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# taz.de -- Elektroschocker für Hamburgs Polizei: Mehr Taser, mehr Gewalt
> Hamburgs Polizei will mit Elektroschockern aufrüsten, damit sie seltener
> schießen. Kritiker fürchten, dass die Gewaltschwelle sinkt.
Bild: Unter Hochspannung: Ein Polizist in Nordrheim-Westaflen demostriert die F…
hamburg taz | Dass Taser nicht zwangsläufig Leben retten, hat sich gerade
erst vor zwei Wochen gezeigt: [1][Ein Hamburger Polizist erschoss Omar],
einen Palästinenser, der aus dem Libanon geflohen war. Sowohl die
Streifenpolizei als auch ein Spezialeinsatzkommando (SEK) waren vor Ort.
Sie haben nach eigener Darstellung zuerst Pfefferspray und dann das
erwähnte „Distanz-Elektroimpulsgerät“ (DEIG) gegen ihn eingesetzt – jed…
ohne Erfolg.
Auf den ersten Blick schienen die Voraussetzungen für den
Elektroschocker-Einsatz perfekt zu sein: [2][Mehr als zehn Beamt*innen
waren vor Ort.] Omar war allein und trug keine Schusswaffe bei sich. Ob er
überhaupt bewaffnet war, ist umstritten. Warum der Taser nicht wirkte, ist
unklar. Schließlich töteten Polizisten Omar mit sieben Schüssen.
Jetzt will die Polizei auf eben das Gerät setzen, das vor Kurzem noch
versagte. Anders als noch vor drei Jahren angedacht, sollen jedoch nicht
sämtliche Streifenpolizisten mit Tasern ausgestattet werden, sondern nur
eine weitere Spezialeinheit neben dem SEK, wie Polizeipräsident Ralf Martin
Meyer im Hamburger Abendblatt ankündigte.
Die Elektroschockwaffe soll Angreifer handlungsunfähig machen, indem sie
ihnen Stromschläge versetzt. Einher gehen damit meist starke Schmerzen. In
einem Positionspapier warnt Amnesty International vor Taser-Einsätzen: Die
Risiken seien „trotz und wegen ihrer Einordnung als ‚nicht-tödliche‘ Waf…
sehr hoch“ und würden unterschätzt. Taser könnten schwere Verletzungen
hervorrufen und sogar zum Tod führen.
## Gefährlich für psychisch Erkrankte
Besonders gefährlich seien sie für Menschen mit Herz-Kreislauf-Problemen
oder psychischen Erkrankungen. Auch Drogenkonsum vergrößere das
Verletzungsrisiko. Die Menschenrechtsorganisation fordert daher, dass die
Waffe ausschließlich von Spezialeinheiten und im Distanzmodus verwendet
werden solle.
In den USA gehört der Taser zur Grundausstattung der Polizei. Zwischen
2000 und 2018 registrierte die Nachrichtenagentur Reuters dort 1.081
Todesfälle nach Einsatz von Tasern durch die Polizei.
Trotzdem fordert die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) Taser schon
lange. Diese könnten ergänzend zum Pfefferspray verwendet werden und würden
so den Schusswaffengebrauch verringern. „Ziel muss es sein, den Taser zum
Teil der persönlichen Ausstattung zu machen“, sagte Thomas Jungfer, der
Landesvorsitzende der DPolG, dem Abendblatt.
Mit Tasern soll bis November nun die sogenannte Unterstützungsstreife für
erschwerte Einsatzlagen (USE) neu ausgerüstet werden. Die USE nehme
Einsätze des Streifendienstes wahr, in denen „von Rechtsbrechern besondere
Gewalt gegen Bürger oder die Polizei ausgeübt wird“, sagte eine Sprecherin
der Polizei der taz. Die USE befinde sich selbst noch in der Pilotphase.
Ihre Einsatzkräfte seien mit Schusswaffen und Pfefferspray ausgestattet.
Zusätzlich trügen sie „Ausrüstung für Terrorlagen“ mit sich. Ziel sei v…
allem eine Erweiterung der Einsatzmittel unterhalb des
Schusswaffengebrauchs.
Laut Sina Imhof, der innenpolitischen Sprecherin der Grünen Hamburg, wird
die USE erst evaluiert, bevor sie mit Tasern ausgestattet werde. Sollten
bei der Bewertung Einsatzlagen vorgelegen haben, die durch Taser
rückblickend „anders gehandhabt worden wären“, würden der Einheit die
Elektroschocker zur Verfügung gestellt. Jedes Einsatzmittel berge Vor- und
Nachteile, sagt Imhof. Ein flächendeckender Einsatz von Tasern sei nicht
vorgesehen.
## Gefahr des „uferlosen“ Einsatzes
Thomas Wüppesahl, Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer
Polizist*innen, befürchtet dagegen sehr wohl einen großflächigen Einsatz
der Waffen: Die täglichen Einsätze der USE lägen bereits im zweistelligen
Bereich. Er vermutet, dass die Spezialeinheiten künftig flächendeckend
tätig werden. Das sei bereits Stand der Entwicklung und der Grund, warum
die USE überhaupt mit Tasern ausgestattet würden.
Wüppesahls Meinung nach sollten die Elektroschockpistolen am besten gar
nicht eingesetzt werden: Er bezweifelt, dass sie den Schusswaffengebrauch
verringern werden. Schon Pfefferspray werde oftmals uferlos verwendet und
manchmal auch an den gesetzlichen Regelungen vorbei.
Rafael Behr, Professor für Polizeiwissenschaften an der Hamburger
Polizeiakademie, hat die Berichterstattung über die Erschießung Omars in
der taz begleitet. Zu Tasern äußert er sich kritisch: Er befürchtet, dass
sich die Einsatzhemmschwelle der Polizist*innen senken werde, sollten
sich Taser durchsetzen. „Taser würden dann wahrscheinlich eben nicht die
Schusswaffe ersetzen, sondern bei harmloseren Situationen verwendet, zum
Beispiel als Ersatz für das Pfefferspray“, sagt Behr. Das könne also ein
Mehr statt eines Wenigers an Gewalt bedeuten. Damit würde genau das
Gegenteil von dem erreicht, was Taser laut Polizeiführung und Gewerkschaft
versprechen.
12 Jun 2021
## LINKS
[1] /Hamburger-Polizei-erschiesst-Libanesen/!5771680
[2] /Tod-nach-Polizeischuessen-in-Hamburg/!5773096
## AUTOREN
Lukas Door
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