machen und so die AfD weiter zu normalisieren.
Steuergeld würde einen Rechtsruck in der politischen Bildung finanzieren,
sagen Kritiker*innen. Geld, das der Stärkung demokratischer Parteien und
politischer Bildung dienen soll, würde in antidemokratische Strukturen
fließen – und dafür sorgen, dass rechtsextreme Inhalte in
Hochglanzbroschüren mit intellektuellem Anstrich verpackt würden.
Davon jedenfalls ist ein breites Bündnis von mittlerweile über 80
Organisationen und Initiativen überzeugt, das in einem
[3][zivilgesellschaftlichen Manifest] vor dem [4][„Stiftungstrick der AfD“]
warnt. Beteiligt sind der Zentralrat der Juden, der Deutsche
Gewerkschaftsbund, Fridays for Future und viele mehr. Sie fordern ein
Stiftungsgesetz für die Förderung parteinaher Bildungsinstitutionen – Geld
soll es künftig demnach nur geben, wenn klar sei, dass die Einrichtung sich
demokratischen Grundwerten verpflichtet fühlt. Steinbach sagt, sie habe
nichts zu befürchten: Ihre Stiftung stünde mit beiden Beinen fest auf dem
Grundgesetz.
## Hetze, Antisemitismus, Geschichtsrevisionismus
Meron Mendel von der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main ist da
anderer Meinung. Er ist Initiator des Protests und beschäftigt sich seit
drei Jahren intensiv mit der Stiftung. Er sagt: „Diejenigen, die in der
Erasmus-Stiftung sitzen, haben nachweislich keine Qualifikation, um
politische Bildung zu machen.“ Inhaltlich erschöpften sich viele Äußerungen
von Mitgliedern des Vorstands und des Kuratoriums in Hetze gegen
Geflüchtete, Antisemitismus, Sexismus, Homophobie oder
Geschichtsrevisionismus. „Es ist in der Verantwortung der neuen Koalition,
eine gesetzliche Regelung zu treffen.“
Kritik an mangelnder Transparenz bei der Finanzierung der parteinahen
Stiftungen gibt es schon länger. Jährlich werden an diese rund eine
[5][halbe Milliarde Euro ausgeschüttet]. „Das ist keine
Parteienfinanzierung, sondern zweckgebundenes Geld für politische Bildung.
Es kann nicht sein, dass Organisationen nicht nachweisen müssen, dass sie
den Zweck erfüllen“, sagt Mendel.
Dass die Steuergelder für die Erasmus-Stiftung tatsächlich
demokratieförderlich wären, erscheint besonders fraglich, wenn man sich mit
den Köpfen in Vorstand und Kuratorium auseinandersetzt. Die Liste
problematischer Personen ist lang.
Kurzer, unvollständiger Auszug: Marc Jongen, AfD-Bundestagsabgeordneter,
sprach mit Blick auf Geflüchtete [6][von einer „Migranteninvasion“].
Vorstand Sebastian Wippel darf [7][laut Landgericht Görlitz als Faschist]
bezeichnet werden und [8][wünschte Angela Merkel den Tod durch Terror]. Das
Kuratoriumsmitglied [9][Angelika Barbe] beteiligte sich an
„Querdenken“-Demos und Kuratoriumsmitglied [10][Karl Albrecht
Schachtschneider] gehört dem inneren Kreis der extrem rechten Initiative
„Ein Prozent“ an.
## Verbindungen zum Institut für Staatspolitik
Auffällig sind zudem personelle Kontinuitäten zum geheimdienstlichen
Beobachtungsobjekt Institut für Staatspolitik (IfS). Dessen
[11][Geschäftsführer Erik Lehnert] war bis Mai 2020 auch Vorstand in der
Erasmus-Stiftung. Er musste gehen, als der Verfassungsschutz den
[12][neurechten Thinktank als rechtsextremen Verdachtsfall einstufte].
Inhaltliche Differenzen waren nicht der Grund für seinen Abgang. Das
aktuelle Vorstandsmitglied Jan Moldenhauer ist als Referent und Autor auch
im Umfeld des IfS zu verorten.
Auch ein mittlerweile ausgetretenes Gründungsmitglied des IfS ist für die
Erasmus-Stiftung eine wichtige Personalie: Karlheinz Weißmann dürfte im
Kuratorium mitverantwortlich sein für die inhaltliche Ausrichtung.
Steinbach sagt der taz, dass Weißmann „durch und durch Demokrat“ sei.
Deutlich anders sieht das Armin Pfahl-Traughber, Extremismusforscher und
ehemaliger Referatsleiter für Rechtsextremismus beim Verfassungsschutz. In
einem [13][WDR-Feature] sagte er: „Weißmann beruft sich auf
Jungkonservative der Weimarer Republik. Das ist eine erklärte Strömung des
antidemokratischen Denkens.“ Sie orientiere sich an „einer ethnischen
Homogenität der Gesellschaft“, die gegen zentrale Prinzipien des
Pluralismus verstießen, wozu auch Vielfalt und die Menschenrechte gehörten.
„Wenn solche Grundprinzipien geistig abgelehnt werden, sprechen wir von
Rechtsextremismus“, so Pfahl-Traughber.
Trotz der Problempersonalien haben SPD und CDU in dieser Legislatur kein
Stiftungsgesetz vorgelegt. Wie eine Ausgestaltung aussehen könnte und ob
sie im neuen Bundestag konsensfähig wäre, wird sich nach der Wahl zeigen.
Grüne und Linke fordern jedenfalls schon länger, dass die Erasmus-Stiftung
keine Staatsmittel bekommen soll. Die Grünen haben am Freitag eine
parlamentarische Anfrage eingereicht, die der taz vorliegt, und unter
anderem nach Erkenntnissen der Bundesregierung zum Personal der
AfD-Stiftung und ihrer rechtsextremen Verstrickungen fragt.
## Steinbach hetzte gegen Lübcke
Fündig würde die Bundesregierung nicht zuletzt bei der Stiftungschefin
Steinbach selbst, die häufig in sozialen Medien rassistische Ressentiments
schürt, gegen Minderheiten hetzt oder geschichtsrevisionistische
Positionen bezieht. Als das Kind eines AfD-Politikers von einer
[14][Waldorfschule abgelehnt wurde], twitterte sie: „Die Kinder von
AfD-Mitgliedern sind die neuen ‚Judenkinder.‘“ Für Mendel ist das
Holocaustrelativierung.
Steinbach, die 2017 aus der CDU austrat, wurde zudem für den Mord am
CDU-Politiker Walter Lübcke [15][mitverantwortlich gemacht], nachdem sie
[16][Hass gegen Lübcke anstachelte]. Steinbach weist die Verantwortung von
sich und verurteile Extremismus jeglicher Art. Nur wie ein Lippenbekenntnis
wirkt die Distanzierung allerdings, wenn man sich Steinbachs Konflikt mit
Mendel vergegenwärtigt. Im Zuge ihrer teilweise auch rechtlichen
Auseinandersetzung veröffentlichte sie 2019 Gerichtsunterlagen inklusive
der [17][Privatadresse von Mendel].
„In dieser Zeitspanne habe ich sehr viele Drohbriefe und
Einschüchterungsversuche bekommen. Ich stand im regelmäßigen Austausch mit
der Polizei“, beschreibt Mendel die Folgen der Veröffentlichung. Steinbach
sagt dazu, dass sie Mendel nicht persönlich habe schaden wollen. Zudem sei
auch ihre eigene Adresse auf dem Schreiben gewesen. „Auch ich stand schon
mehrfach unter Polizeischutz, die Antifa liebt mich heiß und inniglich“,
sagt sie – als wäre das eine Entschuldigung für ihr Verhalten.
Die Kampagne „Kein Geld für die AfD“ hat dazu aufgefordert,
Politiker*innen anzuschreiben – damit diese sich gegen eine Förderung
der Erasmus-Stiftung einsetzen. Einen Standardbrief hat [18][die Kampagne
bereits vorbereitet]. Wer weiß – vielleicht überlegen sich Olaf, Armin und
Annalena ja doch noch eine passende Antwort.
Korrektur, 14.9.2021: In der ursprünglichen Version des Artikels haben wir
Armin Pfahl-Traughber mit einem falschen Begriff zitiert. Er hatte im
zitierten WDR-Feature „Pluralismus“ als Merkmal von moderner Demokratie und
damit als Abgrenzungskriterium zum Extremismus benannt, nicht
„Globalismus“, wie es zunächst in diesem Artikel hieß.
13 Sep 2021
## LINKS
[1] https://www.bundestag.de/resource/blob/835922/0853db22122a388008ce071e287d8…
[2] /Desiderius-Erasmus-Stiftung/!5780728
[3] /Organisationen-verfassen-Manifest/!5779211
[4] https://www.stiftungstrick-der-afd.com/manifest-der-zivilgesellschaftlichen…
[5] https://www.tagesschau.de/investigativ/report-mainz/stiftungen-gehaelter-10…
[6] https://www.der-rechte-rand.de/archive/2636/17-winterakademie-ifs/
[7] https://www.saechsische.de/schultze-darf-wippel-faschist-nennen-5171247.html
[8] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/afd-eklat-in-dresden-abgeo…
[9] https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2020/DDR-Buergerrechtler-Vom-SED-Ge…
[10] https://www.idz-jena.de/wsddet/wsd3-16/
[11] /IfS-Geschaeftsfuehrer-Erik-Lehnert-geht/!5688764
[12] /Institut-von-Kubitschek-unter-Verdacht/!5680777
[13] https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/neugier-genuegt/feature-Desideriu…
[14] https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-03/berliner-waldorfsch…
[15] https://www.tagesspiegel.de/politik/du-traegst-mitschuld-an-seinem-tod-tau…
[16] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_85876452/erika-steinbac…
[17] https://www.fr.de/frankfurt/erika-steinbach-meron-mendel-legen-rechtsstrei…
[18] https://www.kein-geld-fuer-die-afd.de/
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
Desiderius-Erasmus-Stiftung
Erika Steinbach
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Schwerpunkt AfD
Rechtsextremismus
GNS
Desiderius-Erasmus-Stiftung
Schwerpunkt AfD
Desiderius-Erasmus-Stiftung
Desiderius-Erasmus-Stiftung
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Schwerpunkt AfD
Verschwörungsmythen und Corona
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Alice Weidel
Schwerpunkt Pegida
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kein Geld für AfD-Stiftung: Steinbach und Erasmus bleiben arm
Der Bundeshaushalt 2022 sieht keine Förderung für die AfD-nahe
Erasmus-Stiftung vor. Die Stiftung verklagt den Haushaltsausschuss des
Bundestages.
AfD-Stiftung scheitert im Streit mit EU: Erasmus bleibt Europäer
Die Erasmus-Stiftung geht wegen Namensrechten gegen die EU vor – und
unterliegt im Rechtsstreit. Das zeigen Dokumente von „Fragdenstaat“ und
taz.
AfD-nahe Erasmus-Stiftung: AfD-Stiftung von Rechten durchsetzt
Die Bundesregierung schätzt das Umfeld der Erasmus-Stiftung teilweise als
rechtsextrem ein. Brisant: Die Stiftung hat Anspruch auf staatliche Gelder.
Geldsegen für AfD-nahe Erasmus-Stiftung: Mehr wehrhafte Demokratie wagen
Die Forscher Leggewie und Meyer fürchten, staatliche Finanzierung der
AfD-Stiftung sei nicht zu verhindern. Sie fordern eine neue
Demokratieförderung.
AfD-nahe Erasmus-Stiftung: Demokratie-TÜV gefordert
40.000 Mails sind bei Politikern eingegangen, um eine Finanzierung der
AfD-nahen Erasmus-Stiftung zu verhindern. Ob nun was passiert, ist unklar.
Auslandsspenden an AfD: Verfahren gegen Weidel eingestellt
Auf ein Konto der AfD-Spitzenkandidatin soll illegal eine Großspende
geflossen sein. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen dazu nun aber
beendet.
Ausschlussverfahren gegen Angelika Barbe: Bürgerrechtlerin mit AfD-Sympathien
Einst wirkte sie am Aufbau der Sozialdemokratie im Osten Deutschlands mit.
Nun will sogar die CDU Angelika Barbe nicht mehr in ihren Reihen.
Katholik:innen gegen AfD: Klare Kante für die Demokratie
Wahlaufrufe gegen die AfD? Eindeutige Aussagen zur Stimmabgabe sind von den
Kirchen eher nicht zu erwarten. Jetzt preschen Katholik:innen vor.
Wahlkampagne der AfD: Leider gut
Die AfD verschleiert in Spots und auf Plakaten gekonnt ihre Radikalität.
Die anderen Parteien können mit solch raffinierter Werbung nicht mithalten.
AfD und Pegida in Dresden: Gemeinsame Wahlfront
In Dresden haucht Björn Höcke den ermatteten Pegida-Resten kurz neues Leben
ein. Der Schulterschluss zwischen AfD und der Bewegung ist unübersehbar.
Desiderius-Erasmus-Stiftung: Steinbach auf Mission Feigenblatt
Die Vorsitzende der AfD-nahen Erasmus-Stiftung verteidigt sich gegen
Bestrebungen, die Stiftung von öffentlicher Förderung auszuschließen.
Organisationen verfassen Manifest: Widerstand gegen AfD-nahe Stiftung
Die Desiderius-Erasmus-Stiftung könnte ab Herbst finanzielle Förderung vom
Bund erhalten. 13 Organisationen wollen das verhindern.
Maaßen-Freund Max Otte: AfD-Fan wird Chef der Werteunion
Die WerteUnion ist für ihren Drang nach rechts berüchtigt. Jetzt hat sie
mit Max Otte einen Chef, der Sympathien für ganz rechts hegt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.