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# taz.de -- Neuer Film von Woody Allen: Ein alternder Egomane
> Woody Allen hat sich für seinen Film „Rifkin’s Festival“ nach Spanien
> begeben. Von der Realität hat er sich weitgehend ferngehalten.
Bild: Allens Bildkomposition: Diagonale vom kleinen Alten über die hübsche Fr…
Im Mai dieses Jahres präsentierte ein Autor der Sci-Fi-Serie „Stargate“ ein
paar Szenen eines Drehbuchs, das er von einer KI hatte schreiben lassen.
Der Cast der Serie, der bei einer Drehbuchlesung die Ausschnitte gemeinsam
vortrug, zeigte sich erstaunt, wie überzeugend das ohne menschliches Zutun
entstandene Werk zumindest in Teilen wirkte. Vor allem die Regieanweisungen
klangen plausibel: „Samantha duckt sich zur Seite, um dem Schlag der
Kreatur auszuweichen.“ Gefüttert hatte der Autor den Computer zuvor mit
generischen Beschreibungen und jeder Menge „Stargate“-Episoden, der
Software war Semantik beigebracht worden.
Den neuen Film des Regisseurs Woody Allen hat keine Software ausgespuckt:
Der mittlerweile 86-Jährige versteht das Filmemachen als Handwerk. In einem
länglichen, von absurden technischen Ausfällen und spanischen
Hundekommandos unterbrochenen Interview mit Alec Baldwin, das die beiden
letzte Woche live auf Instagram führten [1][und in dem mit keinem Wort die
von seiner Adoptivtochter erhobenen, in einer aktuellen
Netflix-Dokumentation wiederholten Missbrauchsvorwürfe erwähnt werden,]
erzählt ein wie immer missmutig wirkender Allen von seiner Genese als
Autor. Er redet von der Funktion von Charakteren und Narrativen und davon,
dass er selbst früher eher instinktiv an das Schreiben heranging.
Allens 49. Film, „Rifkin’s Festival“, wirkt dennoch stellenweise, als habe
man einen Computer mit Woody-Allen-Zutaten gefüttert: Man nehme Allens
Alter Ego (einen älteren, kleinwüchsigen, verschrobenen US-amerikanischen
Protagonisten), ein bis zwei normativ hübsche, viel jüngere Frauen, die als
Love Interest fungieren, eine malerische europäische Stadtkulisse, seichte
Jazzmusik, ein paar One-Liner und eine Sehnsucht nach der Vergangenheit,
setze alles im Dialog-Punchline-Schnitt-Rhythmus zusammen und beleuchte es
mit warmem Sonnenlicht. Heraus kommt die Geschichte um den
Möchtegern-Romanautor Mort (Wallace Shawn), der mit seiner Frau Sue (Gina
Gershon), einer schönen Presseagentin, das Filmfestival von San Sebastián
besucht.
Dort muss er miterleben, wie Sue sich intensiv um den gutaussehenden
französischen Regisseur Philippe (Louis Farrel) kümmert, während er sich in
eine attraktive, über 30 Jahre jüngere Ärztin (Elena Anaya) verguckt, die
seine tollpatschigen Annäherungsversuche zunächst erfreut akzeptiert. Mort,
der als ehemaliger Filmdozent von der Qualität der „alten“ Filme überzeugt
ist und Philippes gefeiertes Werk ablehnt, tagträumt sich in Klassiker des
europäischen Kinos: Er radelt mit Philippe und Sue in einer „Jules et
Jim“-Ménage à trois durch Frankreich, lässt beide Frauen auf Schwedisch in
Großaufnahme Ingmar-Bergmann-Beziehungsgespräche führen und sieht sich bei
einem „Würgeengel“-Abendessen außer Stande, den Raum zu verlassen.
Woody Allen wiederholt damit thematisch viele seiner früheren Werke: Ein
alternder Mann, dessen Lebenskraft einerseits durch die Aufmerksamkeit
einer jüngeren, attraktiven Frau, andererseits durch die Auseinandersetzung
mit seinem künstlerischen Selbst angefacht wird, hadert mit sich selbst.
Man kann das als konsequent bezeichnen, und auch in „Rifkin’s Festival“
lässt sich der klassische, fahrige Allen-Humor ausmachen: Wenn Sue ihren
Mann etwa mit zu einem Livekonzert in einer verrauchten Kaschemme schleppt,
in der Philippe sich wie ein Beatnik mit vor Leidenschaft geschlossenen
Augen an den Bongos auslässt, ist das durchaus komisch.
Dennoch bleibt ein permanenter fahler Beigeschmack. So ist das Tempo des
Films viel zu niedrig, Empathie mit dem jammernden, von Shawn mit etwas zu
viel Druck gespielten, teils übergriffigen Protagonisten mag sich kaum
einstellen. Zudem scheint Allen seine von ihm selbst in Jahrzehnten
etablierten Klischees (Mann geifert junger Frau hinterher, die freut sich
über das Interesse, zwischendurch Gespräche in Hotelzimmern) schlichtweg
nur noch zu nutzen, anstatt sie zu brechen, als ob es reichen würde, etwas
sexistisch zu nennen, um den Vorwurf zu entkräften. Und man fragt sich, ob
den Regisseur nicht auch mal andere Dilemmas, andere Probleme beschäftigen
könnten als das Altern und der dadurch entstehende egomanische
Selbstzweifel.
„Heute wird jeder Film, der sich mit der Realität auseinandersetzt, von den
Kritikern hochgelobt“, erwidert Philippe auf Morts Frage, wieso Philippes
Film so gut ankommt. Allen scheint die Rezeption seines Films, der sich
nicht mit der Realität auseinandersetzt, damit trotzig zu antizipieren:
„Rifkin’s Festival“ sei die „Kopie einer Kopie einer Kopie“, hieß es…
einer von vielen unzufriedenen Kritiken. Im Vorspann ist zwar das 1931
entstandene Jazzstandard „Wrap Your Troubles in Dreams (And Dream Your
Troubles Away)“ zu hören. Aber die Traumfabrik ist eben nicht mehr nur zum
Träumen da.
6 Jul 2022
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[1] /Missbrauchsvorwuerfe-gegen-Woody-Allen/!5670005
## AUTOREN
Jenni Zylka
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