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# taz.de -- Afghanische Ortskraft im Hungerstreik: Letzte Hoffnung Auswärtiges…
> Neun Jahre hat Ahmed in Afghanistan für die Bundeswehr gearbeitet. Einen
> Schutzstatus hat er nie erhalten – nun ist auch noch seine Familie in
> Gefahr.
Bild: Ahmet arbeitete 9 Jahre für die Bundeswehr und kämpft für seine Famili…
Berlin taz | Ahmed ist im Hungerstreik, weil Deutschland sein Wort nicht
hält. Seit Jahren versucht der 32-jährige Afghane vergebens, seine Frau und
seine Familie nach Deutschland zu bringen. Seit ein paar Wochen aber hat er
Angst, dass ihnen seinetwegen etwas zustößt.
Neun Jahre lang hat Ahmed im ISAF-Lager Camp Marmal in Mazar-e Sharif
gearbeitet, von 2006 bis 2015. Das belegen zahlreiche Dokumente, die Ahmed
in eine schwarze Aktentasche gepackt und von einer hessischen Kleinstadt
bei Frankfurt mit nach Berlin, vor das Auswärtige Amt, gebracht hat.
Doch seine Familie hat nach Ansicht der deutschen Behörden kein Anrecht
darauf, in [1][Sicherheit vor den Taliban] zu leben – jedenfalls nicht in
Deutschland. Seit Tagen harren seine Eltern und Geschwister am
[2][Flughafen in Kabul] aus und hoffen, von der Bundeswehr außer Landes
gebracht zu werden. Auch seine Frau hat sich mittlerweile nach Kabul
durchschlagen können. Doch es sieht nicht gut aus für Ahmeds Familie.
Deshalb steht Ahmed, die langjährige Ortskraft der Bundeswehr, an diesem
Donnerstag vor dem Hauptsitz der deutschen Diplomatie und fordert die
unbürokratische Hilfe ein, die die Bundesregierung [3][den Ortskräften
versprochen] hat. Am Mittwoch ist er mit dem Zug angereist, sein Bruder und
ein Freund begleiten ihn. Die drei hoffen, im Auswärtigen Amt empfangen zu
werden.
## Pure Verzweiflung
„Deutschland schuldet mir etwas“, sagt Ahmed. Zum Beweis greift er zu
seiner schwarzen Aktentasche und nimmt einen Ordner heraus. Dann zeigt er
der taz Arbeitsnachweise, ausgestellt von der deutschen
Einsatzwehrverwaltungsstelle im Camp Marmal, sowie zahlreiche Fotos, die
ihn mit deutschen Soldaten zeigen.
Mehrere Ordner voller Dokumente hat Ahmed mit dabei. Sie sollen dabei
helfen, seine Familie in Schutz zu bringen. „Meine Famillie ist in Gefahr,
weil ich für Deutschland gearbeitet habe“, sagt Ahmed und seine Stimme
bricht, als er hinzufügt: „Wenn ihr etwas passiert, zünde ich mich hier
selbst an“.
Ahmed heißt in Wahrheit anders. Um seine Familie in Kabul nicht weiter zu
gefährden, verzichtet die taz auf Angaben, die ihn identifizieren könnten.
Nur so viel ist für seine Geschichte wichtig: Ahmed kam Ende 2015 nach
Deutschland. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) bestätigte
in seinem Asylbescheid von 2017 zwar, dass Ahmed wegen seiner Arbeit im
ISAF-Lager Camp Marmal politisch verfolgt worden ist.
Seinen Asylantrag lehnte das Bamf dennoch ab: Im Falle einer Abschiebung
sei „nicht mit einer erneuten Verfolgungshandlung zu rechnen“, heißt es
darin nach Angaben von Ahmeds Rechtsanwältin Annette Schlenke. Ahmeds Klage
gegen den Bamf-Bescheid habe das Verwaltungsgericht Gießen Ende 2020 mit
der Begründung zurückgewiesen, dass Ahmed „vage“ und „oberflächliche“
Angaben gemacht habe und deshalb „unglaubwürdig“ sei.
## Folgenschwere Asylentscheidung
Die Folgen dieses Urteils entscheiden nun möglicherweise über Leben und
Tod. Denn weil Ahmed in Deutschland keinen Schutzstatus hat und nur
geduldet ist, darf seine Familie jetzt auch keinen Bundeswehrflieger
besteigen. Bisher sind sie nicht auf der Liste der Personen, die aus
Afghanistan ausgeflogen werden sollen. „Es ist ein Skandal, wie kaltherzig
hier mit einer langjährigen Ortskraft der Bundeswehr umgegangen wird“, sagt
Rechtsanwältin Schlenke der taz.
Zwar habe sie einen Asylfolgeantrag gestellt, schließlich bezweifle heute
niemand mehr, dass Ortskräfte in Afghanistan gefährdet seien. Doch bis
darüber entschieden ist, könnte es für Ahmeds Familie zu spät sein. Ob und
inwieweit Asylbescheide rückwirkend der aktuellen Sicherheitslage in
Afghanistan angepasst werden – und was dies für die geplanten Evakuierungen
aus Kabul bedeuten, ist bislang unklar. Das Auswärtige Amt ließ eine
entsprechende Anfrage der taz unbeantwortet.
Rechtsanwältin Annette Schlenke jedenfalls hat bisher vom Auswärtigen Amt
keine Auskünfte erhalten, ob Ahmeds Familie geholfen werden kann. Auch die
Bitte, ihren Mandanten persönlich in Berlin zu empfangen, blieb
unbeantwortet.
Ahmed jedenfalls ist entschlossen, so lange zu bleiben, bis er empfangen
wird. Er hat sich darauf eingestellt, auf dem kleinen Platz gegenüber des
Auswärtigen Amtes zu übernachten.
19 Aug 2021
## LINKS
[1] /Afghanistan-nach-dem-Machtwechsel/!5789732
[2] /Afghanistan-nach-dem-Machtwechsel/!5789732
[3] http://Seit%20ein%20paar%20Tagen%20ist%20er%20verzweifelt.
## AUTOREN
Ralf Pauli
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