# taz.de -- Berlin bekommt ein Lobbyregister: R2G lässt Licht in die Lobby | |
> Rot-Rot-Grün will mehr Transparenz: Schriftliche Einflussnahmen auf ein | |
> Gesetz soll künftig veröffentlicht werden. Lobbycontrol fehlen | |
> Sanktionen. | |
Bild: Lassen wie Fassendenkletter:innen Licht in die Lobby der Parlamente: Lobb… | |
BERLIN taz | Provisionen in der [1][Maskenaffäre der CDU/CSU], Großspenden | |
der Immobilienwirtschaft [2][für die CDU Berlin] oder die Millionenspende | |
eines [3][Bitcoin-Millionärs für die Grünen]: Viel wurde in den vergangenen | |
Wochen darüber diskutiert, was noch legitimer Lobbyismus ist und wann | |
eigentlich die Schwelle zur Korruption überschritten ist. | |
In Berlin soll politische Einflussnahme von | |
Interessensvertreter:innen künftig zumindest transparenter sein: Die | |
rot-rot-grüne Landesregierung will in Zukunft mit einem Lobbyregister die | |
Einflussnahme von Verbänden, juristischen Personen und Initiativen auf | |
Gesetzgebungsverfahren erfassen und veröffentlichen. Eine Regelung dafür | |
ist [4][schon länger in der Diskussion] und soll am Donnerstag im | |
Abgeordnetenhaus in erster Lesung beschlossen werden. | |
Das Lobbyregister soll mehr Transparenz darüber schaffen, wer wieso weshalb | |
und warum auf ein Gesetz Einfluss nehmen will. Es soll vor allem den | |
sogenannten legislativen Fußabdruck erfassen. Damit ist gemeint, dass | |
künftig zu jedem Gesetz alle schriftlichen Stellungnahmen, Gutachten, | |
Eingebungen oder sonstige Versuche der Einflussnahme und sogar E-Mails von | |
juristischen Personen, Verbänden und sonstigen möglichen Lobbyist:innen | |
für alle einsehbar veröffentlicht werden. Und zwar sowohl im Parlament | |
gegenüber Fraktionen und Abgeordneten als auch in den Senatsverwaltungen. | |
Dafür plant Rot-Rot-Grün ein maschinenlesbares, öffentliches | |
Opendata-Portal auf der Website des Abgeordnetenhauses. | |
Lobbyismus ist nicht per se böse, sondern zunächst einmal in Demokratien | |
ein normaler Teil politischer Entscheidungsprozesse. Idealtypisch sorgen | |
Politikberater:innen oder Interessengruppen für Informationen und | |
Argumente in einem Entscheidungsprozess über ein komplexes Problem. Dass | |
Einflussnahme sich aber durch finanzielle Vorteile schnell in Korruption | |
wandeln kann und Politiker:innen Unternehmen zu Profiten verhelfen | |
können, ist in den vergangenen Monaten überdeutlich geworden und hat Rufe | |
nach einem Lobbyregister verstärkt. | |
## Für Lobbycontrol fehlen Sanktionen | |
Timo Lange von Lobbycontrol, einem Verein für mehr Transparenz über | |
Einflussnahme in der Politik, hat sich das Berliner Gesetz angeschaut. „Das | |
geplante Lobbyregister ist ein deutlicher Schritt zu mehr Transparenz“, | |
sagt er. „Berlin ist damit in die Spitzengruppe der Länder aufgerückt.“ G… | |
sei, dass man den legislativen Fußabdruck erfassen wolle – das Ende des | |
Jahres für den Bundestag in Kraft tretende Lobbygesetz im Bundestag lasse | |
eine solche Regelung vermissen. | |
Es sei zudem gut, „dass die neuen Transparenzregeln künftig nicht nur für | |
das Parlament, sondern auch für die Verwaltung gelten“, sagt Lange, der | |
selbst ja auch irgendwie Lobbyist gegen Lobbyismus ist. Auf das Berliner | |
Gesetz habe Lobbycontrol allerdings keinen direkten Einfluss genommen, sagt | |
er auf taz-Anfrage. | |
Allerdings sei auch nicht alles perfekt: „Was fehlt, sind Sanktionen“, sagt | |
Lange, „wenn sich jemand nicht an die Regeln hält, muss es Folgen haben.“ | |
Er schlägt dafür eine Ordnungswidrigkeit mit Bußgeld oder eine öffentliche | |
Ermahnung vor. Zudem würden nur schriftliche Einflussnahmen erfasst, nicht | |
jedoch mündliche. Persönliche Gespräche oder Anrufe zum Zweck der | |
Einflussnahme müssen auch künftig nicht verzeichnet werden. Entscheidend | |
sei die Umsetzung: Lange wünscht sich jetzt ein schönes und transparentes | |
Online-Portal, auf dem alle Bürger:innen einfach nachvollziehen könnten, | |
welche Lobbyist:innen sich zu welchem Gesetz geäußert haben. | |
Insgesamt überwiegt für Lobbycontrol die Freude über das Gesetzesvorhaben, | |
das noch vor der Sommerpause im Juni zum Abschluss gebracht werden soll. | |
„Wir haben uns in Berlin seit 2011 dafür ausgesprochen“, sagt Lange, „du… | |
die jüngsten Skandale haben die Parteien und Fraktionen gemerkt, dass der | |
Schaden für die Demokratie groß ist, wenn die Menschen das Vertrauen | |
verlieren.“ Auf der Bremse gestanden habe in Vergangenheit auf Bundesebene | |
vor allem die CDU/CSU. Zum neuen Lobbyregister wollte sich die CDU-Berlin | |
auf taz-Anfrage bisher nicht äußern. | |
Besonders eingesetzt hat sich für das Gesetz übrigens eine ehemaliger | |
Lobbyist von Mehr Demokratie e. V., der mittlerweile einen Rollentausch | |
vollführt hat: Michael Efler ist zwar noch passives Mitglied bei Mehr | |
Demokratie, sitzt aber mittlerweile für die Linke im Abgeordnetenhaus und | |
ist mit dem Gesetz sehr zufrieden: „Wir haben ein weitreichendes Gesetz | |
gemacht und auch den legislativen Fußabdruck eingeführt, der im Bund | |
umstritten ist und von der CDU abgelehnt wird“, sagt er. | |
Besonders wichtig sei gewesen, den gesamten Prozess der Gesetzgebung zu | |
erfassen – also nicht nur das Parlament, sondern auch das, was sich | |
vorgeschaltet in den Senatsverwaltungen abspiele. So bekäme man auch den | |
„Umweglobbyismus“ über Anwaltskanzleien und Unternehmensberatungen in den | |
Griff, sagt Efler. In Kraft treten soll das Gesetz ab der nächsten | |
Wahlperiode nach der Abgeordnetenhauswahl im September. | |
## Mails von Privatpersonen nicht veröffentlichungspflichtig | |
Warum keine Sanktionen enthalten sind? „Wir wollen erst mal die Erfahrungen | |
abwarten und haben uns entschieden, das Gesetz inhaltlich weit zu fassen, | |
aber erst mal keine Sanktionsregeln zu verankern.“ Aber vielleicht prüfe | |
man diese Möglichkeit auch noch mal, sagt Efler. | |
Und warum man mündliche Einflussnahmen außen vor gelassen habe? Da habe man | |
eine Trennlinie gesetzt, genau wie etwa Mails von Privatpersonen an | |
Verwaltungsbeamte oder Abgeordnete, die nicht veröffentlichungspflichtig | |
seien. „Wenn ich auf einer politischen Veranstaltung bin und mir jemand | |
danach am Biertisch seine Visitenkarte zusteckt und mich volltextet, wäre | |
das eintragungspflichtig. Das wäre eine komische Situation“, sagt Efler. | |
Aus seiner eigenen Erfahrung als Lobbyist für Mehr Demokratie e. V. sagt | |
der Abgeordnete, dass man sich für ernsthafte Einflussnahme ohnehin früher | |
oder später auch schriftlich äußern müsse. | |
Technisch sei es für Lobbyist:innen nur ein kleiner Mehraufwand: Wenn | |
man sich an einem Gesetz beteiligt, muss man [5][laut Antrag] dies dem | |
Präsidenten des Abgeordnetenhauses melden und dazu allgemeine Angaben | |
machen: Name und Rechtsform der Beteiligten sowie Interessenbereich. | |
Anwaltskanzleien und Unternehmensberatungen oder sonstige Unternehmen, die | |
Geschäfte für Dritte wahrnehmen, müssen zudem ihre Auftraggeber:innen | |
nennen. Die schriftlichen Eingebungen müssten von der dafür zuständigen | |
Verwaltung übersandt werden. Mindestens eine neue Stelle soll es fürs neue | |
Register geben. | |
Efler sagt: „Wenn jemand ernsthaft Angst davor hat, haben wir die Richtigen | |
erfasst. Wer eine gute und nicht anrüchige Interessenvertretung macht, hat | |
damit kein Problem.“ | |
21 Apr 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Schutzmasken-Affaere-der-Union/!5756249 | |
[2] /500000-Euro-Spende-an-die-CDU/!5738635 | |
[3] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/gruene-erhalten-rekordspende-von… | |
[4] /Berlin-soll-ein-Lobbyregister-bekommen/!5693224 | |
[5] https://www.parlament-berlin.de/ados/18/IIIPlen/vorgang/d18-3563.pdf | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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