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# taz.de -- Sci-Fi-Actionfilm „Black Widow“: Rache statt Weltrettung
> Der Film über zwei Schwestern soll eine Ehrung der im Marvel Cinematic
> Universe oft übergangenen weiblichen Figur sein.
Bild: Wer ist hier die kleine Schwester? Scarlett Johansson und Florence Pugh a…
Irgendwas ist anders, wenn man über die Superhelden-Filme aus dem Hause
Marvel sprechen möchte. Sie einzeln zu betrachten im Stil von „spannendes
Action-Drama, das Spaß macht“ geht nur noch als onkelhafte Parodie. Um den
jeweiligen Film einordnen zu können in das sich aufblähende [1][„Marvel
Cinematic Universe“ (MCU)], ist jedoch mittlerweile eine derartige
Einarbeitung vonnöten, dass man Gefahr läuft, nur noch Kontext zu erklären,
während man in jedem gefälligen Selbstzitat eine tiefere Bedeutung wittert.
Gleich mehrfach wird in „Black Widow“, dem 24. Kinofilm des MCU, die von
Scarlett Johansson gespielte Titelfigur auf ihre „neuen Freunde“, die
[2][„Avengers“,] angesprochen. Aber nur an zwei Stellen lohnt es, über den
Verweis tatsächlich nachzudenken. Mit der spöttischen Bemerkung darüber,
dass der „Gott aus dem All“ wohl kaum Ibuprofen einwerfen müsse nach einem
Kampf, stellt die kleine Schwester von Natasha Romanoff – so der
„bürgerliche“ Name der Heldin – nicht weniger als deren „Integration im
Westen“ in Frage.
Und dann äfft die von Florence Pugh mit echtem Kleine-Schwester-Trotz
gespielte Yelena auch noch die „typische Handbewegung“ der Black Widow
nach, jenes spinnenhafte Posieren mit vier Gließmaßen und dem aufreizenden
Erheben des Kopfs dazu. Es ist fast eine Majestätsbeleidigung.
Die Darstellung der Schwesternbeziehung bildet einen der Höhepunkte des
Films, auch wenn damit zugleich eines seiner größten Nachteile verbunden
ist: Yelena, die hier sichtlich als zukünftiges MCU-Ensemble-Mitglied
vorgestellt wird, bekommt so viel zu tun, dass Natasha in ihrer eigenen
„origin story“ zur Nebenfigur wird.
## Ein Filmbastard
Was umso bitterer ist, da ihr weitere Sequels ja versagt sind, weil sie
sich in „Avengers: Endgame“ zum Wohl der Weltrettung und Jeremy Renners
„Hawkeye“ geopfert hat. Anders als den Fans versprochen, handelt es sich
bei „Black Widow“ weniger um die lang fällige Ehrung einer der im MCU
ohnehin zu oft übergangenen weiblichen Figuren, sondern um eine
unentschieden zwischen Prequel, Spin-off und Hommage hin und her
schwankenden Film-Bastard.
Eine gewisse Frankenstein-haftigkeit gehörte zwar schon immer zum Genre,
„Black Widow“ setzt diesbezüglich aber neue Maßstäbe: Diverse
Spionage-Serien und Paranoia-Thriller aus Film und Fernsehen werden hier
dem Marvel-Treatment unterzogen, um ein nie ganz kohärentes Ganzes zu
ergeben. Die laut Einblendung 1995, laut Kostümierung aber noch zu Zeiten
des Kalten Kriegs spielende Eröffnungssequenz erscheint als plumpe
Imitation der Serie „The Americans“.
David Harbour und Rachel Weisz spielen ein undercover lebendes
Russen-Ehepaar in Ohio, das eines Tages das in der Garage versteckte
Flugzeug starten muss, um mit seinen zwei kleinen Töchtern Natasha und
Yelena schnell nach Kuba zu entfliehen. Im Transit stellt sich dann, oh
Schreck, heraus, dass sie gar keine echte Familie sind, sondern für den Job
„gecastet“ wurden! Eine kurze Einblendung von Ray Winstone als Bösewicht
Dreykov genügt, um deutlich zu machen, dass für die kleinen Mädchen da das
Trauma erst beginnt.
Die Handlung setzt gut zwei Jahrzehnte später ein – was immer sich in
„Captain America: Civil War“ abgespielt hat, ist gerade vorbei – und füh…
die beiden nun von Johansson und Pugh gespielten Schwestern und dann die
ganze „Familie“ wieder zusammen. Fast originell erscheint, dass es weniger
um die Rettung der Welt geht, sondern dieses eine Mal tatsächlich um einen
Akt der Rache: Natasha und Yelena wollen Dreykov endlich bluten sehen.
## Geschwisterkonkurrenz und Verlustängste
Überhaupt zeichnet sich „Black Widow“ dadurch aus, dass der Plot echtes
Potenzial für ein mitreißendes Drama hätte, das von Geschwisterkonkurrenz,
Verlustängsten und schwierigen Vater-Töchter- bzw.
Mutter-Töchter-Beziehungen handelt. Leider findet der Film dafür nie die
Zeit, weil schon wieder die nächste Actionsequenz folgen muss, und zwischen
dem Schlagen, Ballern und In-die-Luft-Gehen allenfalls Platz für smarte
One-Liner bleibt.
Regisseurin Cate Shortland versucht zwar mit Nahaufnahmen und sprunghafter
Montage ein bisschen Arthouse-Reality-Feeling zu setzen, aber das nötige
CGI macht ihr immer wieder einen Strich durch die Rechnung.
Dass die russischen Figuren in der Originalfassung meistens Englisch mit
erfundenem Akzent sprechen, kommt als ausgesprochen altbackene Entscheidung
daher. Wie überhaupt die von Harbour und Weisz gespielten Figuren in ihrer
Grobschlächtigkeit und Roboterhaftigkeit etwas plump die Kinotradition des
Kalten Kriegs aufgreifen, wo man sich den Sowjetmenschen stets als
gefühlskalt, fremdgesteuert und gehirngewaschen vorstellte.
Dabei gäbe es da so eine interessante Möglichkeit der Erweiterung auch
jenseits der ewigen Oligarchen-Bösewichte: das MCU aus Sicht des
postsozialistischen Osteuropa, wo die Helden von gestern für neue Zwecke
kannibalisiert werden.
6 Jul 2021
## LINKS
[1] https://www.marvel.com/movies
[2] /Superhelden-in-Avengers-Infinity-War/!5501225
## AUTOREN
Barbara Schweizerhof
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