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# taz.de -- Gendern in Schleswig-Holstein: Reaktionäre lassen nicht locker
> CDU-Politiker Tobias Koch fordert einen Volksentscheid zu
> geschlechtergerechter Sprache. Doch Zwang führt bei diesem Thema nicht
> weiter.
Bild: Am besten halten alle es so, wie es ihnen gefällt – gendersensibel o…
Eigentlich, so könnte man meinen, [1][ist zum Thema geschlechtergerechte
Sprache alles gesagt]. Die eine tut es, der andere lässt es – und nun
können wir uns in diesen Wahlkampfzeiten anderen Themen zuwenden, die
bislang sträflich vernachlässigt wurden: Der Kampf gegen Rechtsextremismus,
[2][die fehlende Umsetzung der Istanbul-Konvention] oder wie wir nach 17
lähmenden Monaten die Pandemie zu einem Ende bringen.
Doch die Reaktionären des Landes lassen es nicht zu und setzen das Thema
ständig wieder auf die Tagesordnung. Aktuell fordert Tobias Koch,
Fraktionschef der CDU im Landtag von Schleswig-Holstein, einen
Volksentscheid zum Thema Gendern.
Dass konservative Journalist:innen monatelang Kommentarspalten
volljammerten, weil ihnen die Nutzung von Binnen-I, Sternchen, Doppelpunkt
oder Unterstrich so viel Sorgen bereiteten – daran hatte man sich ja schon
fast gewöhnt. Nun aber nimmt die Debatte um geschlechtergerechte Sprache im
Wahlkampf so viel Raum ein, dass es nur noch absurd ist.
Anlass für Kochs Vorschlag sind Verbote von Sonderzeichen fürs Gendern in
der Schule. Ende August wurde bekannt, dass an sächsischen Schulen keine
Sonderzeichen für geschlechtergerechte Sprache mehr verwendet werden
sollen. Gute Idee, dachte sich wohl CDU-Frau Katrin Prien,
Bildungsministerin in Schleswig-Holstein, diese Woche. Die Politikerin, die
in Laschets Schattenkabinett als Bildungsministerin auftritt, sagte
gegenüber den Lübecker Nachrichten: „Gendersternchen, Binnen-I und
Unterstrich“ seien „in der Schule grundsätzlich nicht gestattet“.
## Absurde Debatte
Absurd ist das vor allem, weil die Verfechter:innen des generischen
Maskulinums ständig ein „Sprachverbot“ und „Vorschriften“ herbeiredete…
nun selbst welche fordern und durchsetzen. Denn der Zwang zum Gendern, wie
ihn so viele fürchten, bleibt bislang aus. In der deutschen
Medienlandschaft gibt es keine überregionale Zeitung, keinen Fernseh- oder
Radiosender, in der geschlechtergerechte Sprache vorgeschrieben wird.
Im Gegenteil. Während einige Redaktionen, darunter die taz, den
Journalist:innen selbst überlassen, ob sie in ihrer Sprache auch andere
Geschlechter als das männliche berücksichtigen möchten oder nicht, ist es
in anderen ausdrücklich verboten, Sonderzeichen für geschlechtergerechte
Sprache zu nutzen. Zu Letzteren gehören die Frankfurter Allgemeinen Zeitung
ebenso wie der öffentlich-rechtliche Bayerische Rundfunk.
Auch ist bislang keine deutsche Universität oder Schule bekannt, in der
geschlechtergerechte Sprache vorgeschrieben wird. Der Fall eines
Lehramtsstudenten aus Kassel, der behauptete, in einer Prüfung schlechter
bewertet worden zu sein, weil er keine gendersensible Sprache verwendet
hatte, [3][stellte sich nach Recherchen verschiedener Medien als falsch
heraus]. Einzelne Städte und Behörden haben zwar angefangen, in offiziellen
Schreiben geschlechtergerecht zu schreiben, doch auch hier handelt es sich
lediglich um Empfehlungen und keinen Zwang.
Für Koch anscheinend keine zufriedenstellende Lösung, er wünscht sich, dass
„wir“ durch einen Volksentscheid zu einem „gemeinsamen Verständnis“
kommen. „Dass im Augenblick jeder seine eigenen Regeln aufstellt, halte
ich für das eigentlich Problematische“, sagt er den Kieler Nachrichten.
Doch was soll nach dem Volksentscheid kommen? Sollen Menschen gezwungen
werden, den Genderstern oder -Unterstrich zu nutzen? Oder andere dazu,
Frauen und Menschen anderer Geschlechter sprachlich unsichtbar zu machen?
Wenn uns die Debatte der letzten Monate eines gelehrt hat, dann doch, dass
Zwang uns bei diesem Thema nicht weiterführt. Deswegen lieber: Der eine tut
es, die andere lässt es, und jetzt weiter zu anderen Themen.
8 Sep 2021
## LINKS
[1] /Debatte-ums-Gendern/!5746837
[2] /10-Jahre-Istanbul-Konvention/!5766207
[3] https://www.hessenschau.de/gesellschaft/gendern-an-universitaeten-der-strei…
## AUTOREN
Carolina Schwarz
## TAGS
Schleswig-Holstein
Schule
Gendergerechte Sprache
Schwerpunkt LGBTQIA
Gendern
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