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# taz.de -- Der Literaturhauschef und das Gender-*: Fester Glaube
> Save our German: Eine ganze Seite überließ die „F.A.Z.“ dafür jetzt
> Hamburgs Literaturhauschef Rainer Moritz.
Bild: Stern*chen des Anstoßes: geschlechtersensible Anrede „Kolleg*innen“
Eigentlich ist die Sache ganz einfach: Wenn eine Sache den Menschen übers
Tierreich erhebt, nicht zuletzt in seinen eigenen Augen, dann ist das die
Sprache. Was könnte mehr Kultur sein – im Unterschied zur Natur – als
Zeichensysteme und die Art und Weise, wie sie mit Bedeutung gefüllt werden?
Ganz so einfach ist die Sache nicht. Denn wenn Verlass ist auf etwas, dann
darauf, dass Menschen, die der Veränderung eher nicht so zugewandt sind,
fest daran glauben, dass sie sich natürlich entwickele, die Sprache. Auch
das im Unterschied zu etwas, nämlich diesem menschengemachten
[1][Genderunfug], also dem dreisten Wunsch aller Nichtmänner, auch
abgebildet zu werden in den Worten, statt bloß „mitgemeint“ in der
angeblich neutralen männlichen Form.
## „Unumstößliches Regelwerk“
„Veränderungen wie diese rufen immer wieder scharfe Kritik hervor. Denn in
Sprachangelegenheiten regiert der feste Glauben an ein unumstößliches
Regelwerk, das keine Aufweichung dulde. Konservatismus findet hier sein
ureigenes Revier.“ Was klingt, als käme es aus einer Kampfschrift der nicht
ganz jungen feministischen Sprachwissenschaft, stand am Montag in der –
solcher Grillen maximal unverdächtigen – [2][Frankfurter Allgemeinen
Zeitung].
Eine ganze Seite hatte man Rainer Moritz überlassen, Leiter des Hamburger
Literaturhauses, für seine Überlegungen zur sprachlichen
Gleichberechtigung. Nicht im bestens beleumundeten Feuilleton allerdings
sinnierte der studierte Germanist da aber übers Gendersternchen, sondern im
Politik-Ressort.
Und wer immer den Gastbeitrag betreut hatte: Ihn oder – weniger
wahrscheinlich – sie trieb Politisches um. Anmoderiert ist der Text, als
müsste unser schönes freies Deutsch verteidigt werden gegen die
Genderdiktatur: Vom „Wunsch, Sprache zu lenken und Kultur zu ‚säubern‘�…
da prominent die Rede. Auch wenn er am Ende bei längst zum Gemeinplatz
Geronnenen ankommt, von der leicht angegrabbelten Rede über die
„linksidentitären Kreise“ bis zur echte Meisterdenker*innenschaft
ausweisenden „Unfähigkeit, Ambivalenz auszuhalten (Svenja Flaßpöhler)“:
Moritz' Gedankengang ist an Nuancen reicher, als die F.A.Z. es ihren
Lesenden offenbar glaubte zumuten zu können – die Verkaufe ist wohliger
Kulturkampf-Grusel für die Frühstückstische (nicht nur) im saturierten
Taunus.
## Die Ideologie – der anderen
Schreckliches Unrecht freilich ist dem Mann damit auch nicht angetan
worden: [3][Immer wieder] hat Moritz [4][in der Vergangenheit]
angeschrieben und -diskutiert gegen ideologisches Überregulieren der
Sprache, geriet aber auch gern mal gehörig ins Schwimmen dabei – die
„unsichtbare Hand“, die er auch jetzt wieder bei offenbar weniger
problematischen Formen des Sprachwandels am Werk sah: Sie ist ja eine
Metapher; mithin etwas, mit dem Moritz sich auskennt.
Das absichtsvolle, das Lenken, das Ringen um Repräsentation und
Deutungshoheit: All das weiß er, Pardon, natürlich nur bei anderen zu
erkennen, kaum mal bei sich selbst. Aber [5][Projektion], wie sie da jetzt
wieder am Werk gewesen sein wird, beim Hamburger Autor und dem Frankfurter
Redakteur, die ist ja auch gar nicht Teil der Germanistik.
17 Apr 2021
## LINKS
[1] /Gendergerechte-Sprache/!t5009663
[2] https://zeitung.faz.net/faz/politik/2021-04-12/stimmts-oder-hab-ich-recht/5…
[3] https://chrismon.evangelisch.de/artikel/2021/51079/gabriele-diewald-und-rai…
[4] https://www.deutschlandfunk.de/anne-wizorek-vs-rainer-moritz-brauchen-wir-d…
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Projektion_(Psychoanalyse)
## AUTOREN
Alexander Diehl
## TAGS
Gender
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