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# taz.de -- Messerangriff in Würzburg: Die Motivsuche hält an
> Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sieht Hinweise auf Islamismus.
> Verbände warnen vor schnellen Rückschlüssen.
Bild: Weiterhin Trauer in Würzburg nach dem Messerangriff
Berlin taz | Auch Tage nach dem tödlichen Messerangriff in [1][Würzburg]
ist das Motiv weiter ungeklärt. Wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann
am Montag mitteilte, gebe es zwar Hinweise auf einen islamistischen
Hintergrund.
So sei in der Obdachlosenunterkunft des Tatverdächtigen „einiges gefunden“
worden, „was auf islamistisches Propagandamaterial hinweisen könnte“, sagte
der CSU-Politiker bei Bild live. Man müsse aber die Ermittlungsergebnisse
abwarten.
Der Tatverdächtige, ein 24-Jähriger aus Somalia, war in der Vergangenheit
psychisch auffällig. Ob sich der Islamismusverdacht bestätigt, soll auch
die Auswertung zweier sichergestellter Mobiltelefone klären. Die Frage
lasse sich „zum gegenwärtigen Zeitpunkt so noch nicht beantworten“, sagte
Herrmann.
Ähnlich zurückhaltend zum Motiv äußerte sich am Montag der Sprecher der
Bundesregierung, Steffen Seibert. Die Tat selbst verurteilte er als
„fürchterliche, niederträchtige Morde“. Gleichzeitig warnte er, von einem
Täter auf andere Menschen derselben Ethnie, Herkunft oder Religion zu
schließen.
## Verletzte nicht mehr in Lebensgefahr
Am Freitagnachmittag hatte der Tatverdächtige in der Würzburger Innenstadt
drei Frauen mit einem Messer getötet und sieben weitere Personen verletzt,
darunter ein 11-jähriges Mädchen und einen 16-jährigen Jungen. Am Montag
schwebte laut Herrmann keine der fünf schwer verletzten Personen mehr in
Lebensgefahr.
Der Tatverdächtige sitzt in Untersuchungshaft – wegen dreifachen Mordes,
versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung. Dessen Anwalt rechnet
laut Deutscher Presse-Agentur damit, dass die psychische Verfassung seines
Mandanten erneut von einem Experten untersucht wird. Ein psychiatrisches
Gutachten nach einem Vorfall im Januar steht noch aus. Damals hatte der
Mann aus dem Bürgerkriegsland Somalia, der in Deutschland subsidiären
Schutz bekam, Mitbewohner:innen mit einem Messer bedroht.
Daniela Glagla von der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie
(DGSP) warnt vor zu schnellen Rückschlüssen: „Gewalttaten psychisch kranker
Menschen an Fremden sind äußerst selten, das haben Studien längst
nachgewiesen“, sagt Glagla der taz. Leider hätten „wir in den letzten
Jahren die Beobachtung machen müssen, dass jede Horrortat mit psychischer
Erkrankung erklärt wird“.
Im Fall der Würzburger Angriffs sei es noch viel zu früh für ein Urteil, so
Glagla: „Wir wissen nichts über den Integrationsprozess des Täters und
woran er gescheitert ist.“ Auch über den möglicherweise islamistischen
Hintergrund sei zu wenig bekannt.
## Lob für Zurückhaltung der Politik
Ähnlich äußert sich auch Jamuna Oehlmann von der Bundesarbeitsgemeinschaft
religiös begründeter Extremismus. Sie warnt vor einer Stigmatisierung von
Menschen mit Fluchterfahrung. „Wir haben schon häufig erlebt, wie
islamistische Anschläge von Rechten instrumentalisiert wurden“, so
Oehlmann. Die Zurückhaltung, mit der sich die meisten Politiker:innen
aktuell zum mutmaßlichen Täter von Würzburg äußerten, nimmt Oehlmann als
positiv wahr.
Gleichzeitig beobachtet die Expertin, dass traumatisierte Geflüchtete für
islamistische Botschaften anfällig sein können. „Eine psychische Belastung,
wie sie offenbar bei dem Angreifer in Würzburg vorlag, ist häufig ein Teil
der Radikalisierung.“
Um solche Anschläge zu verhindern, brauche es geschulte
Mitarbeiter:innen in Unterkünften, eine ausreichende psychosoziale
Beratung für Geflüchtete sowie finanzielle Sicherheit für
Präventionsarbeit, so Oehlmann. Bei vielen Projekten, die über den
Nationalen Präventionsplan der Bundesregierung zum Thema Islamismus
arbeiteten, laufe die Finanzierung Ende des Jahres aus. „Das ist natürlich
verheerend.“
Auch für Daniela Glagla sind die „Hilfsangebote im psychosozialen Bereich
nicht ausreichend und nicht ausreichend finanziell gesichert“. Eine
Vielzahl der Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten sei durch die äußerst
schwierigen Bedingungen in ihren Heimatländern und durch die
Fluchterlebnisse in ihrer psychischen Gesundheit angegriffen und bedarf
fachlich-medizinischer und psychosozialer Hilfen. Die seien in Deutschland
für geflüchtete Menschen häufig nicht gegeben, kritisiert Glagla.
## Dank an mutige Passant:innen
Am Montag äußerten mehrere Politiker:innen ihren Respekt und Dank für
die Würzburger:innen, die den Täter aufhielten. Regierungssprecher Steffen
Seibert sprach von einer „Heldentat“. Bayerns Ministerpräsident Markus
Söder (CSU) kündigte an, die Helfer:innen mit der Bayerischen
Rettungsmedaille auszeichnen zu wollen.
28 Jun 2021
## LINKS
[1] /Messerangriff-in-Wuerzburg/!5783162
## AUTOREN
Ralf Pauli
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Extremismus
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Würzburg
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Schwerpunkt Islamistischer Terror
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Islamismus
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