| # taz.de -- Verhandlung über Paritätsgesetz: Feuerprobe für Gleichbehandlung | |
| > Die Anhörung der Potsdamer Verfassungsrichter zur Frauenquote offenbart: | |
| > Das Gesetz dürfte es auch in Brandenburg schwer haben. | |
| Bild: Der Frauenpolitische Rat hat eine eindeutige Meinung zu dem umstrittenen … | |
| Potsdam taz | Scheitert nach Thüringen nun auch in Brandenburg das | |
| Paritätsgesetz? Um diese große Frage drehte sich die Anhörung am | |
| Brandenburger Landesverfassungsgericht am Donnerstag. Gegen das Anfang 2019 | |
| von der damaligen rot-roten Landesregierung beschlossene Gesetz haben die | |
| rechtsextreme NPD und AfD Organklage eingereicht. | |
| Das [1][Brandenburger Paritégesetz ist bundesweit einmalig]. Anders als | |
| etwa in Frankreich gibt es in Deutschland nirgends sonst ein solches | |
| Gesetz. Seit Ende Juni formal in Kraft, verpflichtet es die Parteien ab der | |
| Landtagswahl 2024 dazu, gleich viele Männer und Frauen für ihre Wahllisten | |
| im Reißverschlussverfahren aufzustellen. Für Direktkandidaturen gilt sie | |
| zwar nicht, gleichwohl gilt das Potsdamer Gesetz als Leuchtturmprojekt der | |
| Gleichstellung. | |
| Zumal Mitte Juli erst ein ähnliches Gleichstellungsgesetz in Thüringen vom | |
| dortigen Landesverfassungsgericht [2][nach einer Klage der AfD gekippt | |
| worden war]. Allerdings fiel die Entscheidung mit sechs zu drei Stimmen | |
| nicht einstimmig, weshalb die Befürworter des Gesetzes eine realistische | |
| Chance sehen, dass das Votum der Brandenburger Richter anders ausfallen | |
| könnte – und sie das Paritätsgesetz mehrheitlich für verfassungsgemäß | |
| erklären. | |
| Sie argumentierten auch damit, dass sich die Verfassungen von Thüringen und | |
| Brandenburg unterscheiden. Während in der Thüringer Landesverfassung in | |
| Artikel 2, Absatz 2 lediglich von „geeigneten Maßnahmen“ zur Förderung und | |
| Sicherung der Gleichstellung die Rede ist, wird der Brandenburger | |
| Gleichheits-Artikel 12 konkreter: Er verlangt „wirksame Maßnahmen“. | |
| ## Gesetzgeber mit Gestaltungsaufgabe | |
| In der mündlichen Verhandlung am Donnerstag befassten sich die | |
| Verfassungsrichter mit den Klagen von NPD und AfD sowie den | |
| Verfassungsbeschwerden einiger AfD-Abgeordneter, darunter der inzwischen | |
| aus seiner Partei geworfene Andreas Kalbitz. „Das Gesetz legt die Axt an | |
| zentrale Wahlgrundsätze“, sagte etwa der Prozessbevollmächtigte der NPD. | |
| Die Gegner sehen in der Quote vor allem die Parteienfreiheit beschränkt | |
| sowie, dass es gegen das Verbot der Ungleichbehandlung verstoße. „Es spielt | |
| überhaupt keine Rolle, ob ein Mann oder eine Frau antritt“, sagte der | |
| AfD-Vertreter. Geschlechterparität könne nicht von oben herab verordnet | |
| werden | |
| Die Paritätsgesetz-Befürworter hingegen betonten, dass der Gesetzgeber sehr | |
| wohl Gestaltungsaufgabe habe, das Wahlgesetz so gestalten, um Grundsätze | |
| wie Gleichheit zu erreichen. „Parteien sind keine Privatvereine“, sagte | |
| Jelena von Achenbach, die Bevollmächtigte der Parité-Verteidiger. Sei seien | |
| qua Verfassung zur Gleichberechtigung verpflichtet. Daher diene das Gesetz | |
| der „tatsächlichen Gleichberechtigung von Mann und Frau“. Auch | |
| Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke verteidigte die Quote als | |
| „demokratisches Gebot“. | |
| Die Richter ließen in der Anhörung bis zum Mittag zunächst keine klare | |
| Tendenz erkennen, wie ihre Entscheidung ausfallen könnte. Allerdings wies | |
| der Vorsitzende Richter Markus Möller Teile der Verfassungsbeschwerde aus | |
| formalen Gründen zurück. Auch zum Gegenstand des AfD-Antrags, die mit einer | |
| möglichen Kompetenzüberschreitung des Landtags gegenüber den Parteien | |
| argumentiert, äußerte Möller „Bedenken“. | |
| ## Wahlrecht veränderbar | |
| Im Laufe des Nachmittags wurde dann mehr spürbar, dass die | |
| Pari-Pari-Regelung im Wahlgesetz es auch im Brandenburg schwer haben | |
| dürfte, vor dem Gericht Bestand zu haben. An manchen Stellen hakten die | |
| Richter sehr stark nach, bei den Befürwortern um von Achenbach. | |
| Knackpunkt war dabei die Frage, ob der Gleichstellungsauftrag in Artikel 12 | |
| tatsächlich so weit auszulegen ist, dass er eine derart einschneidende | |
| Wahlrechtsänderung durch den Gesetzgeber erlaubt. „Wir hegen da Zweifel“, | |
| sagte Richter Möller – wohingegen das Parité-Lager dies bejahte. Von | |
| Achenbach erwiderte dazu, dass das Wahlrecht ebenso änderbar sei wie auch | |
| das Steuerrecht. | |
| Vor Beginn der Verhandlung hielt der Frauenpolitische Rat eine kleine Demo | |
| vor dem Gerichtsgebäude ab. Auch ein Bündnis verschiedener | |
| Landespolitikerinnen von CDU, Linken, Grünen, SPD und Freien Wählern | |
| trommelte zuletzt für das Gesetz: „Wir brauchen mehr Frauen, die in | |
| Parlamenten mitentscheiden“, erklärten sie. Sie setzten auf ein | |
| „progressives Urteil des Gerichts“ und hofften auf eine „ernsthafte | |
| Abwägung von Wahlrechtsgrundsätzen und Gleichstellungsauftrag“. Die frühere | |
| Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) äußerte ebenfalls ihre Hoffnung, | |
| dass das Gesetz Bestand haben wird. | |
| Als das Gesetz vor anderthalb Jahren verabschiedet wurde, lag der Anteil | |
| der weiblichen Abgeordneten im Potsdamer Landtag bei knapp 39 Prozent. In | |
| der seit November 2019 laufenden Legislaturperiode ist dieser Wert nochmal | |
| gesunken: Seither sind nur 30 der 88 Abgeordneten Frauen – 34 Prozent. | |
| Hätte die Regelung schon damals gegolten, läge der Anteil bei über 40 | |
| Prozent. | |
| Am Ende der Anhörung erklärten die Potsdamer Richter, ihr Urteil am 23. | |
| Oktober verkünden zu wollen. Sollte auch in Brandenburg das Paritätsgesetz | |
| scheitern, will die Gleichstellungsbeauftragte des Landes das nicht so | |
| hinnehmen. Dann „werden wir uns weitere Schritte überlegen“, sagte Manuela | |
| Dörnenburg. Denkbar sei, dass die aktuelle Landesregierung aus SPD, CDU und | |
| Grünen dann vor das Bundesverfassungsgericht ziehen wird. So wie in | |
| Thüringen, wo laut MDR mehrere Bürger, darunter der | |
| SPD-Bundestagsabgeordnete Carsten Schneider, jüngst Beschwerde gegen das | |
| Weimarer Urteil eingelegt haben. | |
| 20 Aug 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Daniel Godeck | |
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