# taz.de -- Kommentar Antisemitismus: Bankrotterklärung des Staates | |
> Der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein empfiehlt jüdischen Männern, | |
> ihre Kippa lieber nicht auf der Straße zu tragen. Was für ein Versagen. | |
Bild: In Deutschland auf der Türschwelle zur Öffentlichkeit lieber ablegen? K… | |
Ein Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung hat die Aufgabe, | |
Judenhass zu bekämpfen. Umso befremdlicher mutet es an, wenn Felix Klein | |
stattdessen den Ratschlag an jüdische Männer ausgibt, sie mögen ihre Kippa | |
nicht überall in der Öffentlichkeit tragen. Für die Betroffenen ist ein | |
solcher Hinweis überflüssig, denn sie wissen selbst um die Gefahren, wenn | |
sie sich mit dieser religiösen Kopfbedeckung in manchen Vierteln deutscher | |
Großstädte zeigen. Dies von offizieller Stelle auch noch bestätigt zu | |
bekommen, gleicht einer Bankrotterklärung des Staates. | |
Doch es ging Klein offenbar gar nicht darum, Juden Ratschläge zu erteilen. | |
Der Antisemitismusbeauftragte hat mit seinem scheinbar überflüssigen Satz | |
eine Debatte über die Sicherheit der Juden in diesem Land ausgelöst, die | |
immer wieder mal an die Oberfläche gespült, aber nie konsequent | |
weitergeführt wurde. Es ist eine beschämende Tatsache, wenn sich Politik | |
und Öffentlichkeit daran gewöhnt haben, dass die grundgesetzlich verankerte | |
Religionsfreiheit nicht für alle und nicht überall gewährleistet ist. | |
Dieser Zustand wird allenfalls bedauernd zur Kenntnis genommen, aber viel | |
zu wenig unternommen, um sich dieser Entwicklung entgegenzustemmen. Es geht | |
dabei nicht um mehr Polizeipräsenz, sondern darum, einem gesellschaftlichen | |
Trend den Kampf anzusagen, der zunehmend zur Bedrohung wird. Die Kippa, | |
jenes kleine Stück Stoff, wird dabei zum Symbol für Toleranz und Respekt. | |
Es spricht wenig dafür, dass Kleins Äußerungen an den Gefahren für jüdische | |
Menschen in Deutschland etwas ändern. Bundesinnenminister Horst Seehofer | |
(CSU) ist wenig mehr dazu eingefallen, als darauf hinzuweisen, dass der | |
derzeitige Zustand unhaltbar sei. Aber eine Tatsachenfeststellung ersetzt | |
noch keine Politik. | |
Erschreckender noch als Kleins Ratschläge sind die Reaktionen aus zwei | |
Bundesländern: Die Innenminister von Nordrhein-Westfalen und Bayern, | |
Herbert Reul (CDU) und Joachim Herrmann (CSU), haben Juden dazu aufgerufen, | |
immer und überall die Kippa zu tragen. Das soll sich wohl nach Solidarität | |
anhören, doch es ist tatsächlich das genaue Gegenteil. Die Minister laden | |
die reale Gefahr bei den Gefährdeten ab. Sie erwecken damit den Eindruck, | |
es gebe gar kein Problem, ja, als seien Juden nur ein wenig hasenfüßig. | |
Warum laufen Reul und Herrmann nicht mal selbst ohne Personenschutz, dafür | |
aber mit einer Kippa auf dem Kopf durch einschlägige Stadtviertel in ihren | |
Bundesländern? Vielleicht würden sie dann begreifen, dass man eine | |
Bedrohung nicht dadurch bekämpft, indem man sie leugnet. | |
26 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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