| # taz.de -- Paritätsgesetz in Brandenburg gekippt: Parité ade | |
| > In Brandenburg sollten die Wahllisten künftig geschlechtsquotiert sein. | |
| > Nun hat das Verfassungsgericht das Gesetz gekippt. | |
| Bild: Das „Abendland“ nun gerettet? Plenarsaal des Brandenburgischen Landta… | |
| Potsdam taz | Das Paritätsgesetz des Landes Brandenburg ist | |
| verfassungswidrig. Das Gesetz verlangte, dass auf Wahllisten gleich viele | |
| Männer und Frauen kandidieren. Das Brandenburger Verfassungsgericht sah | |
| darin nun aber eine Verletzung von Parteirechten und Wahlgrundsätzen. | |
| Möglich wäre ein derartiges Gesetz nur nach einer Verfassungsänderung. | |
| Der Brandenburger Landtag hat im Februar 2019 das erste deutsche | |
| [1][Paritätsgesetz beschlossen]. Danach mussten auf den Wahllisten zur | |
| Landtagswahl im Reißverschlussverfahren abwechselnd Männer und Frauen | |
| platziert werden. Personen des dritten Geschlechts konnten frei | |
| entscheiden, ob sie auf einem Männerplatz oder auf einem Frauenplatz | |
| kandidieren wollen. | |
| Gegen das Gesetz klagten die Brandenburger Landesverbände von [2][NPD, AfD | |
| und Piraten sowie vier AfD-Mitglieder.] Erfolgreich waren die Organklage | |
| der NPD und die Verfassungsbeschwerden der AfDler. Dagegen war die | |
| AfD-Organklage unzulässig, weil verspätet. Über die Organklage der Piraten | |
| wird später noch entschieden. | |
| Nach Auffassung der Brandenburger VerfassungsrichterInnen verstößt das | |
| Paritätsgesetz gleich mehrfach gegen die Brandenburger Landesverfassung und | |
| ist daher nichtig. Die RichterInnen sahen Rechte der Parteien, aber auch | |
| der WählerInnen verletzt. | |
| ## NPD und AfD-Mitglieder klagen erfolgreich | |
| „Es ist der Wesenskern des Demokratieprinzips, dass die Willensbildung im | |
| Staat von unten nach oben verläuft“, sagte Markus Möller, der Präsident des | |
| Verfassungsgerichts, bei der Urteilsverkündung in Potsdam. Dem widerspreche | |
| es, wenn der Staat den Parteien verbindliche Vorgaben für die Besetzung der | |
| Wahllisten mache. | |
| Es sei auch eine Frage der politischen Ausrichtung, ob eine Partei ihre | |
| Listen paritätisch mit Männern und Frauen besetzt oder nicht, so Möller. | |
| Wenn alle Parteien mit quotierten Wahllisten antreten müssen, verwische das | |
| die Unterschiede zwischen den Parteien. | |
| Das Paritätsgesetz benachteilige aber auch Parteien mit geringen | |
| Frauenanteilen, so die RichterInnen. Nur 12,3 Prozent der NPD-Mitglieder in | |
| Brandenburg sei weiblich. Die NPD müsste also eventuell Kandidatinnen | |
| vorschlagen, von denen sie gar nicht überzeugt ist. Oder sie könnte Männer, | |
| die sie für geeignet hält, nicht auf die Wahlliste setzen, weil zu wenige | |
| Frauen kandidieren wollen. | |
| Nach Ansicht der RichterInnen ist das Paritätsgesetz aber auch ein Eingriff | |
| in die Rechte der BürgerInnen, die auf Landeslisten der Parteien | |
| kandidieren wollen. Wegen des Reißverschlussprinzips seien Kandidaturen nur | |
| auf jedem zweiten Platz der Liste möglich. Dies schränke auch die | |
| Möglichkeiten von Frauen ein, so Richter Möller. Männer und Frauen seien | |
| zudem gegenüber Personen des dritten Geschlechts benachteiligt, weil diese | |
| auf allen Plätzen kandidieren könnten. | |
| ## Gesetz sei Eingriff in die Rechte der BürgerInnen | |
| Dass es solche Folgen für Parteien und BürgerInnen geben könnte, ist | |
| unbestritten. Entscheidende Frage für die VerfassungsrichterInnen war aber, | |
| ob sich diese Eingriffe verfassungsrechtlich rechtfertigen lassen. Und hier | |
| war die Antwort der RichterInnen ganz klar: Nein. | |
| In der Brandenburger Landesverfassung steht zwar, das Land sei | |
| verpflichtet, für die „Gleichstellung von Frau und Mann“ zu sorgen – unt… | |
| anderem „im öffentlichen Leben“. Diese Staatszielbestimmung genüge aber | |
| nicht als Rechtfertigung für grundlegende Änderungen im Wahlrecht. Solche | |
| „Modifizierungen“ des Demokratieprinzips müssten vielmehr per Änderung der | |
| Landesverfassung erfolgen, so die RichterInnen. | |
| Das Urteil der neun VerfassungsrichterInnen fiel einstimmig. Das heißt, | |
| auch die Schriftstellerin Juli Zeh und der Regisseur Andreas Dresen, die | |
| dem Gericht angehören, stimmten für die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes. | |
| Damit ist das Brandenburger Urteil für die BefürworterInnen von | |
| Paritätsgesetzen ein [3][noch größerer Rückschlag] als das [4][Urteil des | |
| Landesverfassungsgerichtshofs in Thüringen] im Juli, der das dortige | |
| Paritätsgesetz aus ähnlichen Gründen für verfassungswidrig erklärt hatte. | |
| Dort aber stimmten immerhin drei der neun RichterInnen dagegen und gaben | |
| somit ein Minderheitsvoten ab. | |
| ## Nur 32 Prozent Frauen im Brandenburger Landtag | |
| Das Brandenburger Paritätsgesetz tritt nun also ohne jede Anwendung außer | |
| Kraft. Eine Verfassungsänderung, die es erlauben würde, ein neues | |
| Paritätsgesetz zu beschließen, ist derzeit wohl aussichtslos. SPD, Linke | |
| und Grüne haben zusammen nur 45 von 88 Sitzen im Landtag, sind also weit | |
| von der erforderlichen Zweidrittelmehrheit entfernt. | |
| Aktuell beträgt der Frauenanteil im Potsdamer Landtag 32 Prozent. | |
| Allerdings hätte ihn auch das Paritätsgesetz bei der nächsten Wahl nicht | |
| sicher auf 50 Prozent gehoben, weil nur die Hälfte der Mandate über | |
| Wahllisten vergeben werden. Auf die Direktmandate, die in den Wahlkreisen | |
| vergeben werden, hätte das Paritätsgesetz keine Auswirkungen gehabt. | |
| Der Bundestag ist an die Urteile der Landesverfassungsgerichte nicht | |
| gebunden. Er könnte also mit geeigneten Mehrheiten einen neuen Anlauf | |
| unternehmen und hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht etwaige Klagen | |
| ablehnen würde. Doch auch darauf sollte niemand zu viel Hoffnungen | |
| verwenden. In der letzten Zeit sprach sich die frühere linke | |
| Verfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff vehement gegen Paritätsgesetze | |
| aus. | |
| Anhängig ist beim Bundesverfassungsgericht bereits eine | |
| Verfassungsbeschwerde von 15 Frauen und 5 Männern aus Thüringen. Die vom | |
| Thüringer Landesfrauenrat koordinierte Klage wendet sich gegen das Urteil | |
| des Thüringer Verfassungsgerichts. Hier könnten die Karlsruher RichterInnen | |
| bereits deutlich machen, wie sie zu Paritätsgesetzen stehen. | |
| 23 Oct 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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