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# taz.de -- Neuer Fünfjahresplan: China will mehr Kontrolle
> Die chinesische Mittelschicht wächst rasant – und ist zunehmend
> unzufrieden. Das soll der neue Fünfjahresplan ändern. Ein riskantes
> Vorhaben.
Bild: Bildung gegen Ungleichheit: ein Ziel der Pläne Pekings
Peking taz | In den vergangenen Monaten haben Chinas Aufsichtsbehörden
praktisch keinen Stein auf dem anderen gelassen. Sehr zum Ärger von
Investoren wurde eine Tech-Branche nach der anderen reguliert,
Kartellrechtsvergehen führender Internetkonzerne wurden geahndet und
Börsengänge kurzfristig abgesagt. Doch was einige Beobachter bereits
angemerkt haben, wird nun von der Regierung in Peking schwarz auf weiß
bestätigt: Die jüngsten Regulierungen waren nur der Anfang eines
langwierigen Transformationsprozesses der chinesischen Volkswirtschaft.
Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei hat gemeinsam mit dem
Staatsrat am Mittwochabend einen [1][Fünfjahresplan] vorgelegt, der die
ökonomische Fahrtrichtung vorgibt. Es geht dabei um den „Aufbau einer auf
Gesetzen basierten Regierung“, wie es in dem Originaldokument heißt.
Fast sämtliche Bereiche werden angerissen, von Fragen nationaler Sicherheit
über Wettbewerbsbedingungen bis zu technologischer Innovation. Das Ziel sei
es, die „wachsenden Erwartungen der Bürger für ein besseres Leben“ zu
erfüllen.
Zwar ist die staatsplanerische Blaupause vage in ihren konkreten
Forderungen. So wird beispielsweise vom „dringenden Bedarf“ geschrieben,
kartellrechtliche Probleme zu lösen und den Bildungssektor zu regeln, um
die Lebensqualität der Bevölkerung zu heben. Oder dass der Staat
sicherstellen müsse, dass Zukunftstechnologien wie künstliche Intelligenz
und Big Data „neue Geschäftsmodelle auf gesunde Art“ entwickeln.
## Staat wird Wirtschaft lenken
Doch wer zwischen den Zeilen liest, kann doch eine eindeutige Kernbotschaft
in dem Plan erkennen: Die staatliche Hand wird auch in Zukunft stärker die
Wirtschaft lenken – etwa wenn es darum geht, monopolistische Unternehmen zu
beschneiden.
Und natürlich schwingt, wie so oft im China unter Xi Jinping, auch der
Wunsch nach politischer Kontrolle stets im Subtext mit. Von den
Staatsmedien wurde das Dokument wie zu erwarten euphorisch aufgenommen. Die
nationalistische Global Times pries den Plan als „Kristallisierung der
Beziehungen zwischen der Regierung, dem Markt und der Gesellschaft“ an.
Doch auch auf Chinas sozialen Medien hob der vom Zensurapparat gesteuerte
Algorithmus das Thema in die Trends der User. Praktisch sämtliche
Kommentare glichen einem Jubelkonzert: „Chinas Rechtsstaat verbessert und
entwickelt sich kontinuierlich!“, schreibt etwa ein Nutzer. Dutzende andere
stimmen unisono auf das Lob ein.
## Ungleichheit Dorn im Auge
Angesichts solcher Töne lässt sich leicht vergessen, dass es doch an
allererster Stelle Chinas Privatwirtschaft war, die als entscheidender
Motor für das ökonomische Wachstum der letzten Jahrzehnte fungiert hat: Sie
hat Arbeitsplätze geschaffen, technologische Innovationen kreiert und den
gemeinen Wohlstand angehoben. Doch gleichzeitig, so sieht es die
Staatsführung in Peking, ist sie auch für viele sozioökonomische Probleme
verantwortlich – allen voran die wachsende Ungleichheit ist der jetzigen
Regierung unter Xi Jinping ein Dorn im Auge.
Ob die Parteiführung nun aus ideologischer Überzeugung oder aus reinem
Machterhalt handelt, sei dahingestellt. Fakt ist jedoch, dass Xi unter
Druck steht, mehr für die rasant anwachsende, jedoch zunehmend gestresste
Mittelschicht von 400 Millionen Chinesen zu tun.
Deren steigende Unzufriedenheit dürfte den Parteikadern in Peking ein
deutliches Alarmsignal gewesen sein: In den großen Städten streiken
Lieferkuriere wegen ausbeuterischer Arbeitsbedingungen, junge Familien
können sich aufgrund der immensen Kosten für Wohnen und Bildung kaum mehr
als ein Kind leisten und unter der Millennial-Generation gibt es immer mehr
Leistungsverweigerer, die sich aus dem gesellschaftlichen Hamsterrad
zurückziehen.
Wenn die Kommunistische Partei also nicht dafür sorgt, dass ihre
erfolgreichsten Unternehmen dabei helfen, die gesellschaftlichen Probleme
zu lösen – anstatt sie weiter zu verschärfen –, dann werden die
unzufriedenen Bürger früher oder später auch die Legitimation der
Kommunistischen Partei infrage stellen. Dass Leute nicht die Verlogenheit
eines Systems infrage stellen, das sich kommunistisch nennt, jedoch dessen
Wohlstand fast so ungleich verteilt ist wie das der Vereinigten Staaten,
hat wohl nur mit dem totalitären Zensurapparat zu tun.
Doch trotz der durchaus gesamtgesellschaftlichen Interessen der staatlichen
Hand werden Investoren alles andere als begeistert sein ob der anhaltenden
Regulierungen. Für Untergangsstimmung aber wird der neue Fünfjahresplan
auch nicht sorgen. Man sollte die Anpassungsfähigkeit der
krisengeschüttelten, chinesischen Unternehmen schließlich nicht
unterschätzen. Darauf deuten auch die Aktienkurse am Donnerstag hin: leicht
gesunken, aber der große Knall blieb aus.
12 Aug 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
China
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Aufstieg
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