# taz.de -- Studie zur Demokratie in der Polizei: Lieber nicht genau hinsehen | |
> Wissenschaftler:innen wollen herausfinden, wie es Hamburger | |
> Polizist:innen mit der Demokratie halten. Das passt den | |
> Gewerkschaften nicht. | |
Bild: Eine ihrer Studien wird von den Gewerkschaften abgelehnt: Hamburger Poliz… | |
HAMBURG taz | Akademische Forschung sei wichtig, auch über ihre | |
Kolleg:innen – das betonen Hamburgs Polizeigewerkschaften. Und doch | |
stößt das rasch an Grenzen: Wenn etwa Forscher:innen der Hochschule in | |
der Akademie der Polizei Hamburg und der Polizeiakademie Niedersachsen | |
Erkenntnisse darüber erhalten wollen, wie ausgeprägt demokratische | |
Ansichten innerhalb der Polizei sind. Gegen die Umsetzung eines | |
entsprechenden Projekts nämlich stellen sich nun [1][eben diese | |
Gewerkschaften]: Der benutzte Fragebogen sei „inakzeptabel“, finden sie, | |
die kritisierten Wissenschaftler:innen widersprechen. | |
Seit 2019 schon ist [2][das Projekt „Demokratiebezogene Einstellungen und | |
Werthaltungen innerhalb der Polizei Hamburg“ (DeWePol)] in Vorbereitung. | |
Laut den Wissenschaftler:innen um die [3][Kriminologieprofessorin Eva | |
Groß] gibt es aber nicht nur ihrerseits ein Interesse, die Einstellungen | |
unter Polizist:innen auszuleuchten. Auch die Hamburger Polizei selbst | |
strebe proaktiv eine Studie an. | |
Die soll zu wichtigen Erkenntnissen für die Weiterentwicklung der Aus- und | |
Fortbildung der Hamburger Polizei und des Studiums an der Fachhochschule | |
führen. Spätestens Mit den [4][„Black Lives Matter“-Protesten] 2020 sei d… | |
Erforschung der demokratischen Einstellung von Polizist:innen auch | |
gesellschaftlich als notwendig erachtet worden. | |
Das Forschungsteam legte nun den Fragebogen, den teilnehmende Hamburger | |
Polizist:innen ausfüllen können, dem Personalrat vor – und dieser | |
lehnte das Papier ab. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bund Deutscher | |
Kriminalbeamter (BDK) und Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG), selbst in | |
dem Gremium vertreten, unterstützen dessen Nein umgehend öffentlich. | |
## Beamte könnten sich strafrechtlich belasten | |
Sie kritisieren etwa, dass keine Einschätzung des Datenschutzkonzeptes | |
durch externe Datenschutzbeauftragte vorliege. Auch sei die Anonymität der | |
Teilnehmenden nicht gewährleistet: „Über die Rohdateien sind die | |
Kolleginnen und Kollegen, die sich an der Umfrage beteiligen, | |
identifizierbar.“ | |
Neben den Vorwürfen, der Fragebogen habe handwerkliche Mängel, lassen zwei | |
weitere Beanstandungen auf eine grundsätzliche Ablehnung des | |
Forschungsprojekts seitens der Gewerkschaften schließen: So gebe es Fragen, | |
durch deren wahrheitsgemäße Beantwortung „sich die teilnehmenden Beamtinnen | |
und Beamten selbst strafrechtlich belasten könnten“. | |
Drei Fragen richten sich auf die Einstellungen von Beamt:innen gegenüber | |
übertriebenen Zwangshandlungen von Kolleg:innen. Ebenfalls stört die | |
Gewerkschaften, dass „Religionszugehörigkeit und politische Orientierung“ | |
thematisiert würden: „Diese Umfragemethodik und Fragestellungen lehnen wir | |
ab“, erklären die drei Organisationen abschließend. | |
Die Wissenschaftler:innen reagierten umgehend mit einer eigenen | |
Stellungnahme: Darin kritisieren sie, dass ein partizipativ angelegter | |
Forschungsprozess durch die Gewerkschaften einseitig infrage gestellt | |
werde. Ihr Datenschutzkonzept sei durch die behördliche | |
Datenschutzbeauftragte der Polizei geprüft worden – eine weitere externe | |
Prüfung sei unnötig. | |
## Nach politischen Ansichten soll nicht gefragt werden | |
Auch seien Vorkehrungen getroffen worden, Daten einzelner Befragter in | |
ausreichendem Maß zu schützen. Überhaupt bestehe an individuellen Daten gar | |
kein Interesse: „Es ist nicht das Ziel, Daten zu Einzelfällen auszuwerten“, | |
stellen die Forschenden klar. | |
Dass das Beantworten des Fragebogens die befürchteten Folgen haben könnte, | |
sehen sie demnach nicht: „Wir fragen gerade nicht nach strafrechtlich | |
relevanten Einzelfällen“, schreiben die Forscher:innen. Erfasst würde | |
vielmehr die Einschätzung des Verhaltens von Kolleg:innen in | |
hypothetischen Situationen. | |
Der vielleicht zentrale Anlass für die gewerkschaftlichen Bedenken – die | |
Frage nach politischen Einstellungen? Dies sei ja eben Ziel der Forschung: | |
„Auch wenn solche Daten besonders sensibel und daher besonders geschützt | |
sind, heißt das nicht, dass in wissenschaftlichen Studien wie unserer nicht | |
danach gefragt werden darf“, entgegnen die Wissenschaftler:innen. | |
„Die grundlegende Ablehnung durch die Gewerkschaften kommt einer generellen | |
Ablehnung von wissenschaftlichen Untersuchungen zu demokratiebezogenen | |
Einstellungen in der Polizei gleich.“ | |
## Druck auf Polizei wächst | |
Dass Polizeigewerkschaften sich gegen die wissenschaftliche Forschung nach | |
antidemokratischen Tendenzen innerhalb der Polizei sträuben, ist nicht neu. | |
So kritisierte die DPolG im vergangenen Jahr eine Studie der Bochumer | |
Ruhr-Universität als „üble Stimmungsmache“. | |
Andererseits wächst der Druck auf die Polizei, sich für solche | |
wissenschaftliche Erforschung zu öffnen. [5][Das zeigt sich etwa auch an | |
der neuen Bundesregierung]: „Die Institutionen des Staates stehen in | |
besonderer Verantwortung, an jeder Stelle fest und zweifelsfrei auf der | |
Grundlage unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu agieren und | |
jede Form der gruppenbezogenen Diskriminierung entschieden | |
entgegenzutreten“, konstatieren die Ampel-Parteien im Koalitionsvertrag. | |
Dafür sei Selbstkontrolle ebenso wichtig wie unabhängige wissenschaftliche | |
Erkenntnisse über die innere Verfasstheit von Einrichtungen und ihren | |
Beschäftigten. „Wir wollen entsprechende Studien fördern“, bekennen SPD, | |
Grüne und FDP. Der ehemalige Innenminister Horst Seehofer (CSU) hatte sich | |
zuvor gegen derlei Studien gestellt. | |
## Politik will Fortführung | |
Deniz Çelik, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion in der | |
Hamburgischen Bürgerschaft, kritisiert die Gewerkschaften wegen ihrer | |
Ablehnung – es gehe schließlich gerade darum, mit der Studie die | |
politischen Positionen der Beamt:innen herauszufinden. „Wer diesen | |
zentralen Punkt ablehnt“, so Çelik, „der will in Wahrheit die Studie | |
torpedieren.“ | |
Seitens der regierenden rot-grünen Koalition weist Sina Imhof, | |
innenpolitische Sprecherin der Grünen, auf die Wichtigkeit der | |
Polizei-Studie hin. Diese könne einen großen Erkenntnisgewinn bringen und | |
Chancen eröffnen. „Der bisherige partizipative Prozess“, fordert die | |
Abgeordnete, „muss fortgesetzt werden.“ | |
27 Dec 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Studie-zu-Vorurteilen-bei-Polizei/!5717865 | |
[2] https://akademie-der-polizei.hamburg.de/forschung/14370068/forschungsprojek… | |
[3] https://akademie-der-polizei.hamburg.de/profs/11946292/eva-grosz-a/ | |
[4] /Jeff-Kwasi-Klein-ueber-Cop-Culture/!5773241 | |
[5] /Einigungen-der-Ampel-Parteien/!5817741 | |
## AUTOREN | |
André Zuschlag | |
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