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# taz.de -- Pressefreiheit in Mittelamerika: Guatemalas „Unbequeme“
> Im mittelamerikanischen Land teilt sich die Presse in zwei Lager. Eines
> ist regierungstreu. Das andere ist kritisch – was immer schwieriger wird.
Bild: Demo gegen Präsident Giammattei Ende Juli in Guatemala-Stadt
Sein Buch mit den 15 besten Reportagen über Korruption [1][unter
Guatemalas] Präsidenten Alejandro Giammattei könnte für unschöne Reaktionen
sorgen. Die ist Marvin Del Cid allerdings gewohnt. Von Anfeindungen,
Drohungen in den sozialen Netzen bis zu dubiosen Typen oder Autos ohne
Nummernschilder, die ihm folgen. Marvin Del Cid ist Journalist und
überzeugt davon, dass der Presse eine zentrale Rolle bei der Verteidigung
der Demokratie zukommt.
„Das beginnt damit, die Ausgaben der Regierung zu prüfen, Indizien für
Korruption nachzugehen und Seilschaften aufzudecken“, sagt der 44-Jährige.
Für die beiden wichtigen Tageszeitungen des Landes, Prensa Libre und El
Periódico, hat Del Cid gearbeitet, er lehrt Journalismus an einer
Universität und recherchiert gemeinsam mit seinem Kollegen Sonny Figueroa
auf eigene Rechnung. Artículo 35 heißt ihr Portal, wo solide Recherche
Pflicht ist und wo Meinungs- und Pressefreiheit hochgehalten werden.
Das ist keine Selbstverständlichkeit [2][in Guatemala]. Auf Platz 116 von
180 rangiert das mittelamerikanische Land derzeit bei Reporter ohne Grenzen
(ROG), die Organisation berichtet von Verleumdungsklagen, dem Zurückziehen
von Anzeigen durch den Staat, wenn unliebsame Artikel veröffentlicht werden
oder gar der Präsident persönlich kritisiert wird.
Unter Alejandro Giammattei, dem seit Januar 2020 amtierenden Präsidenten,
ist all das noch schlimmer geworden. 149 Angriffe auf
Berichterstatter*innen hat die Journalistenvereinigung Guatemalas
(APG) bis zum Dezember 2020 dokumentiert – fast doppelt so viele wie im
Jahr 2019. Auch Marvin Del Cid und Sonny Figueroa wurden schon persönlich
vom Präsidenten diffamiert.
## Die einen vertuschen, die anderen offenbaren
Anfang August ist eine Klage aus dem Umfeld des Präsidenten gegen die
beiden abgewiesen worden. Sie waren mit ihren Recherchen zu den neuen
luxuriösen Häusern des Präsidentenfreundes Miguel Martínez unbequem
geworden. Incomodo heißt das auf Spanisch. Die Medienlandschaft des Landes
teilt sich in incomodo und comodo, die einen geben die offizielle Sicht der
Verhältnisse wieder, die anderen fragen nach, recherchieren und decken auf,
so sagt es Marvin Del Cid.
Zu Ersteren zählen die TV-Sender 3, 7, 11 und 13, zu letzteren die
Redaktionen von El Periódico, kommunale Radios sowie investigativ
arbeitende Nachrichtenportale wie Plaza Pública oder Artículo 35. Längst
wird ein Kampf in den sozialen Medien um die Deutungshoheit geführt. „Das
ist der Regierung ein Net-Center wert, wo alles getan wird, um das Image
der Regierung und vor allem des Präsidenten aufzuwerten – inklusive
Kampagnen gegen unbequeme Journalisten“, sagt Marvin Del Cid.
Kein Tag vergeht, an dem nicht seine Arbeit in den sozialen Netzen in Frage
gestellt wird, an dem keine Drohungen online eingehen. Alltag, genauso wie
langes Warten auf Informationen vonseiten der Ministerien. Da wird nicht
reagiert, sondern vertröstet, verzögert, obwohl Gesetze die Regierung
verpflichten, Informationen weiterzugeben.
Doch Gesetze werden in Guatemala nur selten eingehalten, 95 Prozent der
Straftaten werden nicht geahndet und Korruption ist weit verbreitet. Bis in
den Präsidentenpalast, wie mehrere der 15 in dem Buch abgedruckten
Reportagen unabhängiger Journalist*innen belegen. Das macht sie zu
„Unbequemen“. Die leben gefährlich in Guatemala, wo Morde an Journalisten
immer wieder vorkommen. Erst am 30. Juli wurde mit Pedro Alfonso Guadrón
ein Journalist in Chiquimula im Süden Guatemalas erschossen.
## Keine effektiven Ermittlungen
Der Ombudsmann für Menschenrechte Jordán Rodas hat das Justizministerium
aufgefordert, den Mord aufzuklären, und angemahnt, endlich ein
Schutzprogramm für Reporter*innen in Kraft zu setzen. „Das hätte
bereits 2012 auf Weisung der UN-Menschenrechtskommission implementiert
werden sollen. Doch genau das hat nicht stattgefunden“, so Rodas. Auch die
auf Gewalt gegen Reporter*innen spezialisierte Staatsanwaltschaft
arbeite aufgrund fehlender Ressourcen und fehlenden politischen Willens
wenig effektiv, so Marvin Del Cid.
„Das Justizministerium unter Consuelo Porras deckt die Mächtigen und
Korrupten. Bestes Beispiel ist die Entlassung des Staatsanwalts Juan
Francisco Sandoval am 23. Juli. Er war für Korruptionsdelikte
verantwortlich“, so Del Cid. Eine Reportage in dem gerade erschienenen Buch
über die sich ausbreitende Korruption in Guatemala widmet sich auch diesem
Aspekt.
20 Aug 2021
## LINKS
[1] /Justiz-und-Korruption-in-Guatemala/!5788022
[2] /Migration-in-die-USA/!5760945
## AUTOREN
Knut Henkel
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