Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Weitere Richterin flieht aus Guatemala: „Angekündigter Tod der J…
> Richterin Erika Aifán verhandelte in Guatemala Korruptionsfälle mit
> Verbindung in die Politik. Aus Angst um ihr Leben ist sie nun in die USA
> geflohen.
Bild: Erika Aifán, Richterin aus Guatemala, vor ihrer Flucht in die USA
Hamburg taz | Erika Aifán heißt die Richterin, die sich am Montag in den
USA in Sicherheit brachte. In Guatemala drohte der unabhängigen Juristin
Gefängnis – weil sie ihren Job machte. Dieses Risiko droht auch anderen
Richter:innen, denn der [1][„Pakt der Korrupten“] schleift die
demokratischen Strukturen im mittelamerikanischen Land.
Sechs Jahre stand Aifán an der Spitze des Gerichtshofs D für Kapitaldelikte
in Guatemala, am Montag gab die unabhängige Richterin ihren Rücktritt
bekannt. Es habe weder ausreichende Garantien für ihr Leben gegeben noch
die Option, sich in einem ordnungsgemäßen Verfahren zu verteidigen,
erklärte Aifán aus Washington. Dort hat sich die 47-jährige Juristin, die
19 Jahre als Richterin in Guatemala gearbeitet hat, in Sicherheit gebracht.
Für viele Beobachter in Guatemala alles andere als eine Überraschung, denn
Aifán befand sich im Auge des Hurrikans. [2][Wegen Vorwürfen des
Amtsmissbrauchs wollte die Staatsanwaltschaft ihr die Immunität entziehen].
Eine massive Bedrohung für die Richterin, auf deren Schreibtisch
hochkomplizierte Korruptionsfälle mit weitreichender politischer Bedeutung
landeten, die die Interessen des „Pakts der Korrupten“ tangierten. Damit
ist ein Netzwerk von Politiker:innen, Militärs und Geschäftsleuten gemeint,
die in Guatemala seit rund fünf Jahren den Ton angeben und [3][die
unabhängige Justiz peu à peu an die Kette gelegt haben].
Entscheidend dafür war sowohl die Ernennung der Generalstaatsanwältin María
Consuelo Porras im Mai 2018 als auch das [4][Ende] der [5][UN-Kommission
gegen die Straflosigkeit (CICIG)] im September 2019. Die UN-Kommission
hatte seit 2007 Guatemalas Justiz mit der Einführung neuer
Ermittlungsverfahren, der Gründung der Gerichtshöfe für Kapitaldelikte, an
denen spektakuläre Prozesse wie der gegen Ex-Diktator Efraín Ríós Montt
verhandelt und abgeurteilt wurden, die Unabhängigkeit der Justiz
vorangetrieben.
## Auch die Zurückhaltung der USA wird kritisiert
„Aber was in zwölf Jahren aufgebaut wurde, ist in den letzten vier Jahren
gekapert worden“, sagt der kolumbianische Jurist Iván Velásquez, ehemaliger
Direktor der CICIG. „Cooptación“ heißt das auf Spanisch, und dieses
Phänomen ist nicht nur in Guatemala zu beobachten, sondern auch in anderen
Ländern wie [6][El Salvador] oder Kolumbien, wo Personal eingesetzt wird,
das nach der Pfeife der Regierenden tanzt.
Die Generalstaatsanwältin Porras gehört dazu, und das macht es erst
möglich, dass nicht nur gegen Aifán, sondern auch gegen andere Richter und
Richterinnen ermittelt wird – nur weil die ihre Arbeit machen und dem „Pakt
der Korrupten“ nicht zu Diensten sind. Der Rücktritt Aifáns sei „Teil ein…
angekündigten Todes der Justiz“, sagt Michael Mörth, deutscher Anwalt und
langjähriger Berater einer Menschenrechtskanzlei in Guatemala. „Der Pakt
der Korrupten zerstört alles, was es an demokratischen Strukturen in
Guatemala noch gibt“, so Mörth. „Richter wie Miguel Ángel Gálvez oder Pa…
Chetumal könnten die nächsten sein, die die Flucht ergreifen.“
Deren Liste ist mit Aifán auf 16 hochrangige Juristen angewachsen, die
meist in den USA Aufnahme gefunden haben. Das Weiße Haus ist zumindest
mitverantwortlich für das beispiellose Rollback in Guatemalas Justiz, weil
sie dem tatenlos zusahen und zusehen. Das wird auch hinter vorgehaltener
Hand von Richter:innen in Guatemala kritisiert. Doch die Offensive in
Guatemala gegen demokratische Strukturen, Nichtregierungsorganisationen und
Medien geht weiter – ein bereits kursierender Gesetzentwurf könnte der
Presse einen Maulkorb verpassen.
Bisher fehlt es jedoch an internationalen Reaktionen. Zwar haben die USA
mit dem Amtsantritt von Joe Biden angekündigt, eine
[7][Antikorruptionskommission] auf den Weg bringen zu wollen. Doch bislang
ist wenig passiert, um Guatemala vor der eigenen korrupten Elite zu retten.
Für Rodolfo Rohrmoser, ehemaliger Verfassungsrichter in Guatemala, ist das
Land längst ein „failed state“.
22 Mar 2022
## LINKS
[1] https://www.transparency.de/aktuelles/detail/article/sorge-um-die-rechtssta…
[2] https://www.washingtonpost.com/world/2022/02/19/guatemala-corruption-erika-…
[3] /Justiz-und-Korruption-in-Guatemala/!5788022
[4] /Juristenkommission-fuer-Guatemala/!5619653
[5] https://www.cicig.org
[6] /Praesident-saeubert-Justiz/!5770793
[7] https://www.whitehouse.gov/briefing-room/statements-releases/2021/06/07/fac…
## AUTOREN
Knut Henkel
## TAGS
Guatemala
Schwerpunkt Korruption
Alejandro Giammattei
Justiz
Flucht
USA
Richter
Schwerpunkt Korruption
Guatemala
Guatemala
Guatemala
Guatemala
## ARTIKEL ZUM THEMA
Präsidentschaftswahl in Guatemala: Failed State
Am 25. Juni wurde in Guatemala gewählt. Doch das Land wird von einer
korrupten Elite kontrolliert. Daran sind die USA und die EU nicht
unbeteiligt.
Ermittlungen in Guatemala: Skandal um Kaffee-Genossenschaften
Die Justiz ermittelt gegen einen Kaffeeexporteur wegen Geldwäsche.
Politische Hintergründe liegen nahe, denn die Vorwürfe waren bereits
entkräftet.
Zivilgesellschaft in Guatemala: Aktivist:innen im Visier
Seit dem Amtsantritt von Giammattei geraten Guatemalas NGOs unter Druck.
Aktivist Santos warnt vor „radikalen Offensiven“ gegen die Gesellschaft.
25 Jahre Abkommen in Guatemala: Friedlich ist es nicht
In Guatemala beendete ein Friedensabkommen den blutigsten Bürgerkrieg
Mittelamerikas. Doch heute grassieren Armut und Korruption.
Guatemala wirft UN-Kommission hinaus: Die Angst des Jimmy Morales
Aus Angst vor Korruptionsverfahren verweist Guatemalas Präsident die
UN-Juristenkommission Cicig des Landes. UN-Generalsekretär Guterres
protestiert.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.