# taz.de -- Modellbauteile in Militärdrohnen: Spielzeug mit Konfliktpotenzial | |
> Teile für Modellflugzeuge, die eigentlich für Hobbyflieger gedacht sind, | |
> werden in Militärdrohnen verbaut. Ihren Export kontrolliert der Staat | |
> nicht. | |
Bild: Problematisches Luftfahrzeug: eine israelische Drohne vom Typ Skylark | |
BERLIN taz | Am 25. Juni 2020 hat das Militär von Myanmar eine Drohne | |
verloren. Das unbemannte Spähflugzeug stürzte nahe der Stadt Rathedaung ab, | |
im Bundesstaat Rakhine, wo die Armee [1][seit Jahren mit Gewalt gegen die | |
Minderheit der Rohingya vorgeht.] Was genau an diesem Tag passiert ist, | |
lässt sich schwer überprüfen. Örtliche Rebellen sprechen von einem Gefecht, | |
von toten Soldaten auf der einen Seite und einem schwer verletzten | |
Zivilisten auf der anderen. Belege dafür gibt es nicht, bewiesen ist nur: | |
Am Ende des Tages hatten die Kämpfer die Drohne ihrer Gegner erbeutet. | |
Auf ihrer Internetseite [2][präsentieren die Rebellen noch am selben Abend | |
zwei Fotos] des Geräts. Es hat einen schmalen Rumpf, zwei Meter breite | |
Flügel und ein Kameraauge an der Spitze. Und als Propeller, für Experten an | |
der Aufschrift zu erkennen: eine Luftschraube von der Schwäbischen Alb – | |
hergestellt von einer Firma, die mit Rüstungsexporten eigentlich nichts zu | |
tun haben will. | |
Das Foto weist auf eines der Probleme hin, das durch den rasanten Aufstieg | |
der unbemannten Luftfahrzeuge in den letzten Jahren entstanden ist. Drohnen | |
haben neue Möglichkeiten der Kriegsführung eröffnet, aus kaum einem | |
bewaffneten Konflikt sind sie noch wegzudenken. | |
Das wirft ethische, politische und rechtliche Fragen auf. Auch für die | |
Kontrolle von Rüstungsexporten: Da Drohnen oft besonders klein und leicht | |
konstruiert sind, eignen sich Komponenten von Modellbauherstellern als | |
Bauteile. Müssen deren Exporte in Zukunft streng reguliert werden? Und | |
können die Unternehmen selbst überhaupt verhindern, dass ihre Produkte in | |
Militärgüter eingebaut werden? | |
## Verlängerte Flugzeit dank Modellbaupropeller | |
Die Drohne auf den Fotos aus Myanmar ist vom Typ Skylark 1, hergestellt vom | |
israelischen Rüstungskonzern Elbit Systems. Der Hersteller wirbt unter | |
anderem mit der großen Reichweite der Drohne, der möglichen Flughöhe und | |
der geringen Lautstärke, die unauffällige Überwachungsflüge erlaubt. | |
Dazu tragen offenbar auch die Propeller bei, mit denen die Geräte | |
verschiedenen Foto- und Videoaufnahmen zufolge serienmäßig bestückt sind. | |
Es handelt sich um Luftschrauben vom Typ „CAM-Carb“, hergestellt vom | |
Reutlinger Modellbauunternehmen aero-naut. Die Karbonpropeller sind | |
besonders effizient konstruiert, haben laut Hersteller einen „optimalen | |
Wirkungsgrad bei geringer Leistungsaufnahme des Elektromotors“. Sprich: | |
Sowohl bei Modellflugzeugen als auch bei militärischen Drohnen können sie | |
die Flugzeit verlängern. | |
Dass die Luftschrauben in den Skylark-Drohnen verbaut sind, haben | |
Rechercheure der Umwelt- und Friedensorganisation Greenpeace bei | |
Netzrecherchen herausgefunden. Fotos davon haben sie aus verschiedenen | |
Kriegen und Konflikten entdeckt. Die israelische Armee benutzte sie unter | |
anderem in den vergangenen Jahren im Gazastreifen, auch europäische | |
Nato-Staaten setzen sie ein. Der IS konnte 2015 bei Mossul eines der Geräte | |
erbeuten. | |
Verkauft wird oder wurde die Skylark 1 aber eben auch in Staaten wie | |
Myanmar, dessen Armee Anfang des Jahres gegen die demokratisch gewählte | |
Regierung geputscht hat und massiv gegen die Bevölkerung vorgeht. Ein | |
Waffenembargo gegen Myanmar bestand wegen erheblicher | |
Menschenrechtsverletzungen schon zuvor. | |
## Wie kam die Rüstungsfirma an die Teile? | |
Dem schwäbischen Hersteller der Miniaturpropeller ist es nach eigenen | |
Angaben nicht recht, dass seine Bauteile dort und anderswo in Drohnen | |
verbaut zum Einsatz kommen. „Ich möchte mit Rüstungsfirmen nichts zu tun | |
haben, das ist nicht mein Geschäft. Unsere Produkte sollen Freude machen, | |
wir produzieren für den Privatkunden und sein Hobby“, sagt Thorsten | |
Rechthaler. Er ist Geschäftsführer der aero-naut Modellbau GmbH, deren | |
Internetseite tatsächlich keine Rückschlüsse auf die Rüstungsindustrie | |
zulässt. | |
Ein Modell der französischen Rafale-Kampfjets ist noch das martialischste | |
Produkt im Sortiment der Firma. Für Kriegseinsätze ist das Spielzeug aber | |
natürlich nicht geeignet. Aero-naut stellt eigentlich Freizeitprodukte her. | |
Rechthaler gibt an, er selbst habe erst durch einen Anruf von Greenpeace | |
erfahren, dass Elbit Systems seine Luftschrauben in Drohnen einbaut. Wie | |
der Rüstungskonzern an seine Propeller gekommen ist, wisse er nicht – | |
direkt habe er sie den Israelis zumindest nicht verkauft. Er vermutet, dass | |
die Waffenschmiede die Ware über Zwischenhändler bezogen hat. Auf eine Mail | |
an das Unternehmen mit Bitte um Aufklärung habe er keine Antwort erhalten. | |
Auch auf Fragen der taz reagiert Elbit Systems nicht. | |
Weitere Anfragen stellte Rechthaler an das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle. | |
Von der Behörde, die für die Kontrolle von Rüstungsexporten zuständig ist, | |
ließ er sich bescheinigen, dass er für den Versand seiner Propeller an | |
Kunden außerhalb der EU keine spezielle Genehmigung beantragen musste. | |
## Viele Schlupflöcher in der Exportkontrolle | |
Komplett abwegig wäre das nicht: Produkte, die für zivile Zwecke gedacht, | |
aber auch militärisch verwendbar sind, können grundsätzlich der | |
Rüstungskontrolle unterliegen. In der EU-Liste der sogenannten | |
Dual-Use-Güter, die Details dazu regelt, sind Modellbauteile wie die | |
Propeller aber nicht aufgeführt. | |
Dabei sind die Luftschrauben aus Reutlingen bei Weitem nicht die einzigen | |
Modellbaukomponenten, die in Militärdrohnen zum Einsatz kommen. Die ARD | |
[3][berichtete im vergangenen Jahr von Motoren eines hessischen | |
Herstellers], mit denen Kampfdrohnen der Huthi-Rebellen im Jemenkrieg | |
angetrieben werden. Die Schweizer Wochenzeitung WOZ [4][berichtete über | |
Motoren einer Firma aus dem Kanton Tessin], die in Harop-Drohnen aus | |
israelischer Produktion verbaut sind und von der aserbaidschanischen Armee | |
im Krieg um Bergkarabach eingesetzt wurden. | |
Der Greenpeace-Abrüstungsexperte Alexander Lurz sieht angesichts dieser | |
Beispiele Reformbedarf. „Die Propeller für die Skylark-Drohnen zeigen aufs | |
Neue, dass das deutsche Rüstungsexportkontrollsystem offensichtlich aus | |
einer Addition von Schlupflöchern besteht“, sagt er. „Dass wesentliche | |
Bestandteile für militärische Drohnen keine Ausfuhrgenehmigung brauchen, | |
ist grotesk. In Deutschland braucht es endlich den politischen Willen, eine | |
solche Freifahrtscheinpraxis zu beenden.“ | |
Das fordert auch die Bundestagsabgeordnete Katja Keul (Grüne). „Natürlich | |
stößt die Einordnung nach Verwendungsmöglichkeiten irgendwann an seine | |
Grenzen“, sagt sie. „Gerade bei diesen speziellen Modellbauteilen erscheint | |
es mir aber naheliegend, im Hinblick auf die aktuelle Drohnenentwicklung | |
die Dual-Use-Güterlisten noch mal zu überarbeiten.“ | |
Nicht mal der Modellbau-Unternehmer Rechthaler von der Firma aero-naut | |
hätte damit ein Problem. „Das fände ich gut“, sagt er. Eine interne | |
Exportkontrolle habe er ohnehin schon eingeführt. Anfragen von | |
Firmenkunden, die ihm suspekt sind, schlage er im Zweifel aus. „Vor zwei | |
Wochen erst hatten wir eine Bestellung von einer Firma aus dem Ausland, die | |
mir nicht glaubhaft erklären konnte, wozu sie die Luftschrauben braucht. An | |
die haben wir nicht geliefert.“ | |
Der Nachteil einer gesetzlichen Regelung: Die Modellbauer hätten bei ihren | |
Exporten mehr Bürokratie zu erledigen. Der Vorteil: Der Staat müsste sich | |
nicht auf den guten Willen einzelner Unternehmer verlassen. Er hätte neben | |
den Herstellern auch Zwischenhändler im Blick. Er könnte die Exporte selbst | |
überprüfen. Und er könnte sie im Zweifel verbieten. | |
20 May 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Die-Rohingya-in-Myanmar/!5751183 | |
[2] https://www.arakanarmy.net/post/%E1%80%99-%E1%80%84-%E1%80%9E-%E1%80%99-%E1… | |
[3] https://www.tagesschau.de/investigativ/swr/drohnen-iran-motoren-101.html | |
[4] https://www.woz.ch/-b1ac | |
## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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