Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Chinas IT-Wirtschaft: Alibaba im freien Fall
> China hat seiner Tech-Branche mit drastischen Regulierungswellen stark
> zugesetzt. Am Beispiel Alibaba zeigen sich nun die Folgen.
Bild: „Gemeinsamer Wohlstand“ lautet das Schlagwort der Parteiführung
Peking taz | Das von Jack Ma gegründete Internetimperium Alibaba galt lange
Jahre als Aushängeschild für Chinas innovativen Unternehmergeist. Doch
mittlerweile ist der E-Commerce-Riese dessen größter Sorgenfall: Die am
Donnerstag veröffentlichten Geschäftszahlen sind die wohl schwächsten seit
Alibabas Börsendebüt vor knapp acht Jahren. Im Quartal bis einschließlich
Dezember ist der Nettogewinn um nahezu drei Viertel eingebrochen. Der
Gesamtumsatz ist nur mehr um knapp zehn Prozent gestiegen. Noch vor Kurzem
war man an das Vierfache des Wachstums gewöhnt.
Was die aktuelle Entwicklung von Alibaba so einzigartig macht, sind die
dahinter liegenden Gründe. Denn die allgemein schwächelnde chinesische
Wirtschaft und die steigende Konkurrenz können den Absturz des Unternehmens
nicht erklären. Vielmehr ist dieser hausgemacht: Alibaba musste – wie
praktisch die gesamte Internetbranche Chinas – aufgrund der
[1][drastischen] [2][Regulierungswellen] der Regierung massiv Federn
lassen.
Allein in den letzten Tagen haben die digitalen Marktführer Tencent,
Meituan und Alibaba laut Berechnungen von Bloomberg nahezu 100 Milliarden
Dollar an Marktwert verloren. Hintergrund waren weitere Ankündigungen der
Behörden, Beschränkungen für Online-Essenslieferanten sowie die
Computerspiel-Branche einzuführen.
Auf den ersten Blick klingt das zunächst kontraproduktiv: Warum soll eine
Regierung seine erfolgreichsten Firmen derart stark beschneiden? Doch
tatsächlich hält Staatschef Xi Jinping die Verluste als notwendige
Kollateralschäden für eine langfristige [3][Transformation der
Volkswirtschaft]. Derzeit befindet sich China nämlich inmitten eines
ökonomischen Paradigmenwechsels. Viele Experten bezeichnen Pekings
Regulierungswellen metaphorisch als „Sommergewitter“. Dabei sollen zum
einen die aufkommenden Technologien und Online-Plattformen in einen
rechtlichen Rahmen integriert werden. Das exzessive Sammeln von Daten,
Ausnutzen von Oligopolen sowie prekäre Leiharbeiter-Verhältnisse sollen
zudem eingedämmt werden.
Ebenso möchte China ganz gezielt seine Ressourcen umlenken: Die
Verbraucher-Elektronik und Konsumenten-Apps, die die Volksrepublik in den
letzten Jahren hervorgebracht hat, sind für Xi Jinping nur technische
Spielerei. Stattdessen will man die Priorität auf eine gesunde
Halbleiter-Branche fokussieren, die Industrieproduktion ankurbeln und
generell Dinge herstellen, die in der analogen Welt das Leben der Leute
real verbessern. Viele Ökonomen glauben, dass China vor allem die deutsche
Wirtschaft mit seinen starken mittelständischen Unternehmen als Inspiration
sieht.
Xi steht derzeit stark unter Druck, denn der Frust der Mittelschicht steigt
angesichts zunehmender Arbeitslast und irrwitzigen Immobilienpreisen
rasant. Die Kommunistische Partei muss zudem die rasant
auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich in den Griff bekommen.
## Vermögenssteuer in Sicht
„Gemeinsamer Wohlstand“ lautet das Schlagwort von der Parteiführung. Doch
was damit gemeint ist, bleibt bislang vage und nebulös. Derzeit wird nach
dem „trial-and-error“-Prinzip erprobt, wie eine Umverteilung innerhalb der
Gesellschaft gelingen kann. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis eine
flächendeckende Vermögenssteuer eingeführt wird und die führenden
Unternehmer bei ihren Abgaben stärker an die Kandare genommen werden.
Viele Ökonomen und Geschäftsleute halten die Maßnahmen für einen deutlichen
Rückschritt. Denn es scheint, als ob Peking mit seinen politischen
Repressionen sowie staatlichen Regulierungen einer innovativen Branche den
notwendigen Elan raubt. Desmond Shum, der in den 2000er Jahren als einer
der erfolgreichsten Immobilienentwickler in Peking galt, sagt: „Klar ist
die Ungleichheit damals gewachsen, aber gleichzeitig wurden auch 100
Millionen Chinesen aus der Armut gehoben. Und was haben wir jetzt? Alibaba
hat in den letzten Jahren hunderte Milliarden Dollar an Marktwert verloren
– und der Bodensatz wächst gar nicht mehr“.
Vielleicht behält der mittlerweile in London lebende Geschäftsmann mit
seiner Prognose recht. Denn Chinas Aussicht für 2022 sieht düster aus: Nur
etwas über vier Prozent soll das BiP wachsen – ein Bruchteil vergangener
Jahre.
Doch die Befürchtung, dass Xi Jinping erneut ein sozialistisches Modell á
la Mao Tse-tung aufbauen möchte, scheint wenig begründet. Erst am
Donnerstag stellte Ha Zengyou, Generaldirekter der Nationalen Entwicklungs-
und Reformkommission, unmissverständlich klar: Man müsse den Fehler
vermeiden, künftig „faule Menschen heranzuziehen“, die sich auf der
sozialen Hängematte des Wohlfahrtsstaats ausruhen könnten. Das klingt um
einiges kapitalistischer, als sich die meisten europäischen Politiker
ausdrücken würden.
25 Feb 2022
## LINKS
[1] /Schlag-gegen-Fahrdienstvermittler-Didi/!5784129
[2] /Chinas-neues-Datenschutzgesetz/!5794826
[3] /Neuer-Fuenfjahresplan/!5788525
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
China
Plattformökonomie
Regulierung
China
Mobilität
China
China
## ARTIKEL ZUM THEMA
Über eine Milliarde Chinesen betroffen: Ein gigantischer Daten-Leak
Ein unbekannter Hacker hat 23 Terabyte an Adressen und Krankendaten
erbeutet. Die sensiblen Informationen stehen in einschlägigen Foren zum
Verkauf.
Leihfahrräder in China: Aufstieg, Fall und Comeback
Shared Bikes setzten sich in keinem Land der Welt so stark durch wie in
China. Nach der Goldgräberstimmung folgte der Kater, nun boomen sie wieder.
Chinas neues Datenschutzgesetz: Staat darf weiter schnüffeln
Chinas neues Datenschutzgesetz bereitet heimischen Tech-Konzernen Probleme.
Es schützt die Bevölkerung vor Datenkraken-Firmen, nicht vor dem Staat.
Neuer Fünfjahresplan: China will mehr Kontrolle
Die chinesische Mittelschicht wächst rasant – und ist zunehmend
unzufrieden. Das soll der neue Fünfjahresplan ändern. Ein riskantes
Vorhaben.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.