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# taz.de -- Parität in Bremer Bürgerschaft: Reform mit hohen Hürden
> Die Koalition möchte mehr Frauen im Parlament. Ein Gutachten soll nun
> ausloten, ob und wie ein Paritätsgesetz juristisch möglich wäre.
Bild: Die Vertretung des Volkes? Bremische Bürgerschaft konstituiert sich nach…
Bremen taz | Das Ziel der drei Regierungsfraktionen ist
„Geschlechterparität im Parlament“. So steht es im Koalitionsvertrag von
SPD, Grünen und Linken. Jetzt haben die Fraktionen zusammen einen
Bürgerschafts-Antrag eingebracht, der das Vorhaben ins Rollen bringen soll
– aber langsam. Der Bürgerschaftspräsident solle erst einmal ein „externes
Rechtsgutachten“ in Auftrag geben, das die Umsetzungsmöglichkeiten einer
Paritätsregelung im Bremischen Wahlgesetz auslotet. So steht es im Antrag.
Die Vorsicht ist mit Blick auf das Scheitern der Paritätsgesetze in
Brandenburg und Thüringen zu erklären: Gerichte hatten diese im letzten
Jahr kassiert. Der Thüringer Landtag hatte 2019 die Quotierung der
Landeslisten beschlossen.
Dies schränke aber das gesetzlich verankerte passive Wahlrecht sowie die
Freiheit der Parteien ein, ihre Listen aufzustellen, [1][sagten die sechs
Richter des Thüringer Verfassungsgerichtshofs], die das Gesetz gegen drei
Stimmen ihrer Kolleg*innen kippten. Die [2][Brandenburger
Richter*innen] folgten der Entscheidung.
Jüngst [3][stellte zudem das Bundesverfassungsgericht fest], dass es keine
Pflicht gebe, für geschlechterparitätische Wahllisten zu sorgen. Aus dem
Demokratieprinzip lasse sich nicht ableiten, dass Parlamente mit gleich
vielen Männern und Frauen besetzt sein müssten, so die
Verfassungsrichter*innen letzte Woche. Aus Artikel drei des
Grundgesetzes zur Gleichberechtigung ergebe sich außerdem keine Garantie
auf „Ergebnisgleichheit“, sondern auf „Chancengleichheit“.
[4][Gegner*innen der Urteile] sagen, dass der Gleichstellungsgrundsatz
bei den Entscheidungen nicht genug gewichtet worden wäre. Juristischer
Tenor ist aber, dass diese Gesetze nur mit einer Verankerung des
Paritätsprinzips in der jeweiligen Landesverfassung oder im Grundgesetzes
realisierbar sind. Allerdings braucht es dafür Zweidrittel-Mehrheiten.
Bremen will sich dem Thema nun mit Bedacht annehmen. Dabei steht das Land
im Bundesvergleich nicht schlecht da: Mit 37 Prozent Frauenanteil in der
Bürgerschaft steht man hinter Hamburg auf Platz zwei. Schlusslicht ist
Sachsen-Anhalt mit gerade mal 21 Prozent. Seit der letzten Bundestagswahl
ist auch im Bundestag die Quote auf 31 Prozent gesackt.
„Wir müssen deutlich mehr Frauen in die Parlamente bekommen“, sagt Antje
Grotheer, Sprecherin für Gleichstellung der Bremer SPD-Fraktion. „Die
Perspektive von Frauen ist manchmal anders als die von Männern“, das müsse
sich im Parlament abbilden. Auch, weil dieses die Bevölkerung
„repräsentativ abbilden“ sollte, ergänzt Maja Tegeler, Sprecherin der
Linksfraktion.
Bei den Linken wird in dieser Legislaturperiode sichtbar, dass selbst mit
paritätisch besetzten Landelisten eine entsprechende Besetzung des
Parlaments nicht gegeben sein muss: Weil zwei der Abgeordneten Senatorinnen
wurden, ist die Fraktion weit weg von einem Frauenanteil von 50 Prozent.
Nachgerückt waren nämlich Männer.
Um sicher zu gehen, dass einem ein Paritätsgesetz nicht wie in Thüringen
und Brandenburg um die Ohren fliegt, habe man sich entschieden, das
Gutachten in Auftrag zu geben. Es soll prüfen, ob und wie ein
Paritätsgesetz mit der Landesverfassung und dem Grundgesetz vereinbar wäre.
Also mit der Freiheit der Parteien, ihre Listen aufzustellen, erklärt
Grotheer, die Juristin ist, und mit dem Demokratieprinzip.
Wenn es verfassungsrechtliche Bedenken gibt, [5][heißt es in dem Antrag],
solle auch geprüft werden, welche Änderungen in der Landesverfassung für
ein Paritätsgesetz notwendig wären. Und wenn ein Gesetz kommen sollte,
müsse es dem Staatsgerichtshof zur Prüfung vorgelegt werden. Dieses würde
am Ende nicht nur für den Landtag, sondern auch für die Stadtbürgerschaft,
die Beiräte und die Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven gelten.
Eine Bremer Besonderheit ist auch in diesem Kontext das Wahlgesetz. Egal,
wie paritätisch Wahllisten aufgestellt sind, „kann das Wahlergebnis immer
anders aussehen“, sagt Grotheer. Denn durch die Stimmen, die Bremer
Wähler*innen auf ihre Lieblingskandidat*innen verteilen können,
können sie die Reihenfolge auf den Listen durcheinander bringen.
## Landesverfassung macht Hoffnung
Es müsse also „sorgfältig geprüft werden, ob man zum Listenwahlsystem
zurück gehen muss“, sagt Grotheer. Teil des Gutachtens sei daher,
herauszufinden, was eine Paritätsregelung für das Wahlrecht genau bedeuten
würde, so Grotheer. „Und dann müssen wir politisch prüfen, ob wir das
wollen.“ Der SPDlerin ist wichtig, dass „wir das öffentlich breit
diskutieren“.
Eine zweite Besonderheit in Bremen sei der „sehr starke Auftrag zur
Gleichstellung in der Verfassung“, sagt Grotheer. Dort wird das Land
[6][„verpflichtet, für die gleichberechtigte Teilhabe der Geschlechter in
Staat und Gesellschaft durch wirksame Maßnahmen zu sorgen“]. Zum Vergleich:
[7][Im Grundgesetz] steht, dass der Staat die Durchsetzung der
Gleichberechtigung „fördern“ soll. Aber [8][in Thüringen], wo das Gesetz
kassiert worden war, ist die Formulierung ähnlich stark wie die Bremer.
Die CDU-Fraktion sieht nach den bisherigen Urteilen „keinen
verfassungskonformen Weg“ für ein solches Gesetz, sagt
Landesgeschäftsführer Heiko Strohmann. Aber auch ohne so ein Gesetz
beabsichtige man, „eine paritätische Liste für die kommenden Bundestags-
und Bürgerschaftswahlen aufzustellen“. Der Landesvorstand bilde die Parität
bereits ab.
Der Bremer Antrag muss nun erst einmal angenommen werden. Ein Gutachten, so
schätzt Grotheer, dauere dann etwa ein Vierteljahr – sofern sich schnell
ein*e Gutachter*in findet. Ob eine etwaige Neuregelung schon zur
nächsten Wahl im Jahr 2023 gelten könnte, sei fraglich.
10 Feb 2021
## LINKS
[1] /Gericht-kippt-Thueringer-Paritaetsgesetz/!5700928
[2] /Verhandlung-ueber-Paritaetsgesetz/!5708832
[3] /Zu-wenig-Frauen-in-den-Parlamenten/!5744965
[4] /Juristin-Maria-Wersig-ueber-Paritaet/!5720616
[5] https://www.bremische-buergerschaft.de/drs_abo/2021-02-05_Drs-20-809_90c5b.…
[6] https://www.bremische-buergerschaft.de/fileadmin/user_upload/Informationsma…
[7] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html
[8] https://www.thueringer-landtag.de/fileadmin/Redaktion/1-Hauptmenue/6-Servic…
## AUTOREN
Alina Götz
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