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# taz.de -- Drohnen mit todbringender Fracht: Militärische Roboter
> Bewaffnete Drohnen sollen künftig autonom agierend in den Krieg ziehen.
> Forscher und Politiker befürchten eine neue Rüstungsspirale.
Bild: Ein bewaffneter Kämpfer der Libyschen Nationalarmee (LNA) zielt im Febru…
Berlin taz | Science-Fiction ist dabei, den Kinosaal zu verlassen und
Realität zu werden, wieder einmal. Diesmal sind es aber nicht die
Killerroboter, die auf Zelluloid in menschenleere Schlachten von Maschinen
gegen Maschinen zogen. Sondern die Vorhut der autonomen Waffensysteme
(AWS), wie sie in der Fachsprache bezeichnet werden, sind unbemannte
Kampfdrohnen, die mit Sprengstoff bepackt über Kriegsgebieten kreisen und
mit ihrer „künstlichen Intelligenz“ die Abwurfstelle eigenständig
auswählen. Derzeit läuft ein Wettrennen zwischen den Waffenentwicklern der
Rüstungsforschung und der internationalen Sicherheitsdiplomatie, die den
Weg in die automatisierte Kriegsführung versperren will.
Aufsehen erregte vor einigen Wochen ein Bericht der Vereinten Nationen über
den [1][Einsatz von Angriffsdrohnen] des türkischen Typs „Kargu-2“ im
libyschen Bürgerkrieg. Dem Bericht zufolge, aus dem die britische
Wissenschaftszeitschrift New Scientist zitierte, habe es sich um „tödliche
autonome Waffensysteme“ gehandelt, die in der Lage waren, aus der Luft
Bürgerkriegs-Rebellen zu verfolgen und so programmiert waren, dass es
„keinerlei aktiver Datenverbindung“ zwischen dem Operator und dem
Flugobjekt bedurft hätte.
Nicht bestätigen konnte der Bericht, dass es bei diesem Einsatz Todesopfer
gab. Es dürfte sich dabei aber um den ersten Vorfall gehandelt haben, bei
dem Drohnen Menschen ohne Anweisung angegriffen hätten, zitierte New
Scientist den [2][Experten für unbemannte Waffensysteme, Zak Kellenborn.]
Auch im militärischen Konflikt um die Region Bergkarabach in Zentralasien
kamen sogenannte Kamikazedrohnen bereits zum Einsatz. Nach ihrem Start
suchen sie selbständig die Luftverteidigungssysteme des Gegners und bringen
sie zur Detonation. Nach Untersuchungen des Center for Strategic and
International Studies in Washington hat Aserbaidschan mehr als 200 Drohnen
aus hochentwickelter israelischer Produktion eingesetzt.
Die Situation wurde vom [3][Büro für Technikfolgenabschätzung beim
Deutschen Bundestag (TAB) in einer 180-Seiten-Studie] umfassend analysiert.
„Die zunehmende Nutzung von automatisierten oder zukünftig autonomen
Waffensystemen könnte einen Paradigmenwechsel darstellen, der die
Kriegsführung im 21. Jahrhundert revolutionieren würde“, heißt es in dem
Report. Er behandelt die technischen Aspekte, ethische Gesichtspunkte und
internationale Politikfragen.
## Angriff im Schwarm
Die technologischen Trends der Waffenentwicklung gehen einerseits in
Richtung extrem leistungsfähiger Großgeräte, wie etwa autonome Kampfdrohnen
mit Strahlantrieb und Tarnkappenfähigkeiten, die im Luftkampf über
umkämpftem Gebiet eingesetzt werden können. Der zweite Trend verfolgt die
Entwicklung immer kleinerer Systeme, die in großer Zahl kostengünstig
hergestellt und im Schwarm eingesetzt werden können.
Bei militärischen Robotern, die am Boden operieren, können stationäre und
mobile Systeme unterschieden werden. Hier trifft die Technik auf das
Bewertungsfeld der Ethik, denn einige Befürworter dieser Entwicklung
versprechen sich von autonomen Waffensystemen neben militärischen auch
„humanitäre Vorteile“, weil weniger Menschen – Soldaten wie Zivilisten �…
Tode kommen würden. Dagegen steht [4][die Kritik, ob es ethisch vertretbar
und völkerrechtlich erlaubt sein kann], die Entscheidung über Leben und Tod
von Menschen an Maschinen zu delegieren.
Bei den Empfehlungen an die Politik wird im TAB-Bericht betont: „Derzeit
existiert ein Fenster von Möglichkeiten, um mit einem international
abgestimmten, zielgerichteten Vorgehen die möglichen Gefahren einzuhegen,
die AWS mit sich bringen könnten.“ Dieses Fenster schließe sich sukzessive
mit fortschreitender technologischer Entwicklung. Es sei „dringend geboten,
diese Herausforderungen unverzüglich anzugehen und Lösungen zu entwickeln“,
fordert das TAB-Büro.
Dabei geht es vor allem darum, die rasanten Fortschritte in den Bereichen
Robotik und künstlicher Intelligenz (KI) zu „zivilisieren“ und ihr
Eindringen in militärische Nutzungen zu verhindern. „Oberhalb von
Kernwaffen entsteht eine neue Ebene des Wettrüstens zwischen China und den
USA“, warnt Thomas Metzinger, Professor für Theoretische Philosophie an der
Universität Mainz. Er war Mitglied einer von der EU-Kommission eingesetzten
„High-Level Expert Group on Artificial Intelligence“, die
Regulierungsvorschläge erarbeiten sollte.
Leider sei das Thema der „autonomen Waffensysteme“ aus dem Gesetzentwurf
der Gruppe „vollständig herausgefallen“, bedauert Metzinger: „Das war ein
großer Streitpunkt, da einige Gruppenmitglieder der Meinung waren, dass
Europa nicht in das KI-Wettrüsten auf militärischer Ebene eintreten solle“.
Wie kam es dazu? „Ich denke, das ist ein Erfolg der Rüstungslobby“, sagte
Metzinger in einem Interview mit der Zeitschrift Forschung und Lehre.
## Nötig sind globale Lösungen
Eine Regulierung allein auf EU-Ebene wäre zudem auch wenig sachdienlich,
denn nötig sind globale Lösungen. „Wie biologische (B-Waffen) und chemische
Waffen (C-Waffen) und auch bestimmte konventionelle Waffen können autonome
Waffen unproblematisch durch einen völkerrechtlichen Vertrag verboten
werden“, ist die Auffassung von Silja Vöneky, Professorin für Völkerrecht
und Rechtsethik an der Universität Freiburg und Mitglied der FRIAS
Forschungsgruppe Responsible AI. Allerdings müsste die Barriere schon
früher aufgestellt werden – nicht erst vor dem Einsatz der autonomen
Waffen, sondern bereits bei ihrer Erforschung und Entwicklung.
„Schwieriger wäre ein Entwicklungs- und Herstellungsverbot durchzusetzen
und die Durchsetzung zu kontrollieren“, räumt Vöneky ein. „Auch hier gibt
es aber mit der [5][C-Waffenkonvention] und deren Implementierungsprotokoll
eine ‚Blaupause‘, um ein Waffenentwicklungsverbot auch im Frieden schon
umzusetzen und dennoch friedliche Forschung zuzulassen.“ Wichtig sei, dass
der politische Wille gegeben ist. „Andernfalls bleibt es (wie bei der
B-Waffenkonvention) bei einem Verbot, dessen Überwachung nicht vor Ort in
den Staaten überprüft werden kann.“
Für Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) kann nur ein internationaler
Vertrag zur Ächtung der AWS das Ziel sein. „Genau wie wir das bei
Nuklearwaffen über viele Jahrzehnte geschafft haben, müssen wir auch bei
neuen Waffentechnologien zu internationalen Verträgen kommen“, sagte Maas
in einem Statement für die Deutsche-Welle-Dokumentation „Future Wars – and
How to Prevent Them“.
Darin solle zum Ausdruck kommen, „dass bestimmte Entwicklungen zwar
technisch möglich, aber nicht verantwortbar, sondern international zu
ächten sind“, so der Minister. Erste Schritte dazu gibt es inzwischen im
Rahmen der [6][Convention on Certain Conventional Weapons (CCW) der
Vereinten Natione]n, die eine „Einhegung der mit AWS möglicherweise
verbundenen Risiken beleuchtet“ und daraus Überlegungen zu Möglichkeiten
der präventiven Rüstungskontrolle ableiten will.
8 Aug 2021
## LINKS
[1] /Tuerkische-Offensive-gegen-PKK/!5769697
[2] https://www.zkallenborn.com/
[3] https://www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/rapid-reaction/details/news…
[4] /Rolf-Muetzenich-zu-USA-und-Abruestung/!5746432
[5] /Einsatz-von-C-Waffen-in-Syrien/!5043634
[6] /Waffen-mit-kuenstlicher-Intelligenz/!5549880
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
## TAGS
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Kampfdrohnen
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