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# taz.de -- ZSK-Sänger Joshi über Punk und Politik: „Lasst die Kids doch ma…
> Die Punkband ZSK wurde mit ihrem Song über Christian Drosten berühmt. Ein
> Gespräch mit Sänger Joshi über Coronaleugner und Fridays for Future.
Bild: Plötzlich fanden auch Ärzt*innen und ältere Leute Joshi und seine Band…
taz am Wochenende: Joshi, die Musik Ihrer Band ZSK könnte man als
euphorischen Skatepunk bezeichnen.
Joshi: Euphorisch mag ich.
Ihr Song über Christian Drosten hat Sie in Kreisen bekannt gemacht, die
sonst vielleicht keinen Punk hören.
Die [1][Drosten-Nummer] war verrückt. Da hat etwa ProSieben mir ein
Fernsehteam in den Urlaub an der Ostsee geschickt, weil sie unbedingt ein
Interview wollten. RTL kam zu uns in den Proberaum. Die kleine
Scheißpunkband aus Kreuzberg läuft plötzlich im Deutschlandradio mit ihrem
Drosten-Song, das war sehr ulkig. Das haben viele Leute gehört und gesehen,
die sonst nichts mit unserer Musik zu tun haben, aber auch in Zukunft
nichts zu tun haben wollen, glaub ich! Uns haben Ärzte, Wissenschaftler und
ältere Leute geschrieben, die das cool finden. Oft hieß es: Bei mir in der
Klinik gibt’s auch Coronaleugner, ich hasse die. Viele haben sich bedankt,
weil es uns darum geht, all jene in Schutz zu nehmen, die Tag und Nacht
arbeiten, damit Menschen nicht sterben, und dafür von Nazis, AfDlern,
Reichsbürgern und Coronaleugnern massiv beschimpft und bedroht werden.
Hat Ihr jüngster Charterfolg was mit dem Drosten-Clip zu tun?
Das Stück hat sicher unseren Namen bekannter gemacht, aber ich glaube
nicht, dass deswegen signifikant mehr Leute unsere neue Platte „Ende der
Welt“ gekauft haben. Wobei wir auf Platz 3 der deutschen Charts waren, das
ist unfassbar. Gerade in diesen beschissenen Pandemiezeiten gibt es wohl
viele Fans, die bewusst sagen: Die Platte kaufe ich mir jetzt, um denen zu
helfen.
Die [2][Musik von ZSK] ist von amerikanischem Hardcore-Punk beeinflusst,
die Texte sind meist auf Deutsch.
Unsere Texte waren schon immer gemischt, aber das Englische wurde weniger
und das Deutsche mehr. Ich finde es schöner auf Deutsch, weil die Leute es
besser verstehen. Ich mag nicht diesen Studentenkram: „Oh, ich fühl mich
jetzt irgendwie sooo …, und ich sag so verschrobenen Kram, den keiner
versteht.“ Aber megaplatt mag ich es auch nicht. Das ist die hohe Kunst,
Sachen zu bringen, die verständlich sind, aber nicht megaplatt.
Aber Sie haben auch keine Hemmungen, altbekannte Demo-Slogans zu vertonen.
Ja, das haben wir oft gemacht. Auf dem aktuellen Album gibt es das Stück
„No justice, no peace“. Das ist der Slogan von Black Lives Matter, der uns
sehr bewegt hat. In den Texten taucht ja das auf, was wir erlebt haben. Und
dazu gehört auch, auf Demonstrationen zu gehen, wo „Alerta antifascista“
skandiert wird. Manche Kids denken, der Spruch sei von uns. Den Song wollte
ich damals nicht aufnehmen. Ich habe unserem Produzenten gesagt, ich hab da
zwar noch einen Song, aber das ist mir zu platt. Es ist ein Riesenhit auf
Youtube, inzwischen fast 6 Millionen Klicks. Bands aus der ganzen Welt
haben den Song gecovert, russische, spanische, italienische.
Auf dem neuen Album gibt es ein Lied mit dem Refrain „Ganz Deutschland
hasst die AfD“.
Es haben uns schon Leute geschrieben, das sei nicht in Ordnung, weil man
sich damit selbst als Teil von Deutschland verstehe. Aber ich kann mir
nicht vorstellen, dass irgendein Fan von uns glaubt, dass wir die deutsche
Nation oder das Konzept von Nationalstaaten gut finden. Es geht um den
geografischen Raum. Ich kann ja schlecht singen „ganz Berlin“, dann haben
die Münchner und Hamburger nichts davon. Aber live werde ich das auf die
jeweilige Stadt anpassen.
Haben Sie beim Schreiben manchmal Lust auf mehr Ambivalenz?
Ich mach ja alle Texte, und ich kann das einfach nicht. Das würde mich so
krass langweilen. Ich mag nicht, wenn nur drumrumgeredet wird und jeder
alles reininterpretieren kann. Das heißt aber nicht, dass wir nur
knallharte politische Texte haben. Wir haben im Gegensatz zu anderen
Politbands viele Songs über Freundschaft und Liebe.
Sie haben den Tod Ihrer Mutter in einem Lied verarbeitet.
Das ist so passiert, wie im Song beschrieben. Es war beim Soundcheck in
Stuttgart, 2016, als meine Mutter in Göttingen im Sterben lag. Sie war sehr
krank, aber man wusste nicht, wie schlimm es ist. Kurz bevor wir auftreten
sollten, kam der Anruf. Wir saßen im Backstage, und der erste Gedanke ist
natürlich: Wir sagen das ab und fahren nach Hause. Dann dachte ich aber,
was soll das jetzt bringen? Unsere Eltern haben uns immer geholfen mit der
Band. Sie haben uns einen Proberaum gegeben, einen alten Luftschutzbunker,
direkt unter unserem Wohnzimmer. Es muss schrecklich für sie gewesen sein:
Wir haben sehr viel, anfangs sehr schlechte Musik sehr laut gespielt. Das
haben sie ausgehalten, und wenn wir auf Tour gegangen sind, damals spielte
mein Bruder noch Schlagzeug und wir gingen zur Schule, haben sie uns
Entschuldigungen geschrieben.
Ich dachte also – das mag jetzt cheesy klingen –, sie fände es auch cool,
wenn wir dieses Konzert spielen. In Extremsituationen funktioniere ich gut.
In Zürich haben wir einmal gespielt, während die Polizei das Publikum mit
Gummigeschossen eingedeckt hat. Wir haben in Stuttgart aber keine Zugabe
gegeben. Ich bin von der Bühne gegangen und backstage aus dem Fenster
geklettert. Dann hat mich ein Bandkollege nach Göttingen gefahren. Wie
wichtig Freunde sind, merkst du erst in so einem Moment.
ZSK gibt es seit fast 25 Jahren. Auf Ihren Konzerten sieht man viele junge
Leute. Die wachsen stetig nach?
Ja, das ist so und freut mich sehr. Es gibt oft Klugscheißer, die sagen:
„Ihr habt so ein junges Publikum, und die rufen dann zwischen den Liedern
‚Nazis raus‘, dabei sind doch gar keine Nazis in der Halle.“ Ich sage dann
immer: Alter, jetzt sag du mir doch mal, wie warst denn du mit 16? Warst du
da megagecheckt und hast schon alle Bücher gelesen?
Auf dem neuen Album feiern Sie die Jungen: „Die Kids sind okay“.
Wir als alte Leute haben überhaupt kein Recht, einer 16 Jahre alten
Fridays-for-Future-Schülerin zu sagen: „Aber wir haben das damals anders
gemacht! Als wir beim Castor auf den Gleisen saßen.“ Lasst die doch machen,
die machen das schon richtig! Was uns richtig wütend macht, ist der
unfassbare Hass, den Leute wie Greta Thunberg abkriegen. Diese
Vergewaltigungs- und Morddrohungen, dass sie als „behindert“ beschimpft
wird von komischen alten weißen Männern, das macht mich verrückt.
Ihr aktuelles Album hat den Titel „Ende der Welt“ und ist von einer
kämpferischen Haltung geprägt.
Ich muss sagen, so bedroht habe ich mich und uns ganz konkret als Künstler
und Band noch nie gesehen. Als wir groß geworden sind, gab es die NPD, eine
sehr gefährliche Partei mit einem Arm in die militante Naziszene hinein,
damals vertreten in zwei Landtagen. Aber es stand nie ernsthaft zur
Debatte, dass die in den Bundestag kommen. Sie konnten wenig erreichen im
Vergleich zu dem, was die AfD jetzt tun kann mit eigener Stiftung, Zugang
zum wissenschaftlichen Dienst des Bundestags, Millionen Euro durch die
Wahlkampfkostenerstattung.
Die AfD hat viele rechte Kader und Burschenschaftler in Lohn und Brot
gebracht, die sonst vielleicht als rechter Anwalt gearbeitet und in ihrer
Freizeit rechte Propaganda gemacht haben. Jetzt können sie das in Vollzeit
tun. Ich merke es bei uns als Band, dass Jugendzentren und Clubs, die
Fördergelder bekommen, Angst haben, weil die AfD so viel Druck macht. Wenn
die AfD etwa Miteinander e. V. in Magdeburg die Gelder entziehen will,
sitzen sie inzwischen wirklich an den Hebeln. Diese Dimension der Gefahr
eines Rechtsrucks ist vielen noch gar nicht klar. Die AfD hat verstanden,
dass die Leute, die sich ihnen entgegenstellen, in einer nichtrechten,
alternativen Jugendkultur und im gesamten Kulturbereich zu finden sind, der
sich für Menschenrechte, für Aufklärung und gegen Rassismus engagiert. Das
wollen sie zerstören, weil das ihr schlimmster Gegner ist. Sie setzen alles
daran, das kaputt zu machen.
Als Punkband kann man aber auch Schwierigkeiten bekommen, wenn man wie der
Trommler von Feine Sahne Fischfilet mit nacktem Oberkörper, also
„sexistisch“, Schlagzeug spielt.
Manchmal gibt es Leute, die eine bestimmte Textzeile nicht in Ordnung
finden. Wir versuchen mit allen zu reden, und das funktioniert auch. Ich
hab ganz früher die Zugabe nackt gespielt. Nur mit Gitarre bekleidet. Wir
hatten große Freude daran, verrückte Dinge zu tun, was man als Punk so
macht. Ich finde es auch weiterhin völlig in Ordnung, mit 16 mal nackt die
Zugabe gespielt zu haben, auch wenn ich es heute nicht mehr machen würde.
17 Apr 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Ulrich Gutmair
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