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# taz.de -- Radikalisierung in der Pandemie: Islamismusprävention stockt
> Der Lockdown bot islamistischen Menschenfängern gute Bedingungen.
> Gefährdete Personen ließen sich für Sozialarbeiter:innen kaum noch
> erreichen.
Bild: Gedenkkerzen nach dem Anschlag in Wien im November 2020
Berlin taz | Unsicherheit, Frust, Isolation: Die [1][Coronapandemie] könnte
Menschen in die Arme von islamistischen Extremisten getrieben haben.
Gleichzeitig stelle die Krise die Deradikalisierungsarbeit vor große
Herausforderungen, wie Expert:innen der Bundesarbeitsgemeinschaft
religiös begründeter Extremismus (BAG RelEx) am Dienstag in Berlin klar
machten. „Die extremistische Szene ist nicht in den Lockdown gegangen“, so
der Vize-Vorsitzende des Verbands, Thomas Mücke.
Seine Kollegin, die Vorsitzende Friederike Müller, verwies auf die Folgen
der Pandemie für junge Menschen: Einsamkeit, Angst vor Infektion, räumliche
Enge, Langeweile und psychische Probleme. All das begünstige unter
Umständen die Radikalisierung junger Menschen. Islamist:innen hätten so
bei der Rekrutierung deutlich leichteres Spiel gehabt. Dazu sei das
Internet als Informationsquelle wichtiger geworden, [2][hier drohten
Verschwörungsmythen Jugendliche und junge Erwachsene in ihren Bann zu
ziehen] und Radikalisierungstendenzen zu befördern.
Während die Pandemie also womöglich einen Nährboden für
Radikalisierungsprozesse bot oder diese zumindest nicht dramatisch
beeinträchtigte, hatten die Beratungsstellen mit dem Lockdown zu kämpfen.
„Bildungsarbeit an Schulen war oft nicht mehr möglich, für zusätzliche
Präventionsangebote gab es keinen Raum“, berichtete Mücke. Unter diesen
Umständen sei es sehr viel schwieriger, den Radikalisierungsgefährdeten
eine „Brücke zurück in die Gesellschaft“ zu bauen, wie es Ziel der Arbeit
sei.
Die Mitarbeitenden der Beratungsstellen seien vom Lockdown ebenfalls hart
getroffen worden, die Umstellung auf digitale Arbeit habe zunächst Probleme
mit sich gebracht. Wo Lehrer:innen sonst oft die ersten seien, die auf
drohende Radikalisierung von jungen Menschen aufmerksam machen können, sei
das beim digitalen Unterricht nicht so leicht. Ein wichtiger
Alarmmechanismus fehlte so über große Teile der vergangenen anderthalb
Jahre.
## Unter dem Radar könnten sich weit mehr radikalisiert haben
Konkrete Statistiken zur Radikalisierung während der Pandemie in
Deutschland gibt es bisher nicht. Die Zahl der Fälle, mit denen sich
Deradikalisierungsstellen befassten, sei über die Pandemie hinweg konstant
bei „einigen hundert“ geblieben, so Mücke. Wie viele Fälle unentdeckt
blieben, lässt sich naturgemäß nicht beziffern. „Wir können davon ausgehe…
dass sich da viel aufgestaut hat“, so Mückes Vermutung.
Seine Warnung: Der [3][Anschlag in Wien vom November 2020] – am Vorabend
des Lockdowns – habe gezeigt, dass sich islamistische Terroristen beim
Timing von Anschlägen daran orientierten, wann sie auf einen größtmöglichen
Effekt hoffen können. Mehr Menschenansammlungen im öffentlichen Raum
bedeuteten so auch mehr potentielle Ziele für Terroranschläge, denkt Mücke.
9 Jun 2021
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746
[2] /Verschwoerungsmythen-und-Corona/!t5015225
[3] /Terroranschlag-in-Oesterreich/!5722512
## AUTOREN
Frederik Eikmanns
## TAGS
Islamismus
Sozialarbeit
Radikalisierung
Terrorismus
Islamismus
Schwerpunkt Islamistischer Terror
Extremismus
Amoklauf
Antisemitismus
ÖVP
Schwerpunkt Islamistischer Terror
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