# taz.de -- Al-Quds-Tag in Berlin: Protest gegen Israelfeinde | |
> In Berlin haben am Samstag Israelhasser auf der jährlichen Al-Quds-Demo | |
> demonstriert. Hunderte Menschen stellten sich ihnen entgegen. | |
Bild: Hunderte stellen sich in Berlin gegen die antiisraelische Al-Quds-Demo | |
BERLIN taz | An einer Kreuzung in der Berliner City West halten zwei ältere | |
Fahrradfahrer an. „Puh, was ist das denn für eine angespannte Stimmung | |
hier?“, fragt der eine. Besorgt schauen sie sich in die Augen, dann fahren | |
sie weiter. Die Szene spielt am Samstagnachmittag zwischen zwei | |
Demonstrationen, die sich unversöhnlich gegenüberstehen. | |
Auf der einen Seite der Radfahrer haben sich hunderte Israelhasser [1][zum | |
sogenannten Al-Quds-Tag] versammelt, an dem das iranische Regime jährlich | |
zur „Eroberung Jerusalems“ aufruft. Die Demonstranten schwenken | |
palästinensische, iranische, syrische, libanesische und deutsche Flaggen | |
und rufen „Free Palestine!“. | |
Auf der anderen Seite findet eine antifaschistische Gegendemonstration | |
statt: Vor allem junge israelsolidarische Linke stehen dort, zeigen | |
Israel-, Regenbogen- und Antifa-Fahnen und rufen „Lang lebe Israel!“ und | |
„Free Gaza from Hamas!“. | |
Zu ihnen spricht gerade der exiliranische Aktivist Kazem Moussavi. Er nennt | |
den Al-Quds-Tag einen „Aufruf zu Verbrechen gegen die Menschheit“. Die | |
Vernichtungsdrohungen der Mullahs gegen Israel und die | |
Menschenrechtsverletzungen im Iran seien „untrennbar miteinander | |
verbunden“. Er ruft: „Durch die Erlaubnis der deutschen Behörden zur | |
Durchführung des antiisraelischen Marschs wird der Terror des | |
islamistischen Regimes gegen die Bevölkerung im Iran gefördert!“ | |
Geht man durch die Reihen und spricht mit den Demonstranten, fühlt man sich | |
als Beobachter eines Klassentreffens der sogenannten antideutschen Linken, | |
die zur Solidarität mit dem jüdischen Staat aufrufen. Israelische Popmusik | |
dröhnt aus den Boxen. Viele Leute kennen sich, einige Gruppen sind extra | |
aus anderen Städten angereist. Hamburg, München, Leipzig, Kiel und andere | |
werden da genannt. Ungefähr 300 Menschen sind es insgesamt. | |
## Vereinzelt auch Neonazis | |
Auch auf der anderen Seite scheint es sich für viele um einen Pflichttermin | |
zu handeln. Zahlreiche Gesichter aus den vergangenen Jahren sind | |
wiederzuerkennen. Doch es sind deutlich weniger geworden: „Über tausend“ | |
Al-Quds-Tag-Teilnehmer zählt die Polizei, 2018 waren es noch 1600 gewesen. | |
Die meisten davon sprechen neben Deutsch auch Arabisch, vereinzelt mischen | |
sich auch Neonazis wie der NPD-Politiker Uwe Meenen unter die | |
Demonstranten. Und auch die maoistische Politsekte Jugendwiderstand, die in | |
den vergangenen Jahren in Berlin mit Gewalt gegen Andersdenkende auf sich | |
aufmerksam gemacht hat, ist wieder dabei. | |
Immer wieder werden auf der Demonstration antisemitische | |
Verschwörungsmythen verbreitet: „Kindermörder Israel“ skandiert die Menge | |
trotz entsprechendem Verbot in den Demonstrationsauflagen. Eine „moderne | |
Auflage der mittelalterlichen Ritualmordlegende“ nennt die Aktion 3. Welt | |
Saar diesen Schlachtruf. | |
Sogar Symbole von islamistischen Terrororganisationen werden gezeigt. Ein | |
Mann hält stolz sein T-Shirt in die Kameras von Beobachtern. „Hamas – | |
Al-Qassam Brigaden“ steht dort drauf. „Bruder“, bittet ihn ein Ordner, | |
„zieh bitte dein Shirt aus, wir dürfen das leider nicht.“ Der Mann will das | |
nicht akzeptieren. Er werde seinen Sohn bald im Terrorlager ausbilden | |
lassen. Der steht neben ihm und ist noch nicht einmal jugendlich. | |
## Immer wieder aggressive Teilnehmer | |
„Zionisten sind Rassisten“ und „Israel sind Terroristen“ sind weitere | |
Parolen, die immer wieder aus der Demonstration schallen. Da hilft es auch | |
nicht mehr, dass sich die Veranstalter und viele Teilnehmer vorgeblich von | |
Antisemitismus distanzieren. | |
Geht man vorab die Demoroute ab, fallen einem immer wieder Gruppen von | |
jungen Antifaschisten auf, die sich am Straßenrand positioniert haben. Eine | |
kleine Gruppe versucht sich sogar an einer Blockade. Sie haken sich ein und | |
setzen sich auf die Straße, vor sich halten sie ein Transparent mit der | |
Aufschrift „Individuelle Freiheit statt religiösem Wahn“, daneben ist eine | |
Regenbogenfahne und ein Logo der Linksjugend abgebildet. | |
Sofort kommen über zehn Polizisten angerannt, nach weniger als einer Minute | |
ist die Straße wieder frei. Insgesamt ist die Polizei mit 500 | |
Einsatzkräften vor Ort, um ein Aufeinandertreffen der Gruppen zu vermeiden. | |
Dies gelingt auch, ist jedoch an manchen Stellen ein harter Job. Wenn am | |
Rande der Al-Quds-Demonstrantion Personen mit Israelfahnen auftauchen, | |
bleibt der Großteil zwar friedlich. Doch immer wieder werden viele | |
Demonstrationsteilnehmer aggressiv und beleidigen die Gegenseite. | |
Ein paar Hundert Meter weiter findet ein weiterer Gegenprotest statt. Ein | |
bürgerliches Bündnis aus jüdischer Gemeinde, Deutsch-Israelischer | |
Gesellschaft (DIG), dem Lesben- und Schwulenverband Deutschlands, der | |
Kurdischen Gemeinde Deutschlands und anderen zivilgesellschaftlichen | |
Gruppen hat zu einer Kundgebung aufgerufen. Hier ist es voller als üblich, | |
über 800 Menschen sind vor Ort. | |
## Protest gegen die Hassveranstaltung | |
Darunter ist auch Aras-Nathan Keul aus dem Bundesvorstand des Jungen Forums | |
der DIG. „Statt um das Wohl der Palästinenser, Koexistenz und Frieden geht | |
es beim Al-Quds-Marsch allein darum, Israel die Schuld an allem Übel zu | |
geben“, sagt er zur taz. „Das Verhalten der palästinensischen Führung, wie | |
mangelnde Gesprächsbereitschaft, Terror-Unterstützung und undemokratische | |
Strukturen, wird völlig ausgeblendet.“ | |
Auf der Bühne werden Reden gehalten, unter anderem vom israelischen und | |
amerikanischen Botschafter, dem Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD), | |
der Linken-Vizepräsidentin des Bundestags Petra Pau und dem | |
FDP-Bundestagsabgeordneten Bijan Djir-Sarai. | |
Dicht gedrängt stehen die Demonstranten vor der Bühne, um ihren Protest | |
gegen die Hassveranstaltung auszudrücken. Die erhöhte Aufmerksamkeit ist | |
auch auf eine erneute Diskussion über die Sicherheit deutscher Juden | |
zurückzuführen, die in den Tagen zuvor geführt wurde. Der | |
Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, [2][hatte Juden | |
geraten], in Deutschland nicht jederzeit und überall eine Kippa zu tragen. | |
Diese Aussage hatte für viel Zustimmung, aber auch viel Kritik innerhalb | |
der jüdischen Gemeinde gesorgt. Auch auf der Kundgebung am Samstag wurde | |
mehrfach darauf Bezug genommen. Wenn Juden in Deutschland empfohlen werde, | |
sich nicht als Juden zu erkennen zu geben, sei das „auch eine | |
Bankrotterklärung der Kooperationspolitik mit Islamisten“, meint etwa die | |
exiliranische Publizistin Fathiyeh Naghibzadeh. | |
Alle im Bundestag vertretenen Parteien außer der AfD hat das Bündnis | |
eingeladen. Für die Grünen spricht die Bundessprecherin des Jugendverbands, | |
Ricarda Lang. Sie stehe hier als Demokratin, als Antifaschistin und als | |
Feministin, bekennt Lang in ihrer Rede. „Wir stellen uns solidarisch an die | |
Seite der Kräfte im Iran, die gegen Unterdrückung und patriarchale Zwänge | |
aufstehen.“ | |
Dann zitiert sie den Slogan der iranischen Frauen, die zu Beginn der | |
Islamischen Revolution 1979 gegen den Kopftuchzwang auf die Straße gingen: | |
„Freiheit ist nicht westlich oder östlich, sondern universell!“ | |
2 Jun 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Al-Kuds-Tag-Berlin/!5597136 | |
[2] /Kommentar-Antisemitismus/!5595129 | |
## AUTOREN | |
Frederik Schindler | |
## TAGS | |
Antisemitismus | |
Israel | |
Iran | |
Extremismus | |
Judentum | |
Al-Quds-Tag | |
Al-Quds-Tag | |
Staatsvertrag | |
Jugendwiderstand | |
Antisemitismus | |
Kippa | |
Al-Quds-Tag | |
Antisemitismusbeauftragter | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Neue WDR-Moderatorin: Debatte um „Quarks“-Frau | |
Nemi El-Hassan distanziert sich von der Teilnahme an einer antisemitischen | |
Demo im Jahr 2014. Moderatorin bei „Quarks“ wird sie dennoch vorerst nicht. | |
AfD und CDU gegen Muslim-Staatsvertrag: Alles Antisemiten? | |
In Hamburg wollen AfD und CDU den Staatsvertrag mit den Muslimen aussetzen. | |
Der Grund: antisemitische Demoaufrufe einer Moschee in der Vergangenheit. | |
Maoistische Gruppe Jugendwiderstand: Razzia nach der Auflösung | |
Gegen Mitglieder des aufgelösten Jugendwiderstands wird ermittelt. | |
Vorgeworfen werden ihnen Angriffe auf politische Gegner. | |
Antisemitischer Vorfall in Hamburg: Spuckattacke auf Landesrabbiner | |
Der Landesrabbiner Shlomo Bistritzky wurde im Eingang des Hamburger | |
Rathauses bespuckt und bedroht. Der Staatsschutz ermittelt. | |
Gastkommentar Kippa-Debatte: Im eigenen Namen sprechen | |
Der Beauftragte der Bundesregierung ruft dazu auf, am Al-Kuds-Tag in Berlin | |
Kippa zu tragen. Dabei können Juden durchaus für sich selbst sprechen. | |
Al-Kuds-Tag Berlin: Merkwürdige Allianzen | |
Politisches Sammelsurium geht beim Al-Kuds-Tag gegen Israel auf die Straße. | |
Wie in den Vorjahren gibt es auch diesmal Gegendemonstrationen. | |
Kommentar Antisemitismus: Bankrotterklärung des Staates | |
Der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein empfiehlt jüdischen Männern, ihre | |
Kippa lieber nicht auf der Straße zu tragen. Was für ein Versagen. |