# taz.de -- Rassismus bei der Polizei Chemnitz: Schikane war Unrecht | |
> Ein Schwarzer wird immer wieder von Polizisten kontrolliert – dann | |
> widerspricht er und wird überwältigt. Das war rechtswidrig, sagt ein | |
> Gericht. | |
Bild: Der Hauptbahnhof Chemnitz: Immer wieder wurde Elhadji B. hier kontrolliert | |
DRESDEN taz | Der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 Grundgesetz verbietet | |
eigentlich eine Auswahl nach äußeren Merkmalen bei staatlichen Maßnahmen. | |
Die [1][als Racial Profiling bekannte Polizeipraxis], bei der Personen | |
aufgrund äußerer Merkmale kontrolliert werden, scheint dem | |
entgegenzustehen. Und das Verwaltungsgericht Dresden unterstrich das am | |
Mittwoch in einem konkreten Fall mit einer Entscheidung: Es erklärte eine | |
gewaltsame Polizeikontrolle eines Guineers im März 2018 in Chemnitz für | |
rechtswidrig. | |
Nur sehr wenige Menschen wehrten sich bisher juristisch gegen Racial | |
Profiling. Der sächsische SPD-Innenpolitiker Albrecht Pallas, selbst | |
ausgebildeter Polizist, hat das Dresdner Verfahren beobachtet. Nach seinen | |
Informationen handelt es sich um das vorerst letzte von nur drei Verfahren | |
bundesweit. Bereits im November 2020 erklärte ein Hamburger Gericht | |
[2][solche Identitätskontrollen ohne Anhaltspunkte einer Straftat] für | |
rechtswidrig. Ein Mann aus Togo hatte dagegen geklagt, auf St. Pauli immer | |
wieder kontrolliert zu werden. | |
Ähnlich erging es dem aus Guinea stammenden Elhadji B. in Chemnitz. 2016 | |
kam er als Geflüchteter nach Sachsen. 2018 lebte er in Burgstädt und fuhr | |
täglich in die Schule und zur Berufsausbildung als Logistiker mit dem Zug | |
nach Chemnitz. Ständig wurde er dabei am Chemnitzer Hauptbahnhof von | |
Polizisten kontrolliert, obschon man sich längst kannte, berichtet er von | |
den Erfahrungen, die er und sein afrikanischer Freund machten. | |
„Selbst wenn hundert Leute aussteigen, kommen die Polizisten nur zu uns“, | |
klagt er. „Immer werden nur wir gefragt, als ob wir negativ wären und kein | |
Recht hätten, hier zwischen den anderen Leuten zu laufen!“ | |
## „Mit Hebeltechnik irgendwie zu Boden gebracht“ | |
Elhadji B. macht im Gespräch einen freundlichen und beherrschten Eindruck. | |
An jenem 13. März 2018 aber könnte ihm bei einer erneuten Kontrolle am | |
Bahnhof der sprichwörtliche Kragen geplatzt sein. Über die sich | |
entwickelnde Konfrontation gehen die Schilderungen des Guiners und dreier | |
beteiligter Bundespolizisten auseinander. „Ich war nicht aggressiv, ich bin | |
nicht explodiert, ich wollte nur wissen, warum wir kontrolliert werden“, | |
erklärt Elhadji B. Die Polizisten behaupten hingegen, er habe das verlangte | |
Zeigen des Ausweises mit einer Beschimpfung abgelehnt: „Du Rassist, ich | |
habe keinen Ausweis.“ | |
Was an Gewaltanwendung folgte, ist weitgehend unumstritten. Die Polizisten | |
behaupten, der relativ kleine Kontrollierte sei in Abwehrstellung gegangen, | |
als er durchsucht werden sollte. Sie hätten den Mann „mit Hebeltechnik | |
irgendwie zu Boden gebracht“, gefesselt und bäuchlings ins Revier getragen. | |
Weil er sich weiter wehrte, wurden ihm Fußfesseln angelegt. | |
Elhadji B. berichtet, er habe das Bewusstsein verloren. Währenddessen | |
hätten die Beamten in seinem Rucksack das gültige Aufenthaltsdokument | |
gefunden. Nach der Entlassung sei es ihm schlecht gegangen, er habe unter | |
Atemnot gelitten. Deshalb habe ihn ein gerufener Krankenwagen ins | |
Krankenhaus gebracht. | |
Elhadji B. wandte sich im Anschluss an die Opferberatung RAA in Sachsen | |
sowie an Anwältin Kati Lang und klagte gegen die Bundespolizei mit Sitz in | |
Pirna. Lang erhoffte vom Verfahren eine Klärung, nach welchen Kriterien | |
lage- und verdachtsunabhängige Polizeikontrollen wie in diesem Fall | |
vorzunehmen sind. Das habe bislang noch kein Beamter erläutern können. | |
Das Verwaltungsgericht Dresden erklärte nun zumindest den Chemnitzer | |
Einsatz für rechtswidrig. Eine Urteilsbegründung lag zunächst noch nicht | |
vor. SPD-Innenpolitiker Pallas sprach von einer Signalwirkung der | |
Entscheidung für die Praxis des Racial Profiling. Es sei wichtig, solche | |
strittigen Einsätze genau zu dokumentieren. Und schließlich müsse es auch | |
Auswirkungen auf die Aus- und Fortbildung der Polizeibeamten geben. | |
19 Jan 2022 | |
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## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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