| # taz.de -- Zu wenig Frauen in den Parlamenten: Keine Sympathie für Parité | |
| > Das BVerfG sieht keine Pflicht, Wahllisten mit gleich vielen Frauen wie | |
| > Männern zu besetzen. Ob gesetzliche Vorgaben überhaupt möglich wären, ist | |
| > offen. | |
| Bild: Das Aktionsbündnis Parité forderte Wahllisten mit gleich vielen Frauen … | |
| Karlsruhe taz | Es gibt wohl keine Pflicht, für geschlechter-paritätische | |
| Wahllisten zu sorgen. Das ergibt sich aus einer am Dienstag | |
| veröffentlichten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Die | |
| RichterInnen lehnten die Beschwerde von zehn Frauen des „Aktionsbündnisses | |
| Parité“ gegen die letzte Bundestagswahl ab. Seit der Wahl von 2017 sind nur | |
| 30,7 Prozent aller Bundestagsabgeordneten weiblich. Nach der Wahl 2013 lag | |
| der Frauenanteil noch bei 36,3 Prozent. Grund für den Rückschlag war der | |
| Einzug der männerlastigen AfD in den Bundestag. | |
| Das Münchener Aktionsbündnis Parité um Anwältin Christa Weigl-Schneider | |
| fordert schon seit 2014, dass die Parteien bei der Kandidatenaufstellung | |
| gesetzlich [1][zur Parität verpflichtet werden sollen]. „Wenn wenig Frauen | |
| aufgestellt werden, werden auch nur wenig Frauen gewählt“, betont | |
| Weigl-Schneider. | |
| Tatsächlich lag bei der Bundestagswahl 2017 der Anteil der Frauen an den | |
| DirektkandidatInnen bei nur 25 Prozent. Und auch auf den jeweils ersten | |
| fünf Listenplätzen der Parteien waren nur 34,7 Prozent Frauen vertreten. | |
| Das Aktionsbündnis hält deshalb das geltende Wahlrecht, das keine | |
| Paritätsvorgaben macht, für verfassungswidrig. Zehn Frauen griffen das | |
| Ergebnis der Bundestagswahl sogar mit einer Wahlprüfungsbeschwerde an. Die | |
| Kasseler Rechtsprofessorin und Paritätsvordenkerin Silke Laskowski hat den | |
| Schriftsatz verfasst. | |
| Nun lehnte jedoch der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts die | |
| Wahlbeschwerde als „unzulässig“ ab. Laskowski habe sich nicht ausreichend | |
| mit den Rechtsproblemen auseinandergesetzt. Der Karlsruher Beschluss lässt | |
| zwar keinerlei Sympathie für Paritätsgesetze erkennen, schließt jedoch | |
| nicht alle Türen, da es formal nur um die mangelhafte Begründung der Klage | |
| ging. | |
| ## In den Ländern scheiterten Paritätsgesetze bisher | |
| Federführend war der Richter Peter Müller, ehemaliger CDU-Ministerpräsident | |
| des Saarlands. Die Entscheidung fiel jedoch einstimmig. Der Zweite Senat | |
| ist mit fünf Richterinnen und drei Richtern besetzt. | |
| Der Grundton des Beschlusses ist eindeutig. Die RichterInnen können im | |
| Demokratieprinzip keinen Auftrag erkennen, Parlamente möglichst hälftig mit | |
| Männern und Frauen zu beschicken. Abgeordnete seien „Vertreter des ganzen | |
| Volkes“ und nicht nur eines Wahlkreises oder einer Bevölkerungsgruppe. | |
| Deshalb müsse das Parlament kein verkleinertes Abbild des Wahlvolks sein – | |
| dies gelte auch für den Anteil von Männern und Frauen im Parlament. | |
| Auch aus dem Auftrag des Grundgesetzes zur „tatsächlichen Durchsetzung der | |
| Gleichberechtigung“ (Artikel 3) ergebe sich wohl nur eine Garantie der | |
| „Chancengleichheit“, nicht aber der „Ergebnisgleichheit“, so die | |
| RichterInnen. Jedenfalls müsse der Gesetzgeber immer auch andere | |
| Verfassungswerte im Blick haben. Konkret nennen die RichterInnen die | |
| Freiheit der Parteien, ihre KandidatInnen selbst auszuwählen, sowie die | |
| Freiheit von BewerberInnen, auf jedem Platz einer Landesliste kandidieren | |
| zu können. | |
| Die RichterInnen hielten auch die Zahlenvergleiche der Wahlbeschwerde für | |
| wenig überzeugend. Es genüge nicht, den Anteil weiblicher Abgeordneter und | |
| Kandidaten mit dem Frauenanteil in der Bevölkerung zu vergleichen. Zu | |
| berücksichtigen sei auch der niedrige Frauenanteil unter den | |
| Parteimitgliedern. Oft sei der Frauenanteil in einer Fraktion höher als | |
| unter den Mitgliedern der gleichen Partei. | |
| Die RichterInnen betonten, dass sie nicht über die Zulässigkeit von | |
| Paritätsgesetzen zu entscheiden hatten. Aus den Argumenten des Senats | |
| ergibt sich jedoch eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Karlsruhe ein | |
| Paritätsgesetz für Bundestagswahlen beanstanden würde. | |
| Bisher gab es in Deutschland in zwei Bundesländern Paritätsgesetze für | |
| Landtagswahlen: in [2][Thüringen] und in [3][Brandenburg]. In beiden | |
| Ländern haben die Landesverfassungsgerichte diese Gesetze voriges Jahr für | |
| nichtig erklärt. Nur nach einer Änderung der jeweiligen Landesverfassung | |
| könnten solche Paritätsgesetze zulässig sein. | |
| Christa Weigl-Schneider will sich aber weiter für Paritätsgesetze | |
| einsetzen. Sie hat voriges Jahr den bundesweiten Verein „Parité in den | |
| Parlamenten“ gegründet und ist dort auch Präsidentin. An ihrer Seite hat | |
| sie die Rechtsprofessorin Silke Laskowski als Vizepräsidentin. | |
| 2 Feb 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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