# taz.de -- Öffentliche Unternehmen im Norden: Zu wenig Frauen an der Spitze | |
> Seit 2018 untersucht eine Studie den Anteil von Chefinnen in öffentlichen | |
> Unternehmen. Schleswig-Holstein und Niedersachsen schneiden schlecht ab. | |
Bild: Ausnahmeerscheinungen: Das Hannoversche Verkehrsunternehmen Üstra hat se… | |
HANNOVER taz | Gerade einmal 10,6 Prozent in Schleswig-Holstein und nur | |
11,8 Prozent in Niedersachsen: In öffentlichen Unternehmen sind | |
Top-Managerinnen Mangelware. Noch schlechter schneidet in einer | |
[1][aktuellen Studie der Zeppelin-Universität Friedrichshafen] nur | |
Rheinland-Pfalz mit 10,4 Prozent ab. | |
Sehr viel besser steht der Osten da: Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise | |
verzeichnet 25,9 Prozent an weiblich besetzten Posten. Und auch die | |
Stadtstaaten Bremen (24,3 Prozent) und Hamburg (21,3 Prozent) haben einen | |
höheren Frauenanteil. | |
Eigentlich, argumentieren die Wissenschaftler:innen, müssten öffentliche | |
Unternehmen doch mit gutem Beispiel vorangehen. Deshalb liefern sie seit | |
2018 dieses Städteranking für einen sehr speziellen Bereich: Die | |
Führungsetagen kommunaler Unternehmen. | |
Das ist kein kleiner Sektor. 18.566 öffentliche Unternehmen existieren nach | |
Angaben des Statistischen Bundesamtes in Deutschland, ein Großteil davon | |
auf kommunaler Ebene. 609 Milliarden Euro Gesamterträge und 583 Milliarden | |
Euro Aufwendungen verzeichneten die Statistiker:innen 2018 in diesem | |
Bereich. | |
Gemeint sind damit all die Unternehmungen, die in den letzten Jahrzehnten | |
aus den öffentlichen Haushalten ausgegliedert wurden, um zentrale | |
öffentliche Aufgaben zu erfüllen – von den Stadtwerken über die | |
Abfallwirtschaftsbetriebe, von den Krankenhäusern über soziale | |
Dienstleister bis hin zu IT-Services, Verkehrsbetrieben, Messen, Häfen und | |
Flughäfen. | |
In Sachen Gleichstellung fliegen die ein wenig unter dem Radar: [2][Die | |
politische Debatte] und die gesetzlichen Regelungen konzentrieren sich | |
meist auf die ganz großen Player – auf DAX-Vorstände, Verwaltungsspitzen, | |
[3][politische Ämter.] Diese Lücke wollen die Forscher:innen um Ulf | |
Papenfuß schließen. | |
Wobei sie selbst sagen, dass die Rankings mit Vorsicht zu genießen sind: | |
Untersucht wurden neben den Stadtstaaten und den Landeshauptstädten die | |
jeweils vier größten Städte je Bundesland. Die bieten aber natürlich im | |
Einzelfall sehr unterschiedliche Mengen an Top-Jobs. In kleineren Städten | |
mit weniger öffentlichen Unternehmen zeigt die Quote gleich dramatische | |
Ausschläge, wenn auch nur eine Frau von oder an Bord geht – anderswo macht | |
das keinen großen Unterschied. | |
Man wolle ja auch nicht „unreflektiert im Sinne von ‚besser oder | |
schlechter‘ vergleichen, schreiben die Autor:innen. Sondern zur Diskussion | |
anregen, warum sich Entwicklungen so unterschiedlich gestalten. | |
Es sei ja immerhin bemerkenswert, dass es einigen Städten und Bundesländern | |
gelänge, den Frauenanteil kontinuierlich zu steigern, während er anderswo | |
stagniere oder sogar rückläufig sei. | |
Vor allem im letzten Jahr – dem Pandemiejahr – hat sich wenig bewegt. Der | |
Frauenanteil hat sich sogar geringfügig um 0,2 Prozentpunkte verringert. | |
Bei 19,5 Prozent liegt er im Durchschnitt, wobei das Spektrum weit | |
auseinander geht. Allein in Niedersachsen hat beispielsweise Hannover den | |
Anteil der Top-Managerinnen auf 25 Prozent gesteigert, Osnabrück | |
verzeichnet dagegen null Prozent. | |
## Fortschritt im Schneckentempo | |
Betrachtet man die Gesamtentwicklung seit 2018 über alle Städte hinweg, | |
sieht man wie zäh und langsam es vorangeht: 16 Frauen in Top-Jobs sind in | |
diesen vier Jahren dazu gekommen. Das entspricht einer Steigerung von 1,5 | |
Prozentpunkten, von 18 Prozent in 2018 zu 19,5 Prozent in 2021. | |
„Das deckt sich mit dem, was wir beobachten“, sagt Marion | |
Övermöhle-Mühlbach vom Landesfrauenrat Niedersachsen ohne die aktuelle | |
Studie schon genau zu kennen. Zwar schneide der öffentliche Sektor | |
regelmäßig besser ab als die Privatwirtschaft, aber auch da sei noch eine | |
Menge Luft nach oben. | |
## Vage formulierte Kodizes | |
„Wir fordern ja eigentlich eine paritätische Besetzung, angefangen bei den | |
Vorständen der Unternehmen, an denen das Land beteiligt ist“, sagt sie. | |
Doch der Weg dahin sei noch viel steiniger, als sie sich das je vorgestellt | |
habe. Und ihrer Wahrnehmung nach [4][produziere die Pandemie da durchaus | |
eine Rolle rückwärts.] | |
Die Autor:innen der Studie plädieren vor allem für Verpflichtungen in | |
Form von „Public Corporate Governance Kodizes (PCGK)“, mit denen sich | |
beispielsweise eine Mindestbeteiligung von Frauen festschreiben lasse, aber | |
auch eine Verpflichtung dazu, Zielgrößen festzulegen und jährlich darüber | |
zu berichten, welche Fortschritte erzielt wurden. | |
Einige öffentliche Unternehmen haben solche Kodizes schon – sie sind aber | |
häufig zu vage formuliert. Auch Övermöhle-Mühlbach vom Landesfrauenrat | |
glaubt, dass es verbindliche Regelungen braucht: „Freiwilligkeit hilft | |
nicht, die Zeiten von Absichtserklärungen sind vorbei.“ | |
27 Jul 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.researchgate.net/publication/353451142_Frauen_in_Top-Management… | |
[2] /Forderungskatalog-Berliner-Erklaerung/!5777679 | |
[3] /Zu-wenig-Frauen-in-den-Parlamenten/!5744965 | |
[4] /Jutta-Allmendinger-ueber-Frauenpolitik/!5739224 | |
## AUTOREN | |
Nadine Conti | |
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