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# taz.de -- Israel-Palästina-Konflikt: Neue Generation der Wut
> Die neue Eskalation zeigt: Nur wenn die Sicherheit Israels mit den
> Rechten der Palästinenser verbunden wird, kann es eine Lösung des
> Konflikts geben.
Bild: Bild der Zerstörung – Ruinen nach den jüngsten Raketenangriffen in Ga…
Kairo taz | Fast hatte man ihn vergessen, den Nahostkonflikt. Nach außen
hin hatte sich kaum etwas verändert, wenngleich sich die Situation der
Palästinenser mit jedem Jahr weiter verschlechtert hat. Aber das fand
jenseits der Schlagzeilen statt. Selbst als Donald Trump und sein
Schwiegersohn Jared Kushner letztes Jahr die von ihnen initiierte
Normalisierung zwischen Israel und den Arabischen Emiraten sowie Bahrain
als große neue Friedensinitiative zelebrierten, waren die Palästinenser
noch nicht einmal als Statisten dabei.
In den letzten Tagen hat die internationale Gemeinschaft gelernt: Es geht
nicht um die Beziehungen, die Israel mit einigen Golfstaaten unterhält. Der
Kern des Problems ist der Konflikt mit den Palästinensern. Und deren Unmut
und Frust über den Status quo drückt sich in dem aus, was wir nun erleben.
Die jüngsten Unruhen haben eine neue Qualität. Bisher ging es immer um den
vom Rest der Welt abgeschnitten Gazastreifen oder um die Rechte der
Palästinenser in Ostjerusalem oder im Westjordanland, die unter
israelischer Besatzung leben. Nun treten alle Palästinenser, auch jene, die
innerhalb Israels leben, gemeinsam zu Protesten an – mit einer noch nie
dagewesenen Vehemenz.
Welche Brisanz in den Aufstands-Newcomern steckt, den sogenannten
48er-Arabern, also jenen Palästinensern, die im israelischen Staatsgebiet
leben und ein Fünftel der Staatsbürger Israels ausmachen, wurde deutlich
durch die Lynchmorde und gegenseitigen Jagdszenen. Die Grenzen zwischen den
von Israel besetzten Gebieten und dem israelischen Staatsgebiet
verschwimmen dieser Tage. Der Konflikt mit den Palästinensern ist diese
Woche zu allen Israelis nach Hause gekommen. Mit dem Eintreten der
48er-Palästinenser in den Konflikt, verändert sich auch die
palästinensische Perspektive: Hier geht es nicht um eine Zweistaatenlösung
oder um Territorium, sondern um gleiche Rechte als Bürger in einem
israelischen Staat.
Neu ist auch, dass die Proteste in Ostjerusalem nicht mehr mit der Hamas
oder Fatah verbunden sind. Die Jugendlichen, die in Ostjerusalem auf die
Straße gehen, stellen eine neue Generation dar, die nicht nur von der
täglich gelebten Diskriminierung genug hat. Sie ist auch desillusioniert
gegenüber der eigenen politischen Führung – egal, ob sie Fatah oder Hamas
heißt.
## Verheerende Bilder für das kollektive arabische Gedächtnis
[1][Nein, die Hamas-Raketen werden hier nicht ausgeblendet]. Als die
israelische Polizei die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem stürmte und
verheerende Bilder lieferte, die sich in das kollektive arabische
Gedächtnis eingebrannt haben, witterte die Hamas ihre Chance, auf die neue
Protestbewegung aufzuspringen. Über tausend Raketen wurden Richtung Israel
abgeschossen, terrorisierten die Bevölkerung und kosteten unschuldige
zivile Opfer.
Das hat einen doppelten Effekt: Die Raketen bieten Israels Premier
Netanjahu die Gelegenheit, den Konflikt dorthin zu ziehen, wo er den
längeren Hebel hat: auf die militärische Ebene. Und schon hat sich die
internationale Aufmerksamkeit abgewandt von den drohenden Zwangsräumungen
im Ostjerusalemer Stadtteil Sheikh Jarrah.
Aber auch der Hamas-Logik ist die internationale Gemeinschaft gefolgt. Als
die Palästinenser in Ostjerusalem von Siedlern terrorisiert wurden und
einigen die Räumung drohte, hatte sie unbeteiligt zugesehen. Sie schreckte
erst auf, als die ersten Raketen flogen. Das ist das Traurigste: Die
Palästinenser werden international erst wahrgenommen, wenn sie die Schwelle
der Gewalt überschreiten.
Der Raketenbeschuss und die israelischen Bombardements werden wohl in ein
paar Tagen nach amerikanischer und ägyptischer Vermittlung beendet werden.
Was bleibt, ist die viel größere Herausforderung der Proteste innerhalb
Israels. Hier gibt es keinerlei Vermittlung. Das ist der roheste Nerv des
Nahostkonflikts.
## Verschiebung des palästinensischen Diskurses
Aber noch etwas hat sich verändert: Wir erleben eine Verschiebung des
palästinensischen Diskurses und eine neue Generation von Palästinensern,
die sich eloquent Raum in der internationalen Wahrnehmung des Konflikts
verschafft. Es ist ein Diskurs weg von Territorium und der
Zweistaatenlösung hin zu gleichen Rechten zwischen Israelis und
Palästinensern. Auch hier verschwimmen die alten Linien der Palästinenser,
die im Westjordanland unter Besatzung leben, in Ostjerusalem gegen
Zwangsräumung kämpfen, in Gaza isoliert sind oder in innerhalb Israels als
Bürger zweiter Klasse leben. Der gemeinsame Appell lässt sich
zusammenfassen mit einem „Auch wir haben Rechte“. Sie vergleichen sich mit
der Black-Lives-Matter-Bewegung in den USA und machen daraus Palestinian
Lives Matter. Statt des Wortes „Besatzung“ macht unter den Palästinensern
wie unter Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch immer mehr
das Wort „Apartheid“ die Runde. Auch das ist neu.
[2][Alt ist dagegen die internationale Reaktion auf die Ereignisse der
letzten Tage.] Wir vernehmen erneut die von Inhalten befreite Rhetorik, bei
der es nicht wirklich darum geht, den Konflikt zu lösen. Ein erster Schritt
wäre ohnehin die Suche nach einem Konsens über die Realität, ohne den es
keine echte Lösung geben wird. Sich einseitig auf eine Seite zu schlagen
und reflexartig Lippenbekenntnisse zur Zweistaatenlösung von sich zu geben,
wird diesen Konflikt nicht lösen. Nur wenn die Sicherheit Israels verbunden
wird mit der israelischen Besatzung des Westjordanlands, der katastrophalen
Lage in Gaza, der Diskriminierung innerhalb Israels und der schleichenden
Vertreibung aus Ostjerusalem, beginnen wir über eine Lösung zu sprechen.
Wir können unseren Kopf weiter in den Sand stecken, was in den letzten
Jahren auch gut gegangen ist. Aber in Wirklichkeit war die Situation nie
nachhaltig. Und dabei ist völlig egal, ob man sich als proisraelisch oder
propalästinensisch definiert.
13 May 2021
## LINKS
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[2] /Unruhen-in-Nahost/!5765928
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
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