# taz.de -- Ermittlungen in Guatemala: Skandal um Kaffee-Genossenschaften | |
> Die Justiz ermittelt gegen einen Kaffeeexporteur wegen Geldwäsche. | |
> Politische Hintergründe liegen nahe, denn die Vorwürfe waren bereits | |
> entkräftet. | |
Bild: Grüne Kaffebohnen aus Guatemala in den Händen eines Kaffeepflückers | |
HAMBURG taz | Bilder von Ulrich Gurtner in Handschellen in einer Zelle im | |
Justizpalast strahlten die wichtigsten Nachrichtensendungen Guatemalas | |
vergangene Woche zur besten Sendezeit aus. Der Schweizer Kaffeeexperte | |
leitet seit mehr als 30 Jahren mit Fedecocagua den größten | |
Genossenschafts-Dachverband des Landes und hat ihn in dieser Zeit zu einem | |
Schwergewicht im guatemaltekischen Kaffeemarkt ausgebaut. | |
Die Nachricht von seiner Verhaftung wiegt schwer: für die mehr als 23.000 | |
[1][Kaffee- Kleinbäuer:innen], die zu Fedecocagua gehören, aber auch für | |
die guatemaltekische Zivilgesellschaft. | |
Fedecocagua genießt in Guatemala einen guten Ruf als transparentes | |
Unternehmen im Dienste seiner Genoss:innen, der socios. Genau das könnte | |
jedoch das Problem sein, denn Ulrich Gurtner hat die Bankenaufsicht | |
angerufen als er mitbekam, dass leitende Angestellte der staatlichen | |
Entwicklungsbank Banrural auf Kosten der Bank Aktien von Unternehmen für | |
das eigene Depot einkauften. | |
Das ist für Ulrich Gurtner der potenzielle Grund, weshalb gegen ihn | |
ermittelt wird: „Der Geschäftsführer der Banrural, Edgar Guzmán, ist extrem | |
genervt von mir und versucht meinen Namen zu beschmutzen“, vermutet Gurtner | |
in einem kurzen Interview mit dem Fernsehsender Canal Antigua. | |
## Rückgriff auf alte Ermittlungen | |
Auffällig ist auch, dass die ermittelnde Staatsanwaltschaft gegen | |
Korruptionsdelikte (Feci) auf alte Daten aus den Jahren 2009 und 2010 | |
zurückgreift, die bereits unter die Lupe genommen wurden. „Damals haben wir | |
nach detaillierten Ermittlungen der guatemaltekischen Staatsanwaltschaft | |
und der eng mit ihr zusammenarbeitenden [2][UN-Kommission gegen | |
Straflosigkeit (Cicig)] schriftlich bestätigt bekommen, dass es keine | |
Beanstandung gegeben habe. | |
Der Vorwurf der Geldwäsche sei gegenstandslos“, so Gerardo de León, | |
Geschäftsführer und rechte Hand von Ulrich Gurtner bei Fedecocagua. Für | |
Feci-Staatsanwalt Rafael Curruchiche kein Grund, den Fall auf sich beruhen | |
zu lassen: er zieht die Arbeit der Cicig-Kollegen in Zweifel und nimmt den | |
damaligen Leiter der UN-Kommission gleich mit ins Visier: Francisco | |
Dall’Annese. | |
Dem Juristen aus Costa Rica warf er Amtsmissbrauch vor und leitete ein | |
Verfahren gegen ihn ein. Dall’Annese konterte hingegen die Vorwürfe aus | |
Guatemala-Stadt sehr deutlich: Zum einen genieße er Immunität über das Ende | |
seiner Amtszeit als Cicig-Direktor hinaus, gerade weil Guatemala | |
„kleptokratische staatliche Strukturen“ aufweise, sagte Dall’Annese in | |
seiner Stellungnahme auf Youtube. Zum anderen gehöre seit dem Abzug der | |
Cicig im September 2019 die Verfolgung von Justizangestellten in Guatemala | |
zum Alltag und Feci-Chef Rafael Curruchiche sei das [3][Instrument eines | |
korrupten Staates]. | |
Die ungewohnt deutliche Reaktion des international anerkannten Juristen | |
hilft zwar Fedecocagua, den Kunden in aller Welt zu vermitteln, dass der | |
Geschäftsführer seit dem 24. März höchstwahrscheinlich unter falschen | |
Vorwürfen im Hochsicherheitsgefängnis Mariscal Zavala einsitzt. Es hilft | |
jedoch nicht dabei, dass die Geschäftsführung de facto zahlungsunfähig ist. | |
„Alle Konten sind gesperrt, wir haben keine Auslandskonten, keine | |
Offshore-Guthaben, wissen nicht, wie wir Exportsteuern, Gehälter und vor | |
allem den gelieferten Kaffee unserer Mitglieder bezahlen sollen“, so | |
Gerardo de León. | |
## Konten wurden eingefroren | |
140 Container Kaffee hätten im März das Fedecocagua-Zentrallager nahe | |
Guatemala-Stadt verlassen sollen. 180 sind es im April und ähnliche Mengen | |
in den Folgemonaten. Insgesamt knapp eintausend Kaffeecontainer sind | |
bestellt, 73 davon allein aus Deutschland. | |
Doch bisher ist vollkommen unklar, wie de León die Container auf den Weg | |
bringen will. Erst am 12. April findet die erste Verhandlung gegen Ulrich | |
Gurtner im Justizpalast von Guatemala-Stadt statt. Ob die Kontosperrung da | |
schon aufgehoben wird, wagt Gerardo de León nicht zu hoffen. Für | |
Gepa-Kaffeeexperte Kleber Cruz García ist Fedecocagua in einer | |
existenzbedrohenden Situation: „Wie lange werden die Mitglieder ihren | |
Kaffee noch an Fedecocagua liefern, wenn sie nicht zahlen können?“, fragt | |
er. Vier, sechs, aber kaum mehr Wochen, so die in Guatemala kursierenden | |
Schätzungen. | |
Auch für die Genoss:innen von Fedecocagua ist die Zahlungsunfähigkeit | |
des Dachverbandes ein großes Problem. Sie sind oft indigener Herkunft und | |
produzieren im Schnitt auf weniger als zwei Hektar. Sie sind darauf | |
angewiesen, dass Fedecocagua nach Lieferung der Bohnen zügig zahlt. Hier | |
zirkuliert die Vermutung, das Vorgehen der Justiz gegen Fedecocagua habe | |
einen politischen Hintergrund. Genossenschaften seien zu unbequem geworden, | |
weil sie demokratisch und transparent agieren. | |
5 Apr 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Wende-an-den-Rohstoffboersen/!5821081 | |
[2] https://www.cicig.org/ | |
[3] /Weitere-Richterin-flieht-aus-Guatemala/!5843559 | |
## AUTOREN | |
Knut Henkel | |
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