# taz.de -- Antisemitismusbeauftragter in der Kritik: Klein warnt vor Tragen de… | |
> Können Juden überall gefahrlos die Kippa tragen? Der | |
> Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung verneint das – und erntet | |
> heftigen Widerspruch. | |
Bild: Ist Kippa tragen gefährlich? | |
Berlin dpa | Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung hat Juden | |
davon abgeraten, sich überall in Deutschland mit der Kippa zu zeigen. „Ich | |
kann Juden nicht empfehlen, jederzeit überall in Deutschland die Kippa zu | |
tragen. Das muss ich leider so sagen“, sagte Felix Klein den Zeitungen der | |
Funke Mediengruppe. Der Publizist Michel Friedman kritisierte die Äußerung | |
scharf, auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) widersprach. Die | |
Kippa ist als Kopfbedeckung ein sichtbares Zeichen für den jüdischen | |
Glauben. | |
Er habe seine Meinung „im Vergleich zu früher leider geändert“, sagte | |
Klein, der seit knapp einem Jahr im Amt ist. Er begründete das mit der | |
„zunehmenden gesellschaftlichen Enthemmung und Verrohung“, die einen | |
fatalen Nährboden für Antisemitismus darstelle. Etwa 90 Prozent der | |
Straftaten seien dem rechtsradikalen Umfeld zuzurechnen. Bei muslimischen | |
Tätern seien es zumeist Menschen, die schon länger in Deutschland lebten. | |
„Viele von ihnen gucken arabische Sender, in denen ein fatales Bild von | |
Israel und Juden vermittelt wird.“ | |
Gleichzeitig forderte Klein Schulungen für Polizisten und andere Beamte im | |
Umgang mit Antisemitismus. „Es gibt viel Unsicherheit bei Polizisten und | |
bei Behördenmitarbeitern im Umgang mit Antisemitismus.“ Das Thema gehöre | |
auch in die Ausbildung der Lehrer und Juristen. | |
Der Zentralrat der Juden warnt immer wieder vor wachsendem Antisemitismus | |
in Deutschland und hat auch vom Tragen der Kippa in Teilen von Großstädten | |
abgeraten. So sagte Zentralratspräsident Josef Schuster im Juli 2017 der | |
Bild am Sonntag: „In einigen Bezirken der Großstädte würde ich empfehlen, | |
sich nicht als Jude zu erkennen zu geben.“ Die Erfahrung habe gezeigt, dass | |
das offene Tragen einer Kippa oder einer Halskette mit Davidstern verbale | |
oder körperliche Bedrohungen zur Folge haben könne. | |
„Ein Armutszeugnis für den Rechtsstaat“ | |
Der Publizist Michel Friedman bezeichnete die Äußerungen von Klein als | |
„Offenbarungseid des Staates“. Friedman verwies in auf Artikel 4 des | |
Grundgesetzes, der unter anderem die Religionsfreiheit garantiert. | |
„Anscheinend versagt der Staat, dies allen jüdischen Bürgern im Alltag zu | |
ermöglichen“, sagte der 63-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. | |
Friedman kritisierte: „Wenn ein Beauftragter der Bundesregierung offiziell | |
der jüdischen Gemeinschaft mitteilt, „ihr seid nicht überall in Deutschland | |
vor Judenhass und Gewalt sicher““, dann ist das ein Armutszeugnis für den | |
Rechtsstaat und die politische Realität in Deutschland.“ „Der Staat muss | |
gewährleisten, dass Juden sich überall angstfrei zu erkennen geben können“, | |
sagte der frühere Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland. | |
„Ich empfehle allen, diese Aussagen sehr ernst zu nehmen“, sagte Friedman | |
zu dem Interview von Klein. „Dort, wo Juden nicht sicher und frei leben | |
können, werden es bald auch andere nicht mehr können“, warnte Friedman. | |
„Ich fordere Herrn Klein und die Bundesregierung konkret auf, der | |
Öffentlichkeit mitzuteilen, an welchen Orten Juden nicht sorgenfrei und von | |
Gewalt bedroht leben können.“ | |
Bayerns Innenminister Herrmann ermutigte Juden in Deutschland, eine Kippa | |
zu tragen. „Jeder kann und soll seine Kippa tragen, egal wo und egal wann | |
er möchte“, erklärte Herrmann am Samstag. Die Kippa zu tragen sei Teil der | |
Religionsfreiheit. „Wenn wir vor dem Judenhass einknicken, überlassen wir | |
rechtem Gedankengut das Feld“, sagte der CSU-Politiker. | |
Antisemitische Straftaten stiegen im 2018 an | |
2018 war die Zahl antisemitischer Straftaten [1][bundesweit stark | |
angestiegen]. Der jüngste Jahresbericht zur politisch motivierten | |
Kriminalität wies 1799 Fälle aus, 19,6 Prozent mehr als 2017. | |
Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) zeigte sich besorgt über die | |
wachsende Gewalt gegen Juden in Deutschland. Sie sagte dem Handelsblatt: | |
„Die immer häufigeren Gewalttaten gegen Jüdinnen und Juden sind beschämend | |
für unser Land. Rechte Bewegungen greifen unsere Demokratie an und zielen | |
auf unser friedliches Zusammenleben.“ Polizei und Justiz seien jedoch | |
wachsam. Wachsam müsse aber auch die gesamte Gesellschaft sein. „Jüdisches | |
Leben müssen wir mit allen Mitteln unseres Rechtsstaats schützen und Täter | |
unmittelbar zur Verantwortung ziehen.“ | |
Mehrere antisemitische Vorfälle hatten zuletzt bundesweite Aufmerksamkeit | |
bekommen. So war im August in Chemnitz ein jüdisches Restaurant [2][mit | |
Flaschen und Steinen angegriffen] worden. In Berlin [3][attackierte im | |
April 2017] ein Syrer einen Kippa tragenden Israeli. Der nicht jüdische | |
Israeli filmte dies und stellte die Aufnahme ins Netz. Der Angreifer wurde | |
zu vier Wochen Arrest verurteilt. In Bonn war im vergangenen Jahr [4][ein | |
israelischer Professor], der eine Kippa trug, von einem jungen Deutschen | |
mit palästinensischen Wurzeln attackiert worden. | |
25 May 2019 | |
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