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# taz.de -- Chinas neuer 5-Jahres-Plan: Auf zum zweiten Jahrhundertziel
> China gibt mit seinem neuen Fünfjahresplan die Stoßrichtung für die
> Zukunft vor. Er strotzt vor Selbstbewusstsein und Ambition.
Bild: Chinas Staatsoperhaupt Xi Jinping und die Führungsspitzen der Kommunisti…
Peking taz | Es ist ein merkwürdig anachronistisches Ritual, das in China
jedoch auch im 21. Jahrhundert nach wie vor praktiziert wird: Alle fünf
Jahre arbeitet die Staatsführung einen Plan aus, um die Stoßrichtung für
die eigene Zukunft vorzugeben. Diese Woche war dies nun zum 14. Mal der
Fall.
Bisher hat die Kommunistische Partei der Weltöffentlichkeit zwar nur ein
Kommuniqué mit den zentralen Punkten vorgesetzt. Es strotzt jedoch nur so
vor Selbstbewusstsein und Optimismus: Zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk
folge man dem Masterplan der Partei, mit Staatschef Xi Jinping an der
Spitze werde das Land jede Krise meistern.
Um zu erklären, was genau damit gemeint ist, traten am Freitagmorgen
führende Mitglieder des Zentralkomitees vor die Presse. Im autoritären
China sind solche Momente der Offenheit selten, doch schlussendlich blieb
die Pressekonferenz nach europäischem Verständnis eine reine Inszenierung:
Sämtliche Fragen, darunter auch die der ausländischen Journalisten, wurden
zuvor schriftlich eingereicht, die Antworten der Parteikader vom Blatt
abgelesen. Über Kopfhörer konnten die Anwesenden das Papierrascheln der
Simultanübersetzerin beim Umblättern der Seiten hören.
„Mit 2020 haben wir das erste Jahrhundertziel erreicht, eine moderat
wohlhabende Gesellschaft aufzubauen“, sagt Xu Lin, Vizeminister der
Öffentlichkeitsabteilung vom Zentralkomitees: „Der Fünfjahresplan ist nun
der erste Schritt für das zweite Jahrhundertziel: China in eine moderne
Gesellschaft zu transformieren“.
## Technologische Autarkie
Wie umfassend dieser Wandel sein wird, lässt sich schwarz auf weiß ablesen:
Wenig überraschend stellt die Partei technologische Autarkie in den
Mittelpunkt ihrer Zukunftsvision. Dies ist vorallem eine Antwort auf den
[1][Handelsstreit mit den Amerikanern], auch wenn eine vollständige
„Entkopplung“ von den Vereinigten Staaten laut Angaben der chinesischen
Regierung weiterhin unrealistisch sei.
Doch die Volksrepublik möchte in Zukunft vor allem die wirtschaftlichen
Risiken einer geopolitisch fragilen Weltordnung – etwa Importverbote von
Halbleitern aus den USA oder ein [2][möglicher Ausschluss Huaweis aus dem
europäischen 5G-Netz] – minimieren. Folglich wird China in den folgenden
Jahren seine Forschungsausgaben wohl massiv erhöhen.
Doch konkrete Zahlen blieb die Regierung bislang schuldig. Waren die
vorigen Fünfjahrespläne von konkreten Zielvorgaben gespickt, etwa das
jährliche Wirtschaftswachstum bis auf die prozentuale Kommastelle, hält man
sich diesmal bemerkenswert vage – wohl auch, weil China mit all seinen
territorialen Grenzkonflikten und Wirtschaftskämpfen vor einmaligen
Herausforderungen steht.
## Wirtschaftsleistung verdreifachen
Zwischen den Zeilen allerdings lassen sich dennoch einige Vorgaben
herauslesen: Bis zum Jahr 2035 möchte man ein Bruttoinlandsprodukt
vergleichbar mit „durchschnittlich entwickelten Ländern“ erreichen. Im
Klartext würde dies bei etwas unter 30.000 Euro pro Kopf liegen; also ein
Niveau, das derzeit beispielsweise das benachbarte Südkorea erreicht hat.
Dafür muss sich Chinas ökonomische Leistung in den nächsten 15 Jahren in
etwa verdreifachen.
Doch auch im Inneren hat [3][die chinesische Wirtschaft, wenn gleich sie
trotz der Krise wieder auf Wachstumskurs ist,] mit erheblichen Problemen zu
kämpfen. Dem vielleicht wichtigsten Thema, der schleppende Binnenkonsum,
wird im Fünfjahresplan ebenfalls eine zentrale Rolle zugewiesen: Die
Einkommen der Bevölkerung, vor allem der ländlichen Bevölkerung, sollen
massiv gesteigert werden. Nur auf diesem Weg kann das propagierte Modell
der „dualen Zirkulation“ aufgehen: Künftig nämlich soll, wie in vielen
entwickelten Volkswirtschaften bereits eingetreten, der chinesische
Konsument als zunehmender Wachstumsmotor fungieren, der Außenhandel
(„externe Zirkulation“) hingegen an Wichtigkeit verlieren.
## Weniger Wachstum, mehr Ideologie
Jürgen Trittin, Grünen-Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, sieht Chinas
5-Jahres-Plan jedenfalls kritisch. „Unter Xi Jinping schreitet die
Reideologisierung und damit auch der Abschied von Deng Xiaoping voran. Das
ist keine gute Nachricht für Europa.“
Trittin kritisiert vor allem die klimapolitische Leerstelle im
5-Jahres-Plan. „[4][Xi Jinping versprach, China bis 2060 zu einem
klimaneutralen Land umzubauen.] Maßnahmen hierzu finden sich in den
Beschlüssen nicht wieder.“
Wirtschaftlich müsse man Chinas Orientierung auf die eigene Stärke, eine
stärkere Unabhängigkeit von weltweiten Zulieferern und die Konzentration
auf die heimischen Märkte im Blick behalten. Das alles weise dem
Außenhandel, aber auch ausländischen Investitionen nur noch eine
untergeordnete Rolle zu, meint Trittin. „Das ist für den Abschluss eines
Investitionsabkommens mit der Europäischen Union ein Warnsignal.“ Zudem
scheine China, unabhängig vom Ausgang der US-Wahl, mit einem fortgesetzten
Handelskonflikt zu rechnen.
## Sicherheit steht für Xi über allem
Chinas Regierung hingegen betont, dass dies nicht heißt, China würde
ausländischen Unternehmen künftig den Rücken kehren. Stattdessen soll die
Wirtschaft weiter geöffnet und reformiert werden, um reizvoll für
internationale Konzerne und Investitionen zu bleiben. „Öffnung ist die
grundlegende Bedingung für Fortschritt“, sagt Han Waixiu, stellvertretender
Leiter des Zentralkomitees für wirtschaftliche Angelegenheiten.
Und doch lässt das veröffentlichte Kommuniqué des Fünfjahresplans keinen
Zweifel daran, dass jene Öffnung für China auf politischer Ebene weiter
entfernt denn je erscheint: Für Staatschef Xi Jinping, ein berüchtigter
Machtpolitiker und Kontrollfanatiker, genießt die innere Sicherheit im
Zweifel immer noch die höchste Priorität.
30 Oct 2020
## LINKS
[1] /Waffenstillstand-im-Handelsstreit/!5657333
[2] /Ausbau-des-5G-Netzes/!5694932
[3] /Chinas-Wirtschaft-erholt/!5721842
[4] /Plan-fuer-CO2-Neutralitaet/!5711785
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
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