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# taz.de -- Freilassung aus Guantanamo: Da waren es noch 39
> Erstmals unter US-Präsident Biden kommt ein Guantanamo-Häftling frei. Der
> Marokkaner Abdellatif Nacer sitzt nun in der Heimat in Gewahrsam.
Bild: Gefangene im US-Marinestützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba, Aufnahme von 2…
New York taz | Mehr als 19 Jahre nach dem Beginn seiner Internierung in
Guantanamo Bay und ohne je angeklagt worden zu sein, ist Abdellatif Nacer
entlassen und nach Marokko ausgeflogen worden. Der 56-Jährige ist der erste
Guantanamo-Häftling, der das Lager seit [1][Amtsantritt von US-Präsident
Joe Biden] verlassen konnte. „Ein Schritt in die richtige Richtung“,
kommentierte die New Yorker Menschenrechtsgruppe „Center for Constitutional
Rights“ am Montag, „aber die Regierung hat noch viel zu tun, um das
Gefängnis zu schließen und die Menschenrechte zu respektieren, wie von
Biden angekündigt“. Im [2][Lager Guantanamo] sind jetzt noch 39 Männer
interniert.
Der letzte Marokkaner in Guantanamo wurde in der Nacht zu Montag von der
US-Militärbasis im Osten Kubas nach Casablanca ausgeflogen. Nach Auskunft
seines langjährigen Chicagoer Anwalts Thomas Durkin kam Nacer in Marokko in
Polizeihaft. Durkin rechnet aber damit, dass sein Mandant in seinem
Heimatland schon bald frei gelassen werde. „Uns ist ein Felsbrocken von den
Schultern genommen worden“, sagte der Anwalt. Er nennt die 19-jährige
Internierung seines Mandanten eine „Verhöhnung des Rechtsstaates“. Ein
Bruder von Nacer sagte: „Nach fast 20 Jahren sind unsere Gebete erhört
worden“.
Das US-Verteidigungsministerium dankte der marokkanischen Regierung für die
Aufnahme Nacers und für die Zusage, die persönliche Sicherheit Nacers als
auch die „nationale Sicherheit der USA“ zu garantieren.
Ministeriumssprecher Ned Price pries Marokko als Vorbild für andere Länder.
Details sind nicht bekannt, aber Experten gehen davon aus, dass Marokko
zugesagt hat, Nacer zu überwachen, die USA weiterhin über ihn zu
informieren und ihn nicht ins Ausland reisen zu lassen.
## Nacer musste fünf Jahre warten
Nacer war Ende 2001 von pakistanischen Kräften im Tora-Bora-Gebirge in
Afghanistan gefangen genommen worden, als mutmaßlicher Talibankämpfer.
Anfang 2002 kam er in dem berüchtigten Lager Guantanamo an, das George W.
Bush nach den Attentaten vom 11. September 2001 als Teil des „Kriegs gegen
den Terror“ eingerichtet hatte. Nachdem er 2016 vor dem „Periodic Review
Board“ – einer Kommission des Verteidigungsministeriums zur Evaluierung der
Gefangenen – Reue zeigte, kam sein Name auf eine Liste von elf Gefangenen,
die „keine Gefahr mehr für die nationale Sicherheit der USA“ darstellten
und freigelassen werden sollten – vorausgesetzt, es fände sich ein
Aufnahmeland.
Auf diesen Transfer musste Nacer fast fünf Jahre warten. „Er wurde ein
Kollateralschaden von Trump“, sagt sein Anwalt Durkin. Donald Trump
beendete sämtliche Bemühungen zur Auflösung des Lagers und erklärte
stattdessen, dass er es auffüllen wolle. „Es gibt genügend böse Kerle“,
sagte Trump bei Wahlkampfmeetings. Trump löste auch die Abteilung im
Verteidigungsministerium auf, die sich um aufnahmewillige Länder bemüht
hatte. Noch in den letzten Tagen von Trumps Amtszeit unternahm das
Justizministerium Schritte, um zu verhindern, dass Guantanamo-Gefangene von
unabhängigen Ärzten untersucht werden können.
780 Männer sind in den fast 20 Jahren seit der Eröffnung des Lagers in
Guantanamo interniert gewesen. Sie gelten als Kriegsgefangene. Aber nur
zwei wurden je verurteilt. Die meisten anderen haben nie eine Anklage
bekommen. Nach jahrelangen Protesten gegen Misshandlung, Folter und
Isolation der Gefangenen versprach Barack Obama 2008, er werde das Lager in
seinem ersten Amtsjahr schließen. Er scheiterte.
Sein ehemaliger Vizepräsident Biden agiert nun ohne große Ankündigungen.
Statt eines global aktiven Sonderentsandten lässt er regionale
US-Diplomaten und das Außenministerium die Arbeit erledigen. Bei einem
Besuch in Paris Ende Juni sagte Außenminister Antony Blinken: „Wir suchen
einen Weg in jedem Einzelfall“.
Unterdessen ist Guantanamo dabei, ein extrem teures Alterspflegeheim mit
wachsenden medizinischen Problemen zu werden. Viele Internierte haben
psychische Probleme, der älteste ist ein 73-jähriger herzkranker
Pakistaner. Die Kosten für jeden Insassen belaufen sich auf 13 Millionen
Dollar pro Jahr.
20 Jul 2021
## LINKS
[1] /Amtseinfuehrung-von-US-Praesident-Biden/!5742163
[2] https://www.aclu.org/issues/national-security/detention/guantanamo-bay-dete…
## AUTOREN
Dorothea Hahn
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