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# taz.de -- Die Kunst der Woche für Berlin: Transitorte auf Umwegen
> Nah zur Natur: Maria Loboda. Outdoor: Das „UM-Festival“ von Gudrun Gut
> und Co. Im Zustand der Latenz: der BER, fotografiert von Matthias Hoch.
Bild: Maria Loboda, Listen to me, little pig!, Installationsansicht
Auch ohne Wissen um all die vielen kulturgeschichtlichen Anspielungen
berührt Maria Lobodas Ausstellung in der [1][Galerie Thomas Schulte] an
irgendeinem tief sitzenden, schmerzenden Punkt unseres
Kollektivbewusstseins. „Listen to me, little pig!“ ist ein fragmentarischer
Garten im White Cube. Vor dem Panorama pastoraler Landschaftsmalereien –
eigentlich sind es Ausdrucke von Gemälden des 18. Und 19. Jahrhunderts, die
sich als Public Domain des Metropolitain Museum of Art frei verwerten
lassen – platziert Loboda eine Reihe junger Obstbäume, zwei weitere
zierliche Metallskulpturen werden von Wein- und Kiwigewächsen umrangt.
Es scheint, als würden in dieser sehr reduzierten Installation
Menschengemachtes und Natur zaghaft aufeinander treffen, doch kleine
Disharmonien zeigen, dass es hier zwischen Natur und Mensch irgendwie ein
Missverständnis gegeben haben muss: Bunt funkelnde Folienverpackungen am
Fuß der Obstbäume und Textarbeiten an Wand und Bild sowie auf Sockeln
verstören das feine Arrangement. Letztere sind weit aus der westlichen
Kulturgeschichte gegriffene Zitate, vom Mythos um den Zauberer Merlin etwa,
vom gefallenen Engel Luzifer, oder von jetztzeitlichen Noise-Tracks, die
alle den menschlich-geistigen Versuch widergeben, die Kräfte der Natur zu
deuten, aber in Fehldeutungen enden können.
„Listen to me, little pig!“ ist eine humorvolle Erinnerung daran, dass wir
die Natur mit ihren sonderbaren Phänomenen nicht vollends begreifen können.
Doch jetzt, wo außerhalb des White Cube die Naturkräfte in der
menschengemachten Welt mit Unwettern, Hitze oder unbändigbaren Viren ihre
Wirkung zeigen, hinterlässt die Ausstellung auch ein Gefühl der Beklemmung.
Alles hängt mit allem zusammen. Die Interdependenzen von Natur und Mensch
sind schon immer Thema des [2][UM-Festivals] gewesen, das nun Ende dieser
Woche zum siebten Mal stattfindet. Man muss in den Zug steigen und sich auf
einen Parcours durch die geformte Landschaft der Uckermark zwischen die
Dörfer Fergitz und Pinnow sowie dem Drei-Seen-Blick begeben, um dann durch
die Outdoor-Ausstellung zu streifen, die die [3][alte Berliner
Punkmusikerin Gudrun Gut] gemeinsam mit dem Künstler Harald F. Theiss und
der Lektorin sowie Texterin Ute Koenig unter dem Titel „Umwege“
zusammengestellt hat.
Inmitten alter Bauernhöfe, gedehnter Felder und Baumalleen wird es vor
allem sensualistisch zugehen: Es werden visuelle Metaphern für das
„Fliegen“ installiert, eingelesene Buchpassagen von den Bäumen klingen,
Ad-Hoc-Konzerte im Schotter stattfinden, und es wird in Wort, Sound und
Bild die Ästhetik der Leere besungen. 23 künstlerische Positionen.
## Zur Funktionslosigkeit verdammt
Die Natur hätte den Hauptstadtflughafen einfach in Beschlag nehmen können,
so viele Jahre stand das fast fertige Gebäude in Schönefeld leer und
wartete auf seine Inbetriebnahme. Fotograf Matthias Hoch hat den zur
Funktionslosigkeit verdammten Bau über drei Jahre mit seiner analogen
Großformatkamera und einer digitalen Filmkamera erkundet.
Seine präzisen Aufnahmen in der [4][Galerie Nordenhake] zeigen die
gewaltigen Räume dieses Infrastrukturprojekts im Zustand der Latenz:
Folienverpackte Stühle, herausgerissene Lichtanlagen, noch nicht
installierte Vitrinen werden in der Zufälligkeit, in der sie auf der
Baustelle hinterlassen wurden, auf der Oberfläche der Fotografien zu einer
farbenreichen Komposition geometrischer Linien und Formen. Diese
Gegenstände für einen Transitort, der eigentlich von Geschwindigkeit und
stetem Fluss geprägt ist, geraten durch Hochs Aufnahmen in noch eine
zusätzliche Starre.
24 Aug 2021
## LINKS
[1] https://nordenhake.com/
[2] https://um-festival.de/
[3] /Neue-Musik-aus-Berlin/!5792277
[4] https://nordenhake.com/
## AUTOREN
Sophie Jung
## TAGS
Kunst Berlin
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