# taz.de -- Pressefreiheit in Guatemala: „Versucht es erst gar nicht“ | |
> Guatemalas unbequemstes Printmedium „elPeriódico“ hat sich viele Feinde | |
> im Establishment gemacht. Die drohen nun, das Blatt zu strangulieren. | |
Bild: Sonny Figueroa (l.) und Marvin del Cid vom Online-Portal „Vox Populi“… | |
„Ihr macht uns nicht mundtot“ lautet der Hashtag, unter dem sich | |
unabhängige kritische Medien seit Monaten mit elPeriódico solidarisieren. | |
Plaza Pública, Prensa Comunitaria und auch Vox Populi gehören dazu und das | |
hat seinen Grund, so Sonny Figueroa. „Wir könnten die Nächsten sein, wenn | |
sie mit elPeriódico fertig sind“, spricht der drahtige Mann von Anfang | |
dreißig aus, was nicht nur unabhängige Journalist:innen in Guatemala | |
befürchten. | |
Figueroa ist die eine Hälfte von „El Combo“, was so viel heißt wie das Du… | |
So hat Guatemalas amtierender und im Verdacht der systematischen Korruption | |
stehender Präsident [1][Alejandro Giammattei] Figueroa und seinen Kollegen | |
Marvin Del Cid genannt. Gemeinsam haben sie das Online Portal Vox Populi | |
gegründet und warten dort mit harten Fakten zu Korruption, | |
Vetternwirtschaft und Paternalismus in Guatemala auf. | |
Das ist nicht nur dem Präsidenten ein Dorn im Auge, sondern großen Teilen | |
des politischen Establishments in dem konservativen Land. Zwei Dutzend | |
mächtige Familien geben dort traditionell den Ton an. Kungeln, Absprachen | |
und die Vorteilsnahme zulasten der Staatskasse sind weit verbreitet und | |
haben in den vergangenen Jahren eine Renaissance erlebt. | |
Darüber hat kein Medium fundierter und intensiver berichtet als | |
elPeriódico. Das von José Rubén Zamora zum Ende des Bürgerkriegs (1960 bis | |
1996) gegründete Blatt ist nicht nur eine Hommage an den investigativen | |
Journalismus, sondern auch eine an das andere Guatemala: das zivile, das | |
friedliche, das integrative. | |
## Spektakuläre Geschichten | |
Bis Ende November 2022 waren 150 Redakteur:innen für die Tageszeitung | |
aktiv, die immer wieder mit spektakulären Geschichten aufwartete: über | |
Geldkoffer im Hause des Präsidenten, Luxusfarmen, die über Nacht die | |
Besitzer wechselten, oder die illegale Wahlkampffinanzierung, die nicht nur | |
Alejandro Giammattei, sondern auch seinen Vorgänger Jimmy Morales in das | |
höchste Amt des Landes spülte. Wiederkehrende Probleme, nein, Kontinuitäten | |
in Guatemala, die José Rubén Zamaro mit seinem Team von der investigativen | |
Abteilung immer wieder in den Blick nahm. | |
Zamora, mittlerweile 66 Jahre alt, ist seit dem 29. Juli 2022 ein | |
Gefangener. An diesem Tag nahm ihn ein Spezialkommando der Polizei in | |
seinem Haus im zwölften Bezirk von Guatemala-Stadt wegen angeblicher | |
Geldwäsche fest. Seitdem ist der hagere Mann mit dem weißen Schnauzer | |
eigener Aussage zufolge ein „politischer Gefangener“. | |
Laut Zamora ist es der amtierende Präsident Alejandro Giammattei, der | |
hinter den Anschuldigungen steht, für die es auch acht Monate nach seiner | |
Festnahme keine stichhaltigen Beweise gibt. Die Staatsanwaltschaft gegen | |
Korruption, die die Ermittlungen leitet, hat allerdings auch das Einfrieren | |
aller Konten von elPeriódico verfügt, sodass die Redaktion am 30. November | |
das Ende der Druckausgabe bekanntgeben musste und die Entlassung von 140 | |
Redakteur:innen. Mit einem Notteam hält die langjährige Redaktionsleiterin | |
Julia Corado das Blatt am Leben. Doch wie lange das ohne frisches Geld noch | |
gelingt, ist offen. | |
Das denkt auch Jordán Rodas. Für den ehemaligen Ombudsman für | |
Menschenrechte ist die Inhaftierung Zamoras eine Botschaft an alle | |
kritischen unabhängigen Medien in Guatemala: „Versucht erst gar nicht, | |
Fälle von Korruption zu untersuchen. Sonst landet ihr im Gefängnis. Allen | |
Journalist:innen droht die Kriminalisierung, das ist eine grundlegende | |
Verletzung des Rechtstaats“, kritisiert Rodas. Der Jurist und | |
Menschenrechtsaktivist lebt aufgrund der Rechtsunsicherheit in Guatemala im | |
Exil in Bilbao und wartet auf eine Chance zur Rückkehr. | |
## Attacken aus dem staatlichen Apparat | |
Das ist kein Einzelfall. Die Zahl von Jurist:innen, Aktivist:innen und | |
auch Journalist:innen, die ins Ausland flüchten, steigt. Kein Wunder laut | |
der Menschenrechtsorganisation [2][Udefegua], die im letzten Jahr 443 | |
Angriffe auf Journalist:innen dokumentiert hat, rund 3.000 auf | |
Menschenrechtsaktivist:innen. Die Situation sei gravierend, weil viele | |
Attacken aus dem staatlichen Apparat kämen. | |
Das kann Sonny Figueroa nur bestätigen. Fünf Anzeigen liegen gegen ihn und | |
seinen Kollegen Marvin Del Cid vor – alle von staatlichen Institutionen. Im | |
Dezember letzten Jahres flohen sie dank der Hilfe von Udefegua und der | |
mexikanischen Presserechtsorganisation Article 19 nach Mexiko-Stadt und | |
blieben zwei Monate. Dann kehrten sie zurück, um zu recherchieren. Wie es | |
weiter geht, ist offen. | |
4 Apr 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Kriminalisierte-Medien-in-Lateinamerika/!5871787 | |
[2] https://udefegua.org.gt/ | |
## AUTOREN | |
Knut Henkel | |
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