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# taz.de -- SPD-Generalsekretär Klingbeil: Lars und die Panzer
> Einst Wehrdienstgegner, heute SPD-General. 2017 holte Lars Klingbeil
> sogar das Direktmandat in Munster, wo die Bundeswehr groß ist. Wie ging
> das?
Bild: Würde nicht jeder Sozi als Hintergrund für Pressefotos wählen: Klingbe…
Munster taz | Der Generalsekretär der SPD steht zwischen schwerem
Kriegsgerät und wirkt unsicher, wie er sich verhalten soll: lächeln oder
doch lieber ernst blicken? Er entscheidet sich für eine Mischung: Halb
ernst, halb freundlich. Die Pressesprecherin gibt das Okay, die Kameras
klicken. Vorne Lars Klingbeil in Hemd und Turnschuhen, hinter ihm der
Flugabwehrpanzer Gepard, drei Meter lang, 47 Tonnen schwer. Ein Monster aus
rostigen Ketten und massivem Stahl, gefertigt, um zu töten. Eine
Journalistin flüstert: „Ich finde das alles nur grauenhaft.“
Lars Klingbeil hat das auch mal grauenhaft gefunden, vor vielen Jahren.
Doch nun steht er hier, um der Presse seinen Erfolg zu verkaufen: Er hat
mehrere Millionen vom Bund organisiert, mit denen das [1][Deutsche
Panzermuseum] in Munster gefördert wird. Mehr als 80.000 Besucher kommen
jedes Jahr, um die Sammlung deutscher Kriegsgeräte zu bewundern. Einige
dieser Panzer wurden im 1. Weltkrieg genutzt, mit anderen ist die Wehrmacht
in Russland eingefallen. Die Maschinen haben getötet und Leid gebracht. Ist
das der richtige Ort für einen SPD-Politiker im Wahlkampf?
Vermutlich könnte es für Klingbeil keinen besseren geben.
Lars Klingbeil und ich sind beide an diesem Ort aufgewachsen: Munster in
der Lüneburger Heide. Etwa 16.000 Menschen leben hier, außerdem sind hier
rund 7.000 Soldat*innen stationiert. Wir haben dieselbe Schule besucht,
an denselben Orten Bier getrunken, in der gleichen Disko gefeiert.
[2][Munster] ist heute der größte Standort des Heeres. Seit mehr als
hundert Jahren bereiten sich dort Truppen auf den Krieg vor. Die Stadt ist
tief konservativ. Seit dem Zweiten Weltkrieg hält die CDU die absolute
Mehrheit im Stadtrat, bei der Bundestagswahl war der Unionskandidat immer
der Favorit. Wenn sich in dieser Stadt etwas ändert, dann erst viele Jahre
später als im Rest des Landes, so fühlte sich das immer an. Dann kam
Klingbeil.
Vor vier Jahren schaffte er einen Überraschungssieg: Er gewann das
Direktmandat im Wahlkreis. Klingbeil, der Kriegsdienstverweigerer, der
ehemalige Juso, der einstige Wehrdienstgegner: Er überzeugte die
konservativen Munsteraner von der Sozialdemokratie, ausgerechnet in jener
Zeit, als die Partei im ganzen Land an Bedeutung verliert. Wie ist ihm das
gelungen?
## Eine Pressereise in den Wahlkreis
Es ist Mitte Juni, als ich mit Lars Klingbeil zurück in meine Heimatstadt
fahre. Ich sitze in einem großen Reisebus mit einer Gruppe von
Journalist*innen aus der Hauptstadt. Klingbeil hat zur Pressereise in
seinen Wahlkreis eingeladen, Munster ist die letzte Station. Er steht auf,
schaltet das Mikro an und sagt: „Munster ist eine Stadt, die liebt man oder
liebt man nicht. Für mich ist das ein ganz tiefes Heimatgefühl. Ich bin
sehr gerne da.“ Es klingt, als wolle er eine Warnung vorausschicken.
Entschuldigung, Sie werden es gleich mit dem Militär zu tun bekommen, mit
Panzern und Tarnfleck-Uniformen. Bleiben Sie bitte entspannt.
Die Bundeswehr hat keinen guten Stand in der deutschen Gesellschaft. Seit
Jahren wirbt sie verzweifelt um Nachwuchs, fährt große Werbekampagnen. Seit
der Wehrdienst abgeschafft wurde, haben die meisten Menschen in Deutschland
keine Berührung mehr mit der Armee. Als Anfang Juli die letzten
Soldat*innen aus Afghanistan zurückkehrten, hielt sich das ganze
Kabinett vom Empfang fern. Es schien, als wäre das Militär kein gutes
Wahlkampfmotiv mehr.
Klingbeil aber lässt sich für seinen [3][Instagram-Kanal] mit
Soldat*innen fotografieren und schwänzt Sitzungswochen, um bei
öffentlichen Gelöbnissen der Bundeswehr zu erscheinen. Es scheint ihm nicht
zu schaden.
Seitdem er 2017 als Generalsekretär ins Willy-Brandt-Haus kam, ist er dort
die Konstante. Parteivorsitzende kamen und gingen – Klingbeil blieb. Die
Art, wie die SPD in diesem Jahr Wahlkampf betreibt, trägt seine
Handschrift: Die Kampagne ist gänzlich auf Olaf Scholz zugeschnitten,
Inhalte rückt die Partei dafür in den Hintergrund.
Der Bus fährt jetzt durch dunkle Fichtenwälder, eine schmale Landstraße
schlängelt sich durch das dichte Grün. Munster ist eine Insel im Nirgendwo,
darin liegen Truppenübungsplätze wie ein Ring um die Stadt. Als
Jugendlicher fühlte ich mich hier eingeengt, eingesperrt mit Tausenden
Soldaten. Erwachsene Männer beschimpften mich, als ich mir die Haare lang
wachsen ließ. Es war für mich eine Erleichterung, nach dem Abitur endlich
wegziehen zu können. Klingbeil ging es ähnlich. Im Reisebus sagt er: „Ich
wollte in die Großstadt und hatte erst mal einen totalen Drang aus Munster
raus.“
Es gibt Fotos von Klingbeil als Jugendlichem: Er trägt die Haare
schulterlang, ein Piercing durchsticht die Augenbraue. Er spielte in einer
Band, die Sleeping Silence hieß. Klingbeil sang Texte wie: „Your life is
like a coffin as long as you don’t live your dreams.“
Mit 17 Jahren wurde Klingbeil Vegetarier, in seinem Jahrgang war er einer
der wenigen, der verweigerte. Jemand schrieb auf sein Schulheft
„Zivilversager“, so erzählt er es. Dann zog er nach Hannover, machte seinen
Zivildienst und fing an Politikwissenschaften zu studieren, das war im Jahr
1998.
Nicht einmal drei Jahre später kehrte er zurück, 2001 wurde er zum Stadtrat
gewählt, seit 2009 vertritt er den Wahlkreis als Abgeordneter im Bundestag.
Der Reisebus fährt nach Munster rein, vorbei an Einfamilienhäusern und
leeren Geschäften, die Fassade eines Heidedorfes. Schließlich halten wir
vor dem Panzermuseum, an der Wand steht: „Wer aber den Frieden will, der
rede vom Krieg.“ Ein Zitat von Walter Benjamin.
Lange galt das Museum als Pilgerort für Ewiggestrige. Es stellte
Technikgeschichte aus, erzählte vom deutschen Militär, ohne von den Opfern
zu berichten – finanziert von der Stadt und der Bundeswehr. Die nutzte das
Panzermuseum für die Ausbildung der eigenen Leute. Ich fand das immer
befremdlich.
Heute wird das Museum von einem studierten Historiker geleitet, der den
Krieg „didaktisch einbinden“ will, wie er sagt. Deshalb auch das
Benjamin-Zitat. Kurz bevor wir aus dem Bus aussteigen, sagt Klingbeil: „Die
Bundeswehr hat sich geändert.“
Doch wie sehr hat sich Klingbeil geändert, um hier Erfolg zu haben?
Um das zu verstehen, treffe ich einige Tage nach dem Termin im Panzermuseum
Carsten Jacobson. Er ist Generalleutnant, seit drei Jahren a. D., Präsident
des örtlichen Rotary-Clubs und aktives Mitglied im Schützenverein. Als
Klingbeil im Jahr 2005 als 27 Jahre alter Politiker zum ersten Mal für
Munster im Bundestag saß, übernahm Jacobson gerade in Munster die Leitung
der Panzerlehrbrigade. Er war damit der ranghöchste Militär in Munster.
Bis heute hat seine Stimme in der Stadt Gewicht. Jacobson sagt: „Lars ist
für die Soldaten in Munster ein wählbarer Abgeordneter.“
In Munster ist das Heer nicht einfach nur ein Arbeitgeber, es durchdringt
das Leben in der Stadt vollständig. Die Bundeswehr betreibt Sport- und
Festhallen, ein Schwimmbad und das beste Restaurant der Stadt. Es liegt
hinter Stacheldraht auf einem Kasernengelände. Nur wer die richtigen
Kontakte im Heer hat, darf dort essen gehen.
Als Kinder spielten wir im Sommer manchmal in den Kasernen. Wir aßen
Zuckerwatte und durften Kanu fahren, als Teil des Kinderferienprogramms. Am
Ende des Tages schenkten uns Soldaten große Poster mit deutschen Panzern
drauf. Darunter standen die Reichweite und die Feuerkraft der Kanonen.
Nachts klirrten die Fenster, wenn die Artillerie übte, irgendwann schlug
eine Granate auf der Kuhweide in der Nähe ein. Die Kuh kalbte vor Schreck
und starb anschließend. In der Stadt hat die Nachricht kaum Aufsehen
erregt.
So stark, wie die Bundeswehr in den Ort hineinwirkt, so verschlossen ist
sie für Zivilisten. Man benötigt einen Türöffner. Für Klingbeil war
Jacobson so ein Türöffner.
Der Generalleutnant und der Politiker lernten sich bei einem Schützenfest
kennen, erzählt Jacobson. Sie saßen gemeinsam am Tisch, Klingbeil im Hoodie
und Jacobson in der grauen Filzjacke der Schützen. Klingbeil habe sich
herübergebeugt, um über Verteidigungspolitik zu sprechen. Das hätte ihm
imponiert. Wenige Monate darauf hätten sie sich bereits geduzt. Der
ehemalige Wehrdienstkritiker Klingbeil wurde zum Bundeswehrversteher – und
zum Ansprechpartner der Truppe.
## Klingbeil in der Schröder-Zeit
Schon während des Studiums vollzog Klingbeil eine konservative Wende. Drei
Jahre nach seinem Abitur fing er an im Wahlkreisbüro von Gerhard Schröder
zu arbeiten, bis heute sind sie gut befreundet. In der Schröder-Zeit
änderte Klingbeil auch seine Einstellung zur Bundeswehr. Seine Erzählung:
Im Jahr 2001 habe er ein Praktikum in Washington gemacht, dann geschah der
Anschlag vom 11. September. Klingbeil sagt, das Ereignis habe seine Sicht
auf die Armee grundlegend verändert.
Es ist dasselbe Jahr, in dem Klingbeil politisch nach Munster zurückkehrte.
Er ließ sich damals für die SPD in den Stadtrat wählen. Von nun an betont
er in Interviews oft, dass auch er Sohn eines Soldaten ist. Im Jahr 2007
verließ er die Jusos, die innerhalb der Partei traditionell links stehen,
gehörte noch bis mindestens 2015 der Parlamentarischen Linken an und wandte
sich dann dem Seeheimer Kreis zu, dem rechten Parteiflügel der SPD. Als er
über die Parteiliste im Jahr 2009 in den Bundestag gewählt wurde,
formulierte er bereits vor der Wahl den Anspruch: Ich will in den
Verteidigungsausschuss. Ambitioniert für einen Jungpolitiker, aber kein
schlechter Schachzug: Dort konnte er sich für die Belange der
Soldat*innen einsetzen.
In den vergangenen Jahren hat Klingbeil für WLAN in den Kasernen gekämpft,
für ein Gesetz, das die Versorgung der Soldat*innen im Einsatz
verbessern soll, für die seelische Unterstützung von
Kriegsrückkehrer*innen. Er hat sich um die Truppe gekümmert, das rechnet
man ihm in Munster hoch an.
Außerdem etablierte er sich als Ansprechpartner der Rüstungslobby. Bis er
2017 Generalsekretär wurde, gehörte er dem Präsidium der [4][Deutschen
Gesellschaft für Wehrtechnik] an, eines Lobbyvereins, der Treffen von
Rüstungsindustrie, Militärs und Politiker*innen organisiert. Noch
2019 traf er sich mit Vertreter*innen von Rheinmetall, einem der
größten deutschen Rüstungskonzerne. Er setzt sich für den Einsatz
bewaffneter Kampfdrohnen ein, das Thema bringt seine Partei seit Jahren an
den Rand der Verzweiflung. In Munster wird Klingbeil nicht trotz der Nähe
zur Rüstungsindustrie gewählt, sondern deswegen.
Das ist die eine Seite. Aber es gibt auch noch die andere Seite des Lars
Klingbeil.
An einem Juniabend öffnet mir [5][Christina Fleckenstein,] Munsters
Bürgermeisterin, die Tür zur Stadtbücherei, sie durchquert den großen
Festsaal und drapiert sorgfältig drei Urkunden auf der kleinen Bühne. Sie
will heute einen Preis an die engagiertesten Bürger der Stadt verleihen.
Fleckenstein befindet sich auch mitten im Wahlkampf, für sich selbst, in
Niedersachsen sind am 12. September Kommunalwahlen, sie kämpft aber auch
ein wenig für Lars Klingbeil zwei Wochen später.
Seit sieben Jahren ist Fleckenstein Bürgermeisterin. Ihre Wahl 2014 war
eine Sensation: Nie zuvor hatte eine Frau in Munster das Rathaus geführt,
seit mehr als 60 Jahren niemand mehr von der SPD. Als das Wahlergebnis
bekannt wurde, zog der SPD-Ortsverein feiernd durch die Innenstadt, auch
Klingbeil war dabei.
Er sagt, es sei einer seiner schönsten Abende in der Politik gewesen.
Wenige Tage darauf habe ihn ein CDU-Politiker von der Seite angeraunzt:
„Das war nur ein Unfall.“ Aber es hatte sich etwas verschoben in Munster.
Drei Jahre darauf gewann Klingbeil das Direktmandat für den Bundestag.
Als Fleckenstein ihr Amt antrat, so erzählt sie es, wurde sie von den
CDU-Männern nur belächelt. Ein bekannter Arzt schrieb auf Facebook: „Sie
ist bestimmt die schönste Bürgermeisterin Niedersachsens, aber
Bürgermeisterin kann sie nicht.“ Viele glaubten, sie würde sich in Munster
nicht durchsetzen können.
Fleckenstein sagt: „Man hatte ganz oft das Gefühl: Das war alles irgendwie
unter den CDU-Leuten vorbesprochen, bevor es in den Rat kam.“
## Ein Verdienst Klingbeils
Mittlerweile, sagt sie, hätten die sexistischen Sprüche aufgehört, sie habe
in den letzten Jahren gut mit der CDU zusammengearbeitet. Die
Sozialdemokrat*innen werden wieder geschätzt in der Stadt. Das ist
auch Klingbeils Verdienst.
Als ich 17 Jahre alt war, traten einige Freund*innen der örtlichen
Juso-Gruppe bei – auch wegen Klingbeil. In Munster und der Umgebung gab es
damals eine aktive rechte Szene, regelmäßig verprügelten die Neonazis
Jugendliche, auf den Truppenübungsplätzen trainierten sie heimlich für den
Tag der nationalen Revolution, beim Publik-Viewing der WM standen sie in
der Menge und riefen „Sieg Heil“. Die Einzigen, die sich wehrten, waren die
Jusos. Unterstützt von Lars Klingbeil. Unter Polizeischutz veranstalteten
sie ein Festival gegen rechts und Ausstellungen über Rechtsradikale in der
Region.
Ich erinnere mich daran, wie breitschultrige Kerle mit Glatze und
Springerstiefeln vor der Ausstellung standen und die Besucher beschimpften.
Heute engagieren sich in den SPD-Gruppen der Region junge Menschen mit
türkischen und kurdischen Namen. Trotz massiver Anfeindungen ziehen sie
sich nicht zurück. Birhat Kaçar, 22 Jahre alt, der für die SPD im
benachbarten Soltau im Stadtrat sitzt, sagt: „Meine Eltern haben keinen
Bezug zur SPD. Ich bin wegen Klingbeil in die Partei eingetreten. Er ist
ein krasser Typ, der die Leute abholt.“ Klingbeil hat Menschen wie Kaçar
eine politische Alternative aufgezeigt.
Beim letzten Wahlkampf waren sie es, die für Klingbeil durch die Straßen
liefen und Flyer verteilten. Bis heute spricht man über die
Klingbeil-Flashmobs: junge SPDler, die Straßenkreuzungen blockieren, um für
Klingbeil zu werben. Bei einem Vortrag an einer Gesamtschule sagte er: „Ich
würde keinem AfD-Politiker die Hand geben.“ Er erntete dafür wohlwollende
Blicke der Schüler*innen.
Klingbeil hat nicht nur bei der Bundeswehr ein hohes Ansehen. Er gilt als
Politiker, der präsent ist, nahbar, zugänglich für Kritik. Er hat sich um
die Beseitigung der Kriegs-Altlasten im Waldboden gekümmert, selbst gegen
den Widerstand einiger Bundeswehrgrößen, und dafür gesorgt, dass die
Stadtbücherei mit Bundesgeld saniert wird.
Frage an Claudia Fleckenstein: Glauben Sie, das Klingbeil dieses Jahr
direkt gewählt wird?
Sie zögert kurz, dann: „Doch, ich glaube dran.“
Klingt nicht so optimistisch.
„Es ist schwer.“
Mit ihrer linken Parteispitze haben die Sozialdemokrat*innen
Zustimmung innerhalb der Bundeswehr eingebüßt. Es sind nun
Pazifist*innen wie Rolf Mützenich, die den außenpolitischen Kurs der
Partei bestimmen. Das belastet auch die Position von Klingbeil in Munster –
und die von Christina Fleckenstein. Je weiter die Parteispitze nach links
rückt, umso mehr muss Klingbeil konservative Positionen betonen. Aber das
könnte wiederum junge Wähler*innen verstören.
Denn es reicht nicht für Klingbeil, nur die Bundeswehr in Munster
anzusprechen – er muss auch die Zivilist*innen im restlichen Wahlkreis
mitnehmen, die Jungen, die Engagierten. Jene, die etwas verändern wollen in
der Region.
Doch welche Ideale bleiben noch bei solch einem Spagat?
Als ich im Juni mit Klingbeil nach Munster fuhr, saßen wir im Reisebus
gegenüber, eingeklemmt von einem schmalen Plastiktisch. Klingbeil lächelte
zugewandt. Ich wollte erfahren: Wie viel vom jugendlichen Klingbeil steckt
noch in dem Politiker?
## Ein Treffen mit Rheinmetall?
Ich fragte ihn nach seinem Rüstungslobbyismus. Er sagte: „Lobbyismus klingt
so nach Geld, ich habe nie Geld angenommen.“ Und seine Sitze in den
Vereinen der Rüstungsindustrie? Er habe sich als Politiker mit dem Heer
beschäftigt, es sei seine Aufgabe, dort zu sitzen. Das Treffen mit
Rheinmetall? Daran könne er sich nicht erinnern.
Wir schwiegen. Durchs Fenster konnte ich den Stacheldrahtzaun einer Kaserne
erkennen. Mich hat das Aufwachsen in dieser Stadt nie losgelassen: Auf der
einen Seite am Abendbrottisch mit Vätern von Freund*innen, die vom
Bundestag in den Krieg geschickt wurden. Auf der anderen Seite die
militärische Kultur: Befehl und Gehorsam. Stahlhelme, Fackelparaden und
Gewaltmärsche.
Der Spagat zwischen konservativ und progressiv. Beides vereinen zu können,
das war bislang Klingbeils Erfolgsrezept. Ob er es wieder schafft? Er wird
diesmal noch mehr auf sich zählen müssen als auf seine Partei.
8 Aug 2021
## LINKS
[1] https://daspanzermuseum.de/
[2] https://www.munster.de/home.aspx
[3] https://www.instagram.com/larsklingbeil/?hl=de
[4] https://www.dwt-sgw.de/
[5] https://www.facebook.com/Christina-Fleckenstein-426594467442077/
## AUTOREN
Paul Hildebrandt
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Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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