# taz.de -- Neue WDR-Moderatorin: Debatte um „Quarks“-Frau | |
> Nemi El-Hassan distanziert sich von der Teilnahme an einer | |
> antisemitischen Demo im Jahr 2014. Moderatorin bei „Quarks“ wird sie | |
> dennoch vorerst nicht. | |
Bild: „Mir ist es wichtig, mich gegen jeden Hass und Gewalt jeglicher Art zu … | |
BERLIN taz | Die Fernsehmoderatorin Nemi El-Hassan hat sich von ihrer | |
Teilnahme an einer israelfeindlichen Demo vor sieben Jahren distanziert. | |
Ihr Job als Moderatorin der Wissenschaftssendung „Quarks“ beim WDR wird | |
dennoch bis auf Weiteres verschoben. „Der WDR wird den geplanten Start der | |
Moderation von Nemi El-Hassan bei Quarks vorerst aussetzen“, steht in einer | |
Stellungnahme vom Dienstag. „Die Vorwürfe gegen sie wiegen schwer. Es wiegt | |
aber auch schwer, einer jungen Journalistin eine berufliche Entwicklung zu | |
verwehren. Deshalb ist eine sorgfältige Prüfung geboten.“ | |
El-Hassan wird in den sozialen Netzwerken und unter anderem in den | |
Zeitungen des Springer-Verlags Extremismus und Antisemitismus vorgeworfen, | |
weil sie 2014 am [1][Al-Quds-Marsch] in Berlin teilnahm. El-Hassan | |
bezeichnet dies in einem Statement vom Montag als „Fehler“. Bei der Demo | |
sei sie 19 gewesen. | |
„Ich distanziere mich daher klar und ausdrücklich von den Al-Quds-Demos, | |
sowie weiteren Demonstrationen in einem ähnlichen Kontext“, schrieb | |
El-Hassan am Montagabend [2][auf Instagram]. Sie habe damals Solidarität | |
mit Palästinenser*innen ausdrücken wollen. „Die Mittel, die ich für | |
dieses Anliegen gewählt habe, waren die falschen, das sage ich heute mit | |
Nachdruck.“ Sie verurteile jegliche antisemitischen Äußerungen und | |
Aktionen, sämtliche Arten von Gewalt und „insbesondere die Gewalt, die auf | |
diesen Demos stattgefunden hat“. | |
Nemi El-Hassan ist Journalistin, Poetryslammerin und Medizinerin. Im | |
Videoformat „Datteltäter“ des öffentlich-rechtlichen Webkanals „funk“ | |
behandelt sie satirisch Rassismus. Zuletzt befragte sie AfD-Spitzenkandidat | |
Tino Chrupalla im Interviewformat [3][„kreuzverhör“] (ebenfalls „funk“… | |
Früher trat El-Hassan in Videos stets mit der islamischen Kopfbedeckung | |
Hidschab auf, inzwischen trägt sie diese nicht mehr. | |
Vergangene Woche wurde bekannt, dass El-Hassan die Moderation der | |
Wissenschaftssendung „Quarks“ übernimmt. „Quarks“ wird vom Westdeutsch… | |
Rundfunk (WDR) produziert und läuft Samstagvormittag im Ersten. El-Hassan | |
soll zusammen mit der Medizinerin Florence Randrianarisoa die Nachfolge der | |
Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim antreten. Nguyen-Kim wechselt | |
zum ZDF. | |
## 2020 und 2021 wurde die Demo untersagt | |
Der WDR hatte am Montag zunächst erklärt: „Wir sind mit Nemi El-Hassan | |
weiter im Austausch. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns zu weiteren | |
Fragen erst äußern, wenn diese Gespräche abgeschlossen sind.“ Die Gespräc… | |
haben offenbar am Dienstagnachmittag stattgefunden, bis auf Weiteres wird | |
El-Hassan „Quarks“ nicht moderieren. Der Sender schreibt jedoch, Nemi | |
El-Hassan habe „versichert, ihre Teilnahme an den in Frage stehenden | |
Demonstrationen in der Vergangenheit zu bereuen und sich davon komplett | |
abgewendet zu haben.“ Wenn es zu einer abschließenden Entscheidung kommt, | |
ob El-Hassan die Sendung moderieren wird, sagte der WDR nicht. | |
Seit Montag kursiert vermehrt ein Foto von El-Hassan auf dem Al-Quds-Marsch | |
im Jahr 2014. Diese Demonstration fand bis 2019 jährlich in Berlin statt. | |
Unter anderem traten dort regelmäßig Anhänger*innen der | |
radikalislamischen und israelfeindlichen Bewegung und Miliz Hisbollah auf. | |
Diese ist seit 2020 in Deutschland verboten. In den Jahren 2020 und 2021 | |
wurde die Demo jeweils untersagt. | |
Die „Quds-Arbeitsgemeinschaft“, die sie für gewöhnlich angemeldet hatte, | |
wird wegen ihrer mutmaßlichen Nähe zur Hisbollah vom Verfassungsschutz | |
beobachtet. 2014, als El-Hassan an der Demo teilnahm, gab es zeitgleich | |
[4][kriegerische Auseinandersetzungen im Gaza-Streifen]. Bild griff das | |
Thema am Montag als „Islamismus-Skandal beim WDR“ auf. Die Schwesterzeitung | |
Welt wirft dem WDR vor, er hole „extreme Milieus“ ins Fernsehen. | |
Auch extrem rechte Medien griffen den Fall auf. Antimuslimischer Rassismus | |
motivierte einige Nutzer*innen, sich zu äußern, ebenso wie populistische | |
Vorbehalte gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und | |
Querdenker-Abneigung gegen die Wissenschaftssendung „Quarks“ und gegen | |
El-Hassans Vorgängerin Nguyen-Kim. | |
## „Erst später damit befasst“ | |
Eine Anfrage der taz an El-Hassans Agentur blieb am Dienstag unbeantwortet. | |
Auf Instagram schreibt El-Hassan über den Al-Quds-Tag 2014 weiter: | |
„Keinesfalls habe ich während der Demo antisemitische Parolen von mir | |
gegeben.“ Dass dort Menschen jüdischen Glaubens körperlich attackiert | |
wurden, habe sie erst im Nachhinein erfahren. Mit den Hintergründen der | |
Demo habe sie sich „leider“ erst später befasst. „Mir ist es wichtig, mi… | |
gegen jeden Hass und Gewalt jeglicher Art zu positionieren.“ | |
Die Springer-Zeitungen bezogen sich zudem auf einen Videobeitrag der | |
Bundeszentrale für politische Bildung von 2015, der derzeit ebenfalls | |
kursiert, in dem El-Hassan eine friedliche Auslegung des Wortes | |
[5][„Dschihad“] vorträgt. Diese Auslegung von „Dschihad“ als persönli… | |
Selbstverwirklichung von Muslim*innen anstatt als „Heiliger Krieg“ | |
existiert. Sie kann schwerlich als Relativierung bezeichnet werden, vor | |
allem, da El-Hassan in dem Video erkennbar für diese Auslegung wirbt und | |
keineswegs behauptet, sie sei die einzige. | |
Verschiedene Nutzer*innen teilten zudem einen Screenshot, laut dem | |
El-Hassan auf Twitter ein Like unter einem Tweet von 2014 gesetzt haben | |
soll, wo Palästinenser als „indirekte Opfer des Holocaust“ bezeichnet | |
werden. Ob der Screenshot echt ist, konnte die taz nicht ermitteln. | |
El-Hassan schreibt dazu auf Instagram: „Es gibt keinen (!) Holocaust gegen | |
Palästinenser und Palästinenserinnen.“ Den Begriff „Holocaust“ auf etwas | |
anderes als die politische und industrielle Auslöschung jüdischen Lebens in | |
Europa anzuwenden, gilt als antisemitisch, weil es deren Einzigartigkeit | |
infrage stellt. | |
Transparenzhinweis: Von Februar bis Oktober 2016 schrieb Nemi El-Hassan | |
eine regelmäßige Kolumne für die taz. | |
14 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Al-Kuds-Tag-Berlin/!5597136 | |
[2] https://www.instagram.com/nemi_elh/ | |
[3] /Sendungen-fuer-junge-Waehlerinnen/!5793091 | |
[4] /Israels-Botschafter-ueber-Antisemitismus/!5037129 | |
[5] https://www.bpb.de/mediathek/222109/info-islam-was-bedeutet-dschihad | |
## AUTOREN | |
Peter Weissenburger | |
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