| # taz.de -- Technoparade in Berlin abgebrochen: Liebe lässt die Maske fallen | |
| > Der „Zug der Liebe“ endete vorzeitig, weil Corona-Auflagen missachtet | |
| > wurden. Damit wurde eine Chance vertan, für die Belange der Clubs zu | |
| > werben. | |
| Bild: Ein bisschen wie zu Loveparade-Zeiten: Teilnehmer*innen des Zugs der Liebe | |
| Berlin taz | Um 17.30 Uhr kam der “Zug der Liebe“ zum Stehen, die DJs | |
| beendeten ihre Arbeit. Das war’s. | |
| Die [1][Techno-Parade], die am Samstag ab 14 Uhr vom Mauerpark aus durch | |
| Prenzlauer Berg zog und um 21 Uhr vor dem Kino International in Mitte mit | |
| einer Abschlusskundgebung ihr Finale haben sollte, wurde vorzeitig beendet. | |
| Auf Höhe des einstigen SEZ in der Danziger Straße, nahe des Volksparks | |
| Friedrichshain, war Schluss. Wie die Polizei bekannt gab, habe der | |
| Veranstalter selbst den Umzug gestoppt. | |
| Es sei zu massiv gegen die Corona-Hygienemaßnahmen verstoßen worden, | |
| Abstand sei kaum eingehalten worden, zu viele hätten ohne Masken getanzt. | |
| Der Veranstalter habe für dieses Fehlverhalten nicht mehr die Verantwortung | |
| übernehmen wollen. Die Raver nahmen das Ende der Parade allerdings recht | |
| gelassen und zogen in Scharen und ohne Masken und Abstand einfach weiter in | |
| den Volkspark. | |
| Dass der diesjährige “Zug der Liebe“, den es seit 2015 gibt und der sich | |
| als eine Art Loveparade mit politischem Anspruch versteht und deswegen auch | |
| als Demonstration angemeldet wurde, keine corona-sensible Parade von | |
| Karl-Lauterbach-Fans werden würde, ahnte der Veranstalter freilich schon | |
| vorher. | |
| Via Facebook wurde bereits vorab schwarze Pädagogik angewandt: “Musik aus, | |
| wenn kein Abstand!“, hieß es dort. Auf vielen der mehr als ein Dutzend | |
| Wagen, von denen die Feiernden mit Technobeats beschallt wurden, war | |
| während des Umzugs auch noch einmal zu lesen: “Abstand halten“. Und bevor | |
| der Zug endgültig zum Stillstand gebracht wurde, ließ der Veranstalter auf | |
| halber Strecke zwischen Mauerpark und SEZ kurzerhand zwei Wagen entfernen, | |
| hinter denen kaum noch jemand eine Maske trug. | |
| Bis zu seinem unrühmlichen Ende lief es, abgesehen von den | |
| Corona-Maßnahmen, bei dem Umzug eigentlich so wie [2][auch in früheren | |
| Jahren]. Nach Schätzungen der Polizei etwa 4.000 Raver trotteten den | |
| Techno-Wagen hinterher, die von verschiedenen sozial engagierten und | |
| kulturellen Kollektiven bespielt wurden, darunter die | |
| Volksentscheidsinitiative “Deutsche Wohnen und Co. enteignen“. Einer der | |
| Wagen war sogar vom Berliner Künstler Jim Avignon persönlich bemalt worden. | |
| ## Blumige Slogans | |
| Das Motto der “Demo für soziales Engagement und Nächstenliebe“, wie sich | |
| der “Zug der Liebe“ selbst nennt, lautete “Wir für euch“. Vielleicht | |
| sollten die Macher der Parade ihren Claim nun an irgendeine Partei | |
| verkaufen, die haben ja gerade Bedarf an derartig blumigen Slogans. | |
| Vielleicht an die Linkspartei, für die ein paar Raver Wahlwerbung machten. | |
| Ansonsten zogen zig Verlautbarungen für eine bessere Welt mit durch die | |
| Stadt. “Für die Liebe auf die Straße“, stand auf einem der Wagen, oder | |
| “Black Lives Matter“. Auch wurde “Bass gegen Rechts“ auf einem der | |
| hochgehaltenen Schilder proklamiert. | |
| Dabei hätte der “Zug der Liebe“ die einmalige Chance gehabt, in diesem Jahr | |
| richtig back to the roots zu gehen, also zurück zu den Anfängen der | |
| Technoumzüge, zur ersten Loveparade 1989. Damals zog man durch die Straßen | |
| und hatte nichts weiter zu verkünden als das Techno-Lebensgefühl: Tanzen | |
| und Hedonismus. | |
| Dieses Lebensgefühl leidet in Pandemiezeiten bekanntlich gerade arg. | |
| Während in Fußballstadien gefühlt alles wieder fast so wie früher scheint | |
| und dort auch kaum noch jemand gesittet die Hygieneregeln befolgt, darf man | |
| in den Berliner Clubs immer noch nicht wieder ohne Masken und Abstand | |
| anständig feiern. Für mehr und bessere Partys zu demonstrieren, das hätte | |
| in diesem Jahr eigentlich als politische Message vollkommen gereicht. | |
| 29 Aug 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Hartmann | |
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