# taz.de -- CDU Schleswig-Holstein ist gegen Gendern: Sternchenkrieg in Kiel | |
> Staatliche Einrichtungen sollen keine Gendersternchen benutzen, findet | |
> die CDU – auch nicht der NDR. Der will aber niemanden diskriminieren. | |
Bild: Umkämpft: das Sternchen | |
HAMBURG taz | „Gendern an sich hat durchaus seine Berechtigung, es | |
sensibilisiert.“ Wenn ein ranghoher CDU-Vertreter so spricht, und das | |
[1][im späten Bundestagswahlkampf], dann ist das beinahe schon eine | |
Nachricht. Denn die in Umfragen schwächelnden Unionsparteien haben [2][ein | |
Aufregerthema entdeckt] in der Frage, wie sehr [3][Sprache die | |
geschlechtliche Vielfalt abbilden soll und darf]. Gerade erst, Anfang der | |
Woche, hat Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien, eine | |
Christdemokratin, bestimmte Schreibweisen an den Schulen im Land verboten, | |
nämlich solche mit „Sonderzeichen, Auslassungen, Unterstrichen oder | |
Sternchen“. | |
Auch der eingangs zitierte Tobias Koch, Chef der Kieler | |
CDU-Landtagsfraktion, blieb nicht so milde, als er den Kieler Nachrichten | |
(Mittwochsausgabe) [4][ein Interview zum Thema] gab: Privatleute sollen es | |
mit dem Gendern halten, wie sie mögen, sagte er sinngemäß. Nicht so aber | |
die Verwaltung, das staatliche Bildungswesen oder der öffentlich-rechtliche | |
Rundfunk: Als „Institutionen, die in unserer Demokratie eigentlich der | |
Mehrheit verpflichtet sind“, dürften sie eben nicht „eine andere Sprache | |
und eine andere Rechtschreibung“ verwenden, ohne rechtliche Grundlage oder | |
Akzeptanz. | |
## „Permanenter Wandel“ | |
Sie sollten sich vielmehr „der einheitlichen Linie verbunden fühlen“, für | |
die sich die Mehrheit der Menschen ausspreche. Ermitteln soll diesen | |
Mehrheitswillen ein Volksentscheid nach dem Vorbild eines anderen durchaus | |
kontrovers verhandelten Sprachthemas: „In den 1990er-Jahren gab es einen | |
Volksentscheid in Schleswig-Holstein zur Rechtschreibreform“, so Koch. | |
„Zumindest von der politischen Debattenkultur her war das mustergültig.“ | |
Nicht nur, dass es logisch knirscht zwischen dem Anspruch des Gendern, ja | |
gerade Minderheiten zu ihren Rechten kommen zu lassen – und dem | |
Mehrheitsprinzip so einer Abstimmung. Aufmerken lässt auch der Ruf nach | |
Sprech- und Schreibregeln für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. | |
## Knatsch in der Koalition | |
In Schleswig-Holstein ist das der Norddeutsche Rundfunk (NDR). [5][Anders | |
als etwa der Bayerische Rundfunk] hat der Vier-Länder-Sender NDR bislang | |
keine Sonderzeichen-Verbote erlassen. Auf taz-Anfrage teilt die Intendanz | |
mit: „Sprache unterliegt einem permanenten Wandel.“ Man beobachte daher, | |
„wie sich die Diskussion um genderneutrale Sprache entwickelt“. Für die | |
eigenen Programme „gibt es Empfehlungen, aber keine Vorgaben. Die | |
Redaktionen befinden sich dazu in einem konstruktiven Austausch. Konsens | |
ist, niemanden zu diskriminieren oder zu benachteiligen und gleichzeitig | |
eine für alle verständliche Sprache anzubieten.“ | |
Formuliert sind die internen [6][„Anregungen für einen | |
geschlechtergerechten Sprachgebrauch“] in einer Acht-Seiten-Handreichung | |
aus dem Jahr 2019. Darin schreibt die NDR-Gleichstellungsbeauftragte | |
[7][Nicole Schmutte], durch eine solche Sprache könnten die „Kolleg*innen“ | |
(!) dazu beitragen, „dass der NDR sich als modernes Medienunternehmen | |
präsentiert, das auf gesellschaftliche Veränderungen angemessen reagiert“. | |
Vorgeschlagen werden darin etwa neutrale Begriffe wie „Teilnehmende“ oder | |
„Auszubildende“, an denen sich auch die Kieler Kultusministerin nicht | |
stoßen dürfte. | |
Aber es gibt eben auch den Punkt „Genderstern*“, bezeichnet als | |
„integrierendes sprachliches Element“ im Zusammenhang mit der „Anerkennung | |
des dritten Geschlechts“.In der Kieler Regierungskoalition haben die | |
Gender-Ideen für Missstimmung gesorgt, wusste am Donnerstag der NDR [8][zu | |
berichten]: Grünen-Fraktionsvize Lasse Petersdotter [9][attestierte dem | |
Koalitionspartner] in den Sozialen Medien, „sich völlig im realitätsfernen | |
Populismusbingo“ zu verlieren. Und Kultusministerin Prien, berufe sich zwar | |
auf die Bedürfnisse lernender Kinder, [10][verbiete aber | |
„12-Klässler*innen“], mit Sternchen zu schreiben. | |
Der Volksentscheid zur Rechtschreibreform, auf den CDU-Fraktionschef Koch | |
als Vorbild verwiesen hatte, blieb übrigens seinen eigenen Worten nach ohne | |
Folgen: weil „Schleswig-Holstein sonst einen Sonderweg gegangen wäre“. | |
10 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Schwerpunkt-Bundestagswahl-2021/!t5007549 | |
[2] /Gendern-in-Schleswig-Holstein/!5797185 | |
[3] /Gendern/!t5580489 | |
[4] https://www.kn-online.de/Nachrichten/Schleswig-Holstein/Kieler-CDU-Kopf-Tob… | |
[5] /Oeffentlich-rechtlicher-Rundfunk/!5791847 | |
[6] https://www.ndr.de/der_ndr/unternehmen/organisation/geschlechtergerechtespr… | |
[7] https://www.nicoleschmutte.de/ | |
[8] https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Gendern-an-Schulen-Krach-… | |
[9] https://twitter.com/L_Petersdotter/status/1435344672092790786 | |
[10] https://twitter.com/L_Petersdotter/status/1435354823331913728 | |
## AUTOREN | |
Alexander Diehl | |
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