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# taz.de -- Deutsche Bahn in der Dauerkrise: Schuldenberg wird immer größer
> Im Fernverkehr fährt der Staatskonzern einen Verlust von mehr als 1
> Milliarde Euro ein. Das liegt nicht nur an Corona.
Bild: Zerstörte Gleise bei Marienthal im Ahrtal
Berlin taz | Die Deutsche Bahn AG hat auch im ersten Halbjahr 2021 einen
Verlust in Milliardenhöhe eingefahren. Es gäbe aber einen „spürbaren
Aufwärtstrend“, teilte Bahnchef Richard Lutz bei einer Telefonkonferenz am
Donnerstag mit. „So sehr die Verluste schmerzen, die jüngsten Zahlen
stimmen optimistisch“, sagte er. Seit dem 2. Quartal 2021 gehe es mit dem
Umsatz und den Fahrgastzahlen wieder aufwärts.
Der Staatskonzern war schon vor der Pandemie völlig überschuldet, hat seine
Züge aber im vergangenen Jahr trotz geringer Auslastung weitgehend
weiterfahren lassen. Die Folge: 2020 verzeichnete die Deutsche Bahn immense
Verluste, die [1][Schulden sind um 5,7 Milliarden Euro auf mehr als 30
Milliarden Euro gestiegen]. Für 2021 rechnet der Bahn-Vorstand mit einem
Minus von 2 Milliarden Euro. Der Verlust von 1,4 Milliarden Euro, der
zwischen Januar und Juni anfiel, ist aber niedriger als im ersten Halbjahr
2020, als das Minus bei 3,7 Milliarden Euro lag.
Vor allem im Fernverkehr verliert die Bahn viel Geld. Das Geschäft mit ICE
und IC erbrachte im ersten Halbjahr sogar ein Minus von 1,1 Milliarde Euro.
Für die Verluste sind aber auch strukturelle Ursachen wie das Festhalten an
umstrittenen Großprojekten wie Stuttgart21 verantwortlich, nicht nur die
Pandemie. Mit rund 430 Millionen Euro geht nicht einmal die Hälfte des
Verlustes auf Corona zurück. Die Bundesregierung will der Bahn als
Coronahilfe und im Zuge des Klimapakets Milliardenhilfen zur Verfügung
stellen. Das muss aber die EU-Kommission noch genehmigen.
Die Zahl der Reisenden ist schwer vergleichbar, weil die Deutsche Bahn vor
der Pandemie im Januar und Februar 2020 Rekordzahlen bei den Fahrgästen
verzeichnete. Im Vergleich zum gesamten ersten Halbjahr 2020 ging die Zahl
der Reisenden im laufenden Jahr zwischen Januar und Juni um 34 Prozent
zurück. Seit April steigt sie aber wieder und liegt um 50 Prozent über dem
Vorjahr.
## Reservierungssystem bleibt coronakonform
Die ausbleibenden Fahrgäste hatten für die Deutsche Bahn in den vergangenen
Monaten den Vorteil, dass sie nicht viel tun musste, damit sich die
Fahrgäste sicher fühlten – solange der Betrieb reibungslos lief und es
nicht aufgrund von Ausfällen zu vollen Zügen kam. Zurzeit liegt die
Auslastung nach Angaben von Lutz bei 40 Prozent.
Das Reservierungssystem sieht vor, dass eine bestimmte Zahl an Plätzen frei
bleiben muss. Ist die vorgesehene Auslastung erreicht, kann nicht mehr
reserviert werden. Spontan Reisende können aber alle freien Plätze
einnehmen. Das wird auch nicht anders, wenn die Züge in den kommenden
Monaten wieder voller werden. „Wir haben keine Veranlassung, an unseren
Regeln etwas zu ändern“, sagte Lutz. In Frankreich dürfen nur Reisende in
einen Fernzug steigen, die genesen, geimpft oder negativ getestet sind. Das
wird es in Deutschland nicht geben.
Auch die kommenden Monate werden für den Staatskonzern nicht leicht. Der
Konflikt mit der [2][Lokführergewerkschaft GDL] ist nach wie vor nicht
beigelegt, es könnte auch noch Streiks geben. Die GDL wies am Donnerstag
ein Gesprächsangebot der Bahn zurück. „Es handelt sich hierbei wieder nur
um die x-te Neuauflage der sattsam bekannten Taktik Tarnen, Tricksen,
Täuschen“, erklärte GDL-Chef Claus Weselsky. „Von seinem Ziel, die GDL zu
eliminieren, ist der Arbeitgeber in Wahrheit keinen Millimeter abgerückt,
weshalb wir die ohnehin unaufrichtige Offerte schriftlich zurückgewiesen
haben.“ Bei der Bahn sind zwei Konkurrenzgewerkschaften aktiv. Mit der
Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hat der Konzern bereits einen
Tarifvertrag geschlossen. „Was es nicht braucht, ist der Versuch, die
Belegschaft zu spalten, und der Versuch, mit Streiks den Aufwärtstrend zu
gefährden“, sagte Lutz zu der Auseinandersetzung mit der GDL.
## Bahnreform nach der Bundestagswahl
Ein weiteres Problem sind die dramatischen Schäden, die die Flutkatastrophe
im Westen und Süden auch an Anlagen der Bahn angerichtet hat. Rund 600
Kilometer Schienen sind beschädigt, der Schaden beträgt rund 1,3 Milliarden
Euro. „Der Wiederaufbau wird lange dauern, teilweise bis ins nächste Jahr“,
sagte Lutz.
Angesichts der großen Probleme des Staatskonzerns ist eine Bahnreform nach
der Bundestagswahl wahrscheinlich. Die Grünen und die FDP etwa fordern die
Aufspaltung des Unternehmens, um mehr Wettbewerb zu ermöglichen.
Bahnkritiker:innen wie das Bündnis „Bahn für alle“, an dem 20
Organisationen wie Attac, Robin Wood und Gewerkschaften beteiligt sind,
lehnt das ab. Die Aktivist:innen fürchten [3][eine Verschlechterung
durch mehr Wettbewerb] auf der Schiene.
29 Jul 2021
## LINKS
[1] /Tiefrote-Bilanz-der-Deutschen-Bahn/!5757339
[2] /GDL-Chef-Claus-Weselsky-ueber-Tarifstreit/!5787004
[3] /Krisenkonzern-Deutsche-Bahn/!5757214
## AUTOREN
Anja Krüger
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