# taz.de -- Eskalation der Gewalt im Gazastreifen: Aufruf, Völkerrecht zu resp… | |
> Die Gewalt im Nahen Osten hält an. Ein Haus mit Medienbüros wurde | |
> zerstört, darunter dem der Nachrichtenagentur AP. Die USA werden | |
> diplomatisch aktiv. | |
Bild: Ein AP-Korrespondent hatte noch erklärt, dies sei der einzige Ort in Gaz… | |
Brüssel/Tel Aviv/Jerusalem/Gaza dpa/ap/reuters | Israels Ministerpräsident | |
Benjamin Netanjahu hat nach eigenen Angaben mit US-Präsident Joe Biden über | |
den Gazakonflikt gesprochen. Er habe Biden am Telefon über Entwicklungen | |
und Maßnahmen informiert, die Israel ergriffen habe und noch ergreifen | |
wolle, teilte der israelische Regierungschef am Samstag auf Twitter mit. Er | |
dankte dem amerikanischen Präsidenten zudem für die „bedingungslose | |
Unterstützung“ der USA, wenn es um Israels Recht auf Selbstverteidigung | |
gehe. Das Gespräch zwischen Netanjahu und Biden war das erste offizielle | |
seit Beginn des Konflikts. | |
Die USA hat nach eigenen Angaben den Verbündeten an die Pflicht zum Schutz | |
der Presse hingewiesen. Man habe Israel erklärt, „dass die Gewährleistung | |
der Sicherheit von Journalisten und unabhängigen Medien eine vordringliche | |
Aufgabe ist“, sagte Präsidialamts-Sprecherin Jen Psaki am Samstag. | |
Netanjahu habe Biden versichert, dass Israel alles tue, damit an den | |
Kämpfen Unbeteiligte nicht zu Schaden kämen. Biden sprach auch mit | |
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, wie dessen Büro bekanntgab. | |
Einzelheiten wurden zunächst nicht bekannt. Abbas' Fatah-Bewegung ist die | |
Erzrivalin der radikalislamischen Hamas, die sich seit Montag die | |
heftigsten Gefechte seit Jahren mit Israel liefert. | |
Nach tagelangen Vermittlungsversuchen im eskalierten Nahostkonflikt hat | |
EU-Chefdiplomat Josep Borrell dazu aufgerufen, das Völkerrecht zu | |
respektieren. Es müsse vollen humanitären Zugang zum Gazastreifen geben, | |
teilte der Hohe Vertreter der EU am Samstagabend nach zahlreichen | |
Gesprächen mit Vertretern der Konfliktparteien unter anderem mit. | |
Gleichzeitig verurteilte er die islamistische Hamas und andere Gruppen, die | |
mit Raketen zivile Ziele in Israel angriffen. Israel habe das Recht, seine | |
Bevölkerung vor diesen Angriffen zu schützen, müsse aber angemessen handeln | |
und zivile Opfer vermeiden. | |
Borrell betonte, dass die zugrundeliegenden Ursachen, die zu der aktuellen | |
Situation geführt hätten, angegangen werden müssten. Der Status Quo der | |
Heiligen Stätten müsse gewahrt werden. Die Siedlungsaktivitäten Israels, | |
Abrisse und Räumungen auch in Ostjerusalem sollten enden. Der Tempelberg | |
mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee ist sowohl die drittheiligste | |
Stätte im Islam als auch im Judentum von größter Bedeutung, weil dort | |
früher zwei jüdische Tempel standen, von denen der letzte im Jahr 70 von | |
den Römern zerstört wurde. Die Lage im arabisch geprägten Ostteil | |
Jerusalems ist seit Beginn des Fastenmonats Ramadan angespannt. | |
## Angriff auf Hochhaus mit Medienbüros | |
Am Samstag Nachmittag hatte ein israelischer Luftangriff ein Gebäude mit | |
den Büros der Nachrichtenagentur AP und weiterer Medien in Gaza zerstört. | |
Währenddessen bemühen sich die USA intensiv um Deeskalation in dem | |
Konflikt. Wie die US-Botschaft in Israel am Freitagabend mitteilte, landete | |
der Spitzendiplomat Hady Amr auf dem Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv. | |
US-Außenminister Antony Blinken hatte ihn gebeten, sich mit Vertretern | |
beider Seiten zu treffen. | |
Der Fernsehsender Al-Dschasira, der ebenfalls ein Büro in dem aus der Luft | |
attackierten Hochhaus in Gaza hatte, berichtete am Samstag live über den | |
Angriff, bei dem das Gebäude zusammenbrach. „Dieser Kanal wird nicht | |
schweigen. Al-Dschasira wird nicht zum Schweigen gebracht werden“, sagte | |
die Moderatorin mit bewegter Stimme. „Das können wir ihnen gerade jetzt | |
garantieren.“ | |
Etwa eine Stunde zuvor hatte der Besitzer des Hauses eine Warnung erhalten. | |
Das israelische Militär habe ihn angerufen und aufgefordert | |
sicherzustellen, dass das Gebäude binnen einer Stunde geräumt werde, sagte | |
Dschauwad Mahdi. AP-Angestellte und Einwohner verließen daraufhin in | |
panischer Flucht das Haus. Als AP daraufhin den israelischen | |
Militärsprecher Jonathan Conricus kontaktierte, sagte dieser, ihm sei von | |
solchen Angriffsplänen nichts unmittelbar bekannt. Er werde das aber | |
prüfen. Eine Erklärung für den Angriff gab es zunächst nicht. | |
Der AP-Korrespondent Fares Akram hatte kurz zuvor noch erklärt, der einzige | |
Ort in Gaza, an dem er sich einigermaßen sicher fühle, sei das AP-Büro. | |
„Das israelische Militär hat die Koordinaten des Hochhauses, also ist es | |
weniger wahrscheinlich, dass eine Bombe es zum Einsturz bringt“, schrieb | |
Akram, der seit 2014 in Gaza arbeitet. | |
## Angebot Ägyptens von Israel abgelehnt | |
Der Konflikt zwischen Israel und der im Gazastreifen herrschenden Hamas | |
[1][war zu Wochenbeginn eskaliert]. Militante Palästinenser beschießen | |
Israel fortwährend mit Raketen – nach Angaben der israelischen Armee waren | |
es zuletzt bereits rund 2.300. Israel reagiert mit massiven Angriffen in | |
dem Küstengebiet. Wie die Deutsche Presse-Agentur zuvor aus ägyptischen | |
Sicherheitskreisen erfuhr, lehnte Israel ein Angebot Ägyptens zur | |
Vermittlung einer Feuerpause ab. | |
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza wurden dort seit der | |
Eskalation des Konflikts am Montagabend rund 140 Menschen getötet und 1.000 | |
verletzt. Wie Israels Armee mitteilte, kamen in Israel durch den | |
Raketenbeschuss der vergangenen Tage acht Menschen ums Leben. | |
Heftige Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und israelischen | |
Sicherheitskräften gab es am Freitag auch in mehreren Orten im | |
Westjordanland. Dabei starben nach Angaben des palästinensischen | |
Gesundheitsministeriums mindestens neun Menschen, 21 weitere wurden schwer | |
verletzt. Israels Armee reagierte zunächst nicht auf Anfragen zu den | |
Angaben. | |
## Konflikt verschärfte sich nach Absage der Wahlen | |
Im dicht besiedelten Gazastreifen leben etwa zwei Millionen Menschen. Die | |
Humanitäre Koordinatorin für die Palästinensergebiete, Lynn Hastings, | |
erklärte, die Vereinten Nationen schätzten, dass wegen der andauernden | |
Feindseligkeiten bereits rund 10.000 Palästinenser ihre Häuser im | |
Gazastreifen hätten verlassen müssen. | |
Israel und Ägypten halten den Gazastreifen unter Blockade und begründen | |
dies mit Sicherheitserwägungen. Die islamistische Hamas wird von Israel, | |
den USA und der EU als Terrororganisation eingestuft. Sie hat die | |
Zerstörung Israels zu ihrem Ziel erklärt. | |
Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern hatte sich während des | |
muslimischen Fastenmonats Ramadan und nach der Absage der palästinensischen | |
Parlamentswahl zugespitzt. Als Auslöser gelten etwa | |
[2][Polizei-Absperrungen in der Jerusalemer Altstadt], die viele junge | |
Palästinenser als Demütigung empfanden. | |
Hinzu kamen Auseinandersetzungen von Palästinensern und israelischen | |
Siedlern im Jerusalemer Viertel Scheich Dscharrah wegen Zwangsräumungen | |
sowie heftige Zusammenstöße auf dem Tempelberg (Al-Haram al-Scharif). Die | |
Anlage mit Felsendom und Al-Aksa-Moschee ist die drittheiligste Stätte im | |
Islam. Sie ist aber auch Juden heilig, weil dort früher zwei jüdische | |
Tempel standen. Die islamistische Hamas hat sich zum Verteidiger Jerusalems | |
erklärt. | |
## Gedenktag könnte zu mehr Gewalt führen | |
Am Samstag ist Tag der Nakba (Katastrophe). Die Palästinenser gedenken dann | |
der Vertreibung und Flucht Hunderttausender Palästinenser im Zuge der | |
israelischen Staatsgründung 1948. Es könnte zu neuer Gewalt kommen. In | |
diesem Jahr fällt der Tag zusammen mit dem dritten Tag des | |
Eid-al-Fitr-Festes, des sogenannten Zuckerfestes zum Ende des Ramadans. | |
Für Besorgnis in Israel sorgten zusätzlich zwei Vorfälle im Norden. Zwei | |
Demonstranten aus dem Libanon kamen bei Zusammenstößen an der Grenze zu | |
Israel ums Leben, einer von ihnen durch Panzerfeuer. Ein 21-Jähriger sei | |
getroffen worden, nachdem er mit Dutzenden anderen am Freitag über den | |
Grenzzaun auf israelisches Gebiet gelangt sei, berichtete die staatliche | |
libanesische Agentur NNA. Laut Augenzeugen wurde er am Bauch getroffen und | |
starb später im Krankenhaus. Ein zweiter Demonstrant wurde den Angaben nach | |
angeschossen und erlag später seinen Verletzungen, wie Sicherheitskreise | |
bestätigten. | |
Die israelische Armee bestätigte, dass Panzer Warnschüsse auf eine Gruppe | |
von Randalierern abgefeuert hätten. Die Demonstranten hatten ihre | |
Solidarität mit den Menschen in Gaza und Jerusalem gezeigt und | |
palästinensische Flaggen mit Blick auf das Dorf Metula im Norden Israels | |
geschwenkt. Die UN-Friedensmission Unifil teilte mit, im Kontakt mit der | |
israelischen und libanesischen Armee zu stehen, um eine weitere Eskalation | |
zu verhindern. | |
Wie Israels Armee mitteilte, wurden zudem am Freitagabend drei Raketen von | |
Syrien aus in Richtung Israel abgefeuert. Eine davon sei auf syrischem | |
Boden niedergegangen. Nähere Einzelheiten nannte Israels Militär nicht. | |
Berichte über mögliche Schäden gab es zunächst nicht. | |
15 May 2021 | |
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