# taz.de -- Studie zu Vorurteilen bei Polizei: Cops im Visier der Polizei | |
> Die Hamburger Akademie der Polizei will eine Studie zur Arbeitsbelastung | |
> starten, in der es auch um die Entstehung von Vorurteilen gehen soll. | |
Bild: Könnte für die Studie interessant sein: Umgang mit Demonstrierenden im … | |
HAMBURG taz | Man könnte die Ankündigung der [1][Hamburger Akademie der | |
Polize]i, sich mit den Einstellungen ihrer BeamtInnen in einer Studie zu | |
beschäftigen, als Widerstand gegen die Haltung von Bundesinnenminister | |
Horst Seehofer (CSU) deuten. Der hat eine Untersuchung, die sich gezielt | |
mit rassistischen Einstellungen bei der Polizei befasst, [2][abgelehnt]. | |
Doch die Hamburger Akademie hat unter ihrem Leiter Thomas Model eine solche | |
Studie schon seit 2019 vorbereitet. Fragt man allerdings in der | |
Pressestelle der Hamburger Polizei nach, in welchem Verhältnis das eigene | |
Projekt zum Seehofer’schen Nein steht, so schweigt sie sich zu diesem Punkt | |
aus. | |
Tatsächlich spricht die Initiative für sich. Es gehe darum, „Erkenntnisse | |
zum Ausmaß von werte- und demokratiebezogenen Einstellungen sowie zu | |
diesbezüglichen Schutz- und Risikofaktoren“ bei den MitarbeiterInnen zu | |
erhalten, so fasst Polizeisprecher Holger Vehren die Ziele zusammen. Noch | |
konkreter hatte es Thomas Model im Hamburger Abendblatt formuliert, als er | |
von „Risikofaktoren“ für die „Entstehung von Vorurteilen und radikalen | |
Einstellungen“ bei der Polizei sprach. | |
Partner für das Projekt sind bislang das [3][Institut für Soziologie und | |
Sozialwissenschaften] der Uni Hamburg, das [4][Institut für Konflikt- und | |
Gewaltforschung] der Uni Bielefeld sowie das [5][kriminologische | |
Forschungsinstitut Niedersachsen]. Noch sei das Projekt in einem „frühen | |
Stadium“, so Vehren, deshalb lasse sich etwa die Frage, ob das Thema Racial | |
Profiling eine Rolle spielen werde, nicht beantworten. Eben dies ist eine | |
Forderung des Hamburger Linken-Abgeordneten Deniz Celik, der eine | |
wissenschaftliche Studie dazu beantragt hat. | |
Nun begrüßt Celik zwar, dass sich die Polizei mit den Einstellungen ihrer | |
MitarbeiterInnen befasst, fürchtet aber, „dass die Studie nicht auf | |
diskriminierende Praktiken zielt“. Zudem sieht er die Gefahr, dass durch | |
die freiwillige Teilnahme vor allem jene repräsentiert werden, deren | |
Haltung nicht diskriminierend ist. | |
Dem widerspricht Anja Mensching, Professorin für Pädagogik mit dem | |
Schwerpunkt Organisationspädagogik an der Uni Kiel und Mitorganisatorin des | |
Arbeitskreises Empirische Polizeiforschung. Dass die Teilnahme an solchen | |
Studien auf freiwilliger Basis erfolge, sei „ethisches Grundprinzip der | |
Forschung“. | |
Für sie ist die Idee einer Forschungskooperation zwischen der Hamburger | |
Akademie der Polizei und der Universität Bielefeld sowie dem | |
Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen „auf jeden Fall eine sehr | |
gute Idee“. Denn bislang gebe es vor allem Studien, die sich aus | |
psychologischer Sicht mit der individuellen Arbeitsbelastung von | |
PolizistInnen befassten, aber kaum solche, die die Polizei als Organisation | |
betrachteten. Damit hätte eine aktuelle Studie die Chance, etwa in den | |
Blick zu nehmen, wie dort Vergemeinschaftung ablaufe oder wie mit | |
widerstreitenden Positionen umgegangen werde. Von einer solchen | |
Untersuchung könne die Polizei „unglaublich viel gewinnen“. | |
Den Widerstand gegen eine solche Selbsterforschung – bis hin zum Reizthema | |
Racial Profiling – verortet Mensching weniger im Polizeiapparat selbst. | |
Nach ihrer Erfahrung mit Führungskräften in der niedersächsischen Polizei | |
anlässlich einer Studie zur Arbeitsbelastung gebe es dort „eine hohe | |
Sensibilität für Ungleichbehandlung in den verschiedensten Formen“. Die | |
Vorbehalte sieht Mensching vor allem auf der politischen Seite. Sie | |
plädiert dafür, den Fokus für Diskriminierung aller Art zu öffnen – und | |
tatsächlich mit einer offenen Fragestellung zu arbeiten. | |
Eben das klingt in den Stellungnahmen der Hamburger Innenbehörde und der | |
Polizeigewerkschaft mit. Die Innenbehörde betonte, man unterstütze die | |
Studie, weil sie sich „ja eben gerade nicht allein auf Rassismus oder | |
Racial Profiling in der Polizei verengt“. | |
Ähnlich klingt es in einer Stellungsnahme der Hamburger Gewerkschaft der | |
Polizei (GdP): „Die GdP unterstützt eine Belastungsstudie und lehnt eine | |
Rassismus-Studie ab.“ Denn: „Wir wollen als Kolleginnen und Kollegen und | |
als Gewerkschaft wissen, wie sich Denken und Handeln verändern, wenn | |
Polizeibeschäftigte Tag und Nacht wiederkehrende Erfahrungen mit bestimmten | |
Bevölkerungsgruppen, Kriminalitätsfeldern und auch mit Justizabläufen | |
machen.“ | |
Für einen solchen Zugang, der Rassismus in der Polizei nicht zur | |
Ausgangsfrage macht, findet sich eine breitere Basis. Der niedersächsische | |
Innenminister Boris Pistorius (SPD) kündigte an, eine von der GdP | |
vorgeschlagene Studie zum Polizeialltag in der Innenministerkonferenz | |
vorzutragen. Die Studie soll laut GdP Belastungen der Polizei untersuchen, | |
aber auch herausfinden, warum sich „Vorurteile gegen bestimmte | |
gesellschaftliche Gruppen“ bei einzelnen Beamten verfestigten und was man | |
dagegen tun könne. | |
3 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://akademie-der-polizei.hamburg.de/ | |
[2] /Polizei-wird-nicht-gesondert-geprueft/!5715078&s=horst+seehofer+rassis… | |
[3] https://www.wiso.uni-hamburg.de/fachbereich-sowi/ueber-den-fachbereich/fach… | |
[4] https://www.uni-bielefeld.de/ikg/ | |
[5] https://kfn.de/ | |
## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
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