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# taz.de -- Islamist für Mord in Dresden verurteilt: Ungebrochener Hass
> Ein 21-Jähriger Islamist ist wegen Mordes in Dresden zu lebenslanger Haft
> verurteilt worden. Der zuständige Richter fand deutliche Worte.
Bild: Der Angeklagte, hier am 12. April vor Gericht, wurde zu lebenslanger Haft…
Dresden taz | Oliver L. hat es zu keinem der Verhandlungstage in den
Dresdner Gerichtsaal geschafft, er schafft es auch am Freitag nicht. Zu dem
Tag, an dem Abdullah al H. vom Oberlandesgericht zu lebenslanger Haft
verurteilt wird, mit besonderer Schwere der Schuld. Für eine Tat, zu der
Richter Hans Schlüter-Staats bemerkt, sie mache „fassungslos“. Ein
Messerangriff, vor einem Dreivierteljahr von dem Islamisten auf Oliver L.
und seinen Partner Thomas L. in Dresden verübt. Den der 54-Jährige schwer
verletzt überlebte – Thomas L. aber nicht.
Eine Teilnahme am [1][Prozess] wäre eine zu große Belastung für Oliver L.
gewesen, sagt sein Anwalt Maximilian Klefenz. „Es hätte eine
Retraumatisierung gedroht. Aber er hat die Verhandlung sehr intensiv
verfolgt.“ Den ungebrochenen Extremismus des Angeklagten, die fehlende
Reue. Klefenz zeigt sich deshalb erleichtert über das Urteil: „Es ist in
der Sache vollkommen richtig.“ Er hoffe, dass sein Mandant nun „ein
bisschen Frieden und Ruhe“ finde.
Die Tat vom 4. Oktober 2020 war – neben der religiös motivierten Ermordung
einer afghanischen Asylsuchenden durch ihren Mann in Cottbus – die einzige
islamistische Mordtat im vergangenen Jahr in Deutschland. Und sie war die
erste hierzulande, die sich explizit gegen Homosexuelle richtete.
Oliver L., ein Kölner Lohnbuchhalter, und sein Partner Thomas L., ein
Werbetechniker, waren seit acht Jahren ein Paar, wollten zusammenziehen. Am
4. Oktober 2020 waren sie als Touristen in Dresden, sie hatten Räder dabei,
besuchten einen Weinberg, gingen abends in die Altstadt etwas essen. Als
plötzlich Abdullah al-H. von hinten auf sie einstach.
## Ein homophober, islamistischer Mord
Er habe erst an einen kumpelhaften Klaps gedacht, sagte Oliver L. als Zeuge
im Prozess, zugeschaltet per Video. Dann aber sah er den Angreifer, trat
nach ihm, bis dieser wegrannte. Beide Opfer gingen zu Boden, schwer
verletzt, Blutlachen bildeten sich. Er habe immer wieder nach Thomas L.
gerufen, erinnerte sich Oliver L. noch. Aber sein Partner starb wenig
später im Krankenhaus, in seinem Rücken steckte noch eine 20 Zentimeter
lange Klinge. Er war verblutet. Oliver L. überlebte nur dank einer
Notoperation.
Seit April stand Abdullah al-H. für diese Tat vor Gericht. Ein 21-jähriger
Syrer mit wuscheligen Locken und flaumigem Bart, 2015 nach Deutschland
gekommen und hier radikalisiert, offenbar über das Internet. Erst fünf Tage
vor der Tat war er aus dem Gefängnis entlassen worden, nach dem Mord
zunächst flüchtig. Eine DNA-Spur am Schuh von Oliver L. überführte ihn
schließlich.
Einem forensischen Psychiater hatte sich Abdullah al-H. nach seiner
Festnahme für gut sechs Stunden anvertraut. Er habe schon in der Haft
beschlossen, „Ungläubige“ zu töten, sagte der 21-Jährige. Deshalb habe er
kurz nach der Entlassung zwei Messersets gekauft und sei in der Tatnacht
durch die Innenstadt gelaufen.
Und dort habe er schließlich die beiden Männer entdeckt, die vertraut und
gelöst gewirkt hätten – und hat zugestochen. Homosexuelle dürfe man töten,
sie seien „Feinde Gottes“, da dieser nur Beziehungen zwischen Mann und Frau
vorsehe, sagte Abdullah al-H. dem Psychiater. Und er würde auch wieder
„Ungläubige“ töten. Dann aber entschlossener und nach Beratung mit dem IS.
## Für den Täter waren sie „Feinde Gottes“
Richter Schlüter-Staats ist die Abscheu über diese Tat anzumerken. Sie
mache fassungslos mit Blick auf die Opfer, aber auch auf die Beweggründe
des Täters, sagt der Richter. Abdullah al-H. habe die Opfer als
„Repräsentanten einer als ungläubig verhassten, offenen Gesellschaft“
gesehen, er habe sie angegriffen, weil er sie für homosexuell hielt, weil
sie anders waren als er.
Schlüter-Staats spricht beißend von einer „religiösen Verblendung“ des
Angeklagten, einem „selbstgezimmerten Zerrbild Gottes“ mit „absurden,
gotteslästerlichen Maßstäben“. Abdullah al-H. habe geglaubt, mit seinem
selbstverstandenen Dschihad trotz eigener Sünden ins Paradies zu kommen.
Aber es sei das Töten von Unschuldigen gewesen, die nichts anderes taten
als anders zu leben als er. „Das ist nur Egoismus und hat nichts mit Gott
zu tun“, stellt der Richter klar.
Zudem attestiert er Abdullah al-H. eine „tief verwurzelte Homophobie“.
Letztlich aber hätte es auch alle anderen treffen können, die der
Angeklagte als „Ungläubige“ ansah. „Im Prinzip war es ihm egal, wen er
tötet“, so Schlüter-Staats.
Der Angeklagte reagiert auf diese Worte nicht, schaut nur starr in den
Saal. Den gesamten Prozess hatte er geschwiegen, ihn teilnahmslos verfolgt.
In seinem letzten Wort sagte er nur, es spiele keine Rolle, was er hier
sage, er verlasse sich auf Gott.
## Verteidiger will Jugendstrafe, Richter widerspricht
Auch am Urteilstag erhebt al-H. sich nicht, als die RichterInnen den Saal
betreten. „Das ist für ihn ein irdisches Gericht, das er ablehnt“, sagt
sein Verteidiger Peter Hollstein. Ihm blieb am Ende nur, für eine
Verurteilung von Abdullah al-H. nach Jugendstrafrecht zu plädieren – da der
21-Jährige sein Tun noch nicht überschaue.
Schlüter-Staats folgt dem nicht. Das Bild, ob der Angeklagte noch als
Jugendlicher zu sehen sei, sei „ambivalent“. Aber Abdullah al-H. trete
schon länger „reflektiert“ auf, mit verfestigter Ideologie, zeige keine
offene Entwicklung mehr. Deshalb sei er nach Erwachsenenstrafrecht zu
verurteilen. Auch halte er den Mord bis heute für richtig, habe
angekündigt, weiter töten zu wollen. Deshalb werde die lebenslange Haft mit
besonderer Schwere der Schuld verhängt und vorbehaltlicher
Sicherungsverwahrung. Wie es aussehe, sei Abdullah al-H. noch lange für die
Allgemeinheit gefährlich.
Ganz am Ende der Urteilsverkündung wendet sich Richter Schlüter-Staats noch
einmal persönlich an Abdullah al-H. Auch er selbst sei ein gläubiger
Mensch, sagt er und der Angeklagte wendet ihm nun immerhin den Blick zu.
„Das aber, was Sie getan haben, ist wahrhaft gotteslästerlich. Eine Sünde,
die kaum zu übertreffen ist. Was wäre das denn für ein zwergenhafter,
rachsüchtiger Gott, der es nötig hätte, dass ein Herr al-H. für ihn töten
muss?“, fragt der Richter. Abdullah al-H. reagiert auch darauf nicht. Da
gibt Schlüter-Staats nur noch den formellen Hinweis, dass er gegen „dieses
irdische Urteil“ Revision einlegen könne.
Diese klaren Worte gab es nicht immer. [2][Nach der Tat schwiegen die
Behörden zunächst über das auch homophobe Motiv]. Die Rede war von zwei
angegriffenen Touristen. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden
antwortete auf Fragen nur, zur sexuellen Orientierung von Opfern äußere man
sich nicht. Initiativen wie der Lesben- und Schwulenverband Deutschland
kritisierten das Schweigen scharf: Die Gewalt gegen LSBTI werde so
unsichtbar gemacht und öffentliche Solidarität verhindert.
## „Was wäre das für ein zwergenhafter, rachsüchtiger Gott?“
Tatsächlich blieben die öffentlichen Reaktionen auf den Mord überschaubar,
auch aus der Politik. Die Verbände organisierten schließlich selbst
Mahnwachen. Auch am Freitag veranstalten Linke eine kleine Kundgebung vor
dem Dresdner Gericht, geißeln Islamismus und Queerfeindlichkeit als
menschenverachtend. Der Dresdner CSD rief zum Abend zu einer Mahnwache am
Tatort auf.
Oliver L. äußert sich bis heute nicht öffentlich. Aber er habe das Agieren
der Behörden verfolgt, sagt sein Anwalt Klefenz der taz. Zunächst habe ihm
die Kraft gefehlt, sich öffentlich einzubringen. Aber er habe das homophobe
Motiv auch nicht in den Vordergrund stellen wollen. „Für ihn war es eine
Tat, die jeden hätte treffen können.“
Was Oliver L. aber bis heute umtreibe, ist die Frage, ob dieser Mord nicht
hätte verhindert werden können, sagt Klefenz. Denn dass Abdullah al-H.
gefährlich ist, war allen bekannt. Schon 2017 wurde er vom LKA als
Gefährder eingestuft. Drei Jahre saß er im Gefängnis, weil er für den IS
warb und einem christlichen Mitgeflüchteten drohte, ihn zu „schlachten“.
Noch in Haft griff er zwei Bedienstete an und kündigte an, „Ungläubigen“
den Kopf abzuschneiden.
Nach seiner Entlassung musste sich der Syrer drei Mal wöchentlich bei der
Polizei melden und an einem Deradikalisierungsprogramm teilnehmen, was er
auch tat. [3][Parallel überwachte ihn der Verfassungsschutz]. Der beließ es
aber offenbar vor allem bei einer aufgestellten Kamera vor der
Gemeinschaftsunterkunft von Abdullah al-H.: Denn weder bekamen die Behörden
den Messerkauf mit, noch die Mordtat.
## Polizei überwachte den Täter, erfolglos
„Das wird für Herrn L. immer ein ganz bitterer Beigeschmack bleiben“, sagt
Anwalt Klefenz. Oliver L. frage sich bis heute, wie intensiv wirklich
observiert wurde. Warum es keine Fußfessel gab.
Richter Schlüter-Staats äußert sich auch dazu. Er sei in dieser Frage
vorsichtig, aber es könnten unmöglich in diesem Land alle Gefährder rund um
die Uhr überwacht werden. Vielleicht hätte man die Tat verhindern können,
vielleicht in China. „Aber nicht in der Gesellschaft, in der wir alle leben
wollen.“ Klefenz sagt dazu später: Auch sein Mandant wolle keinen
Polizeistaat. Aber die Frage bleibe, ob wirklich alle bestehenden Mittel
ausgeschöpft wurden.
Unstrittig ist das Leid von Oliver L. Bis heute ist er in psychologischer
Behandlung, fühlt sich nicht mehr sicher, konnte lange Zeit nicht normal
laufen. Ein Rechtsmediziner sagte im Prozess, der 54-Jährige habe
„unglaubliches Glück“ gehabt: Wäre der Messerstich nur wenige Millimeter
anders verlaufen, hätte er die Bauchhöhle getroffen und ebenso tödlich sein
können.
Für Oliver L. aber sei das Schlimmste, dass Thomas L. nie mehr wiederkommen
werde, sagt Klefenz. „Ob dieser Schmerz jemals heilen wird, ist unklar.“
21 May 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Konrad Litschko
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