| # taz.de -- Warten auf die Raves in Berlin: Auf den Spuren der Loveparade | |
| > Auf den Loveparade-Nachfolger Rave The Planet muss man noch warten, | |
| > weitere Paraden aber stehen demnächst an: Da geht wieder was mit Tanzen. | |
| Bild: Loveparade-Gründer Dr. Motte spielt für Rave The Planet mit einem Lovep… | |
| Berlin taz | Die Zukunft ist so, wenn alle cool bleiben, ist’s cool“, | |
| antwortet ein etwas verwirrter und angestrengt Kaugummi kauender DJ Woody | |
| einem Viva-Moderator auf die Frage, wie er sich die Zukunft der Loveparade | |
| vorstelle. „Ich wünschte, ich könnte das besser, aber ich bin kein | |
| Profi-Interviewer“, schiebt Woody entschuldigend hinterher. Noch ein kurzer | |
| Kameraschwenk auf die tanzenden Massen am Fuße der Siegessäule, dann endet | |
| der legendäre Interviewausschnitt der Loveparade 1998, [1][der immer noch | |
| auf Youtube zu finden ist]. | |
| 23 Jahre später, viele Dinge laufen derzeit gar nicht cool, und etwas mehr | |
| „Frieden, Freude, Eierkuchen“ gemäß dem Motto der ersten Loveparade 1989 | |
| wäre vielleicht genau das Richtige für Berlin. Etwas Ähnliches dachte sich | |
| womöglich auch Loveparade-Gründer Dr. Motte, als er im Januar vergangenen | |
| Jahres mitteilte, an diesem Wochenende ihren offiziellen Nachfolger | |
| [2][Rave The Planet] veranstalten zu wollen. „Die Leute haben überall | |
| gefragt, wann es wieder die nächste Loveparade gibt“, erklärt | |
| Rave-The-Planet-Sprecherin Ellen Dosch-Roeningh die Motivation zur | |
| Neuauflage. | |
| Elektronische Tanzmusik solle als Unesco-Weltkulturerbe anerkannt werden, | |
| fordern die Rave-The-Planet-Macher:innen. Ansonsten gibt sich die neue | |
| Parade recht unpolitisch: „Wir möchten eine reine Kulturparade mit der | |
| kompletten Bandbreite elektronischer Musikstile“, erklärt Dosch-Roeningh, | |
| es solle eine Art „Feiertag der Szene“ werden. | |
| Doch da müssen sich interessierte Raver:innen noch ein wenig gedulden. | |
| Wie so vieles wurde die Parade auf nächstes Jahr verschoben, in der | |
| Hoffnung, dass die Pandemiebedingungen dann etwas besser sind. Bei 200.000 | |
| Teilnehmer:innen, die die Veranstalter:innen zunächst angemeldet | |
| haben, ist das auch verständlich. | |
| Bis dahin wird weiter Geld für die Finanzierung der Parade gesammelt, so | |
| auch an diesem Wochenende. Statt halb nackter Menschenmassen, die auf der | |
| Straße des 17. Juni tanzen, gibt es nun erst mal einen | |
| [3][Fundraising-Livestream], wo neben Dr. Motte himself noch weitere | |
| namhafte DJs auflegen werden. Der Stream wird gesponsert von der | |
| Social-Media-Videoplattform TikTok, auf der die Veranstaltung exklusiv zu | |
| sehen sein wird. | |
| Wenig überraschend also, wenn der Loveparade-Nachfolger auch die alten | |
| Debatten über das fehlende politische Bewusstsein und kommerzielle | |
| Vereinnahmung der Szene wieder aufleben lassen wird. [4][Schon bei der | |
| Ankündigung im Januar vergangen Jahres gab es viel Kritik,] da die | |
| Veranstalter:innen für ihr Fundraising mit der Mall of Berlin | |
| kooperierten. | |
| Vielleicht ist es also doch nicht so schlecht, dass die Parade noch ein | |
| bisschen auf sich warten lässt. Immerhin stand der musikalische Untergrund | |
| dem Massenevent schon seit jeher skeptisch gegenüber. Doch auch die 1997 | |
| als subkultureller Gegenentwurf zur Loveparade gegründete Fuckparade wird | |
| in diesem Jahr vermutlich ausfallen. Die Website ist offline, die | |
| Veranstalter:innen reagieren nicht auf Anfragen. | |
| Besser sieht es hingegen für den Zug der Liebe am letzten Augustwochenende | |
| aus, wofür [5][ebenfalls ein Crowdfunding] betrieben wird. In etwas | |
| kleinerem Format mit etwa 15 Wagen unterschiedlichster Kollektive soll | |
| unter dem Motto „Wir für euch“ zum sechsten Mal durch Berlin geravt werden. | |
| Seit dem ersten Zug der Liebe 2015 wird die Parade ebenfalls als | |
| inoffizieller Nachfolger der Loveparade gehandelt. Gemütlicher, weniger | |
| kommerziell, politischer – aber eben auch nicht so spektakulär. Konkurrenz | |
| zwischen den beiden Paraden gibt es nicht; vergangenes Jahr hat Rave The | |
| Planet den Zug der Liebe mit 15.000 Euro seiner eigenen Spendeneinahmen | |
| unterstützt. | |
| Darüber hinaus mangelt es dieses Jahr nicht an Straßenparaden. Am 24. Juli | |
| soll auch wieder der Christopher Street Day mit 20.000 Teilnehmer:innen | |
| stattfinden. Und es wird gemunkelt, dass es dieses Jahr wieder eine „Wem | |
| gehört die Stadt“-Tanzdemo geben wird. | |
| Wer auch ohne Parade tanzen will, findet schon jetzt zahlreiche Angebote. | |
| Neben den bekannten Clubs wie dem Sisyphos oder dem About Blank, die ihre | |
| Außenbereiche öffnen, gibt es viele legale Open-Air-Locations wie das H13 | |
| in Spandau, wo jedes Wochenende sichere Tanzveranstaltungen stattfinden. | |
| Selbst das vor einem Jahr groß angekündigte [6][Draußenstadt-Programm] der | |
| Senatsverwaltung für Kultur ist klammheimlich gestartet. Zwar findet ein | |
| Großteil der Veranstaltungen erst ab August statt, einige der Flächen | |
| werden aber bereits dieses Wochenende bespielt. Umsonst und draußen, das | |
| war halt schon immer eine von Berlins Qualitäten. | |
| 10 Jul 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.youtube.com/watch?v=ZZgpZBCk1dM | |
| [2] https://www.ravetheplanet.com/ | |
| [3] https://www.ravetheplanet.com/tiktok-charity/ | |
| [4] /Dr-Motte-zur-Zukunft-der-Technokultur/!5652328 | |
| [5] https://www.startnext.com/zugderliebe2021 | |
| [6] /Open-Air-Kultur-in-Berlin/!5780679 | |
| ## AUTOREN | |
| Jonas Wahmkow | |
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