# taz.de -- Berlin soll ein Lobbyregister bekommen: Die dunkle Seite der Politik | |
> Eine Lehre aus dem Fall Philipp Amthor: Es braucht Lobbyregister – auch | |
> auf Landesebene. Doch trotz Gesetzentwurf lässt es in Berlin auf sich | |
> warten. | |
Bild: Der CDU-Politiker Philipp Amthor gilt als Beispiel für einen Lobbyisten | |
BERLIN taz | Lobbyismus – das klingt böse. Und bisweilen entstehen durch | |
die alltäglichen Kontakte zwischen PolitikerInnen und anderen Menschen | |
tatsächlich Verbindungen, die den Eindruck erwecken, die Politik sei | |
käuflich. Zuletzt im Fall Philipp Amthor: Der CDU-Bundestagsabgeordnete | |
hatte sich für ein undurchsichtiges US-amerikanisches IT-Unternehmen | |
eingesetzt. Eine Folge des Skandals: Die Opposition im Bundestag aus | |
Linken, Grünen und FDP fordert – wieder einmal – die Einführung eines | |
Lobbyregisters. Und tatsächlich gibt es Anzeichen, dass sich selbst die CDU | |
unter dem aktuellen Druck dazu durchringen könnte. | |
„Man sollte nicht glauben, dass es einen Fall Amthor nicht auch in Berlin | |
geben könnte“, sagt der Linkspartei-Abgeordnete Michael Efler. Immerhin sei | |
der Landeshaushalt inzwischen mehr als 30 Milliarden Euro schwer; die | |
Bauwirtschaft der Stadt hatte viele Jahrzehnte lang einen höchst | |
zweifelhaften Ruf. Deswegen fordert Efler auch für Berlin ein solches | |
Register. „Der Fall Amthor zeigt erneut, wie praxisrelevant das Thema ist.“ | |
Der Linkspartei-Abgeordnete drängt damit darauf, ein von Rot-Rot-Grün | |
bereits im Koalitionsvertrag von Dezember 2016 vereinbartes Ziel doch noch | |
vor Ende der Legislaturperiode umzusetzen. Die Linksfraktion hat vor mehr | |
als einem Jahr einen Entwurf für ein Gesetz verfasst, daraufhin gab es ein | |
Treffen von Abgeordneten der drei Regierungsfraktionen. „Seitdem ist so gut | |
wie nichts mehr passiert.“ Dabei geht Efler davon aus, dass das Thema an | |
sich eigentlich unstrittig ist. | |
Die Umsetzung hingegen ist nicht so einfach. Das fängt mit der Frage an, | |
wann die Einflussnahme auf die Politiker – also das Lobbying an sich – | |
beginnt. Streng genommen gehört dazu jeder Brief mit einem Wunsch oder | |
einem Anliegen, den eine Bürgerin an einen Abgeordneten verfasst. Zudem ist | |
das Anhören der Positionen von Verbänden, Vereinen, NGOs etc. fester Teil | |
des Gesetzgebungsprozess. Abgeordnete wiederum haben ein freies Mandat. Bei | |
Fällen wie Amthor kann man hingegen mutmaßen, dass die Grenze zur | |
Korruption überschritten ist. | |
## Der „legislative Fußabdruck“ | |
Der Gesetzentwurf der Linken für Berlin sieht vor, dass alle an einem | |
„Gesetzgebungsverfahren beteiligten juristischen Personen“ in einem | |
öffentlichen, vom Abgeordnetenhaus geführten Register aufgelistet werden. | |
„Juristische Personen“ sind Vereinigungen mehrerer Menschen oder auch | |
Sachen, also Vereine, Unternehmen, Stiftungen oder Anwaltskanzleien, die | |
eine wichtige Rolle spielen im Geflecht der Lobbyisten, nicht aber | |
Einzelpersonen wie etwa WissenschaftlerInnen. | |
Zudem enthält der Entwurf einen sogenannten „legislativen Fußabdruck“: Es | |
werden also nicht nur die Lobbyisten selbst erfasst, sondern auch, was sie | |
konkret zu einem Gesetzentwurf beigetragen haben oder beitragen wollten. | |
Dabei geht es um schriftliche „Stellungnahmen, mit denen Einfluss auf ein | |
Gesetzgebungsverfahren genommen werden soll“ gegenüber Abgeordneten, | |
Fraktionen, Ausschüssen und vor allem dem Senat, von dem die meisten | |
Gesetzentwürfe stammen. | |
Wird ein Entwurf dann zur Debatte ins Parlament eingebracht, enthält er | |
eine Zusammenfassung „der wesentlichen Inhalte der jeweiligen Beiträge“ der | |
Lobbyisten. | |
Viel Post bekamen die Abgeordneten laut Efler von Verbänden und | |
Vereinigungen in dieser Legislaturperiode etwa zum Mietendeckel-Gesetz oder | |
jüngst für das Landesantidiskriminierungsgesetz, in diesem Fall etwa von | |
der Gewerkschaft der Polizei. Die Erfassung all dieser Stellungnahmen wie | |
Personen würde also viel Aufwand bedeuten. Laut Efler sei der Entwurf | |
dennoch nur „die schlanke Version: Schreibt eine Bürgerin einen Brief an | |
einen Abgeordneten, muss dieser nicht veröffentlicht werden.“ Auch müsse | |
nicht jedes einzelne Treffen oder Telefonat mit Lobbyisten registriert | |
werden. | |
## Thüringen als Vorbild | |
Christina Deckwirth vom Verband LobbyControl – letztlich also selbst eine | |
Lobbyistin – hält die Doppelstruktur für absolut sinnvoll. Mit der | |
Registrierung der Lobbyisten werde Transparenz geschaffen, „wer wie aktiv | |
ist oder wer wen beauftragt hat“. Dabei sei es wichtig, auch „als | |
Einzelpersonen getarnte Lobbyisten“ zu erfassen. Mit dem legislativen | |
Fußabdruck wiederum werde „der konkrete Versuch der Einflussnahme | |
deutlich“, sagt sie. | |
Das Land Thüringen gelte dabei oft als Vorbild: Allerdings müssten im dort | |
beschlossenen Lobbyregister die Lobbyisten zustimmen, dass ihre | |
Stellungnahmen veröffentlicht werden. „Diese Regel macht natürlich wenig | |
Sinn“, betont Deckwirth. | |
Die Berliner SPD steht dem Ziel eines Lobbyregisters samt legislativem | |
Fußabdruck durchaus aufgeschlossen gegenüber, wie der Abgeordnete Sven | |
Kohlmeier betont: „Es wird aber noch ein ziemliche Herausforderung.“ Vor | |
allem die Formulierung des Gesetzes: „Im Kern geht es, auch im Fall Amthor, | |
um die unredliche Einflussnahme auf Politiker – die muss erfasst werden.“ | |
Lobbyismus sei nicht per se schlecht, er selbst mache ja Lobbyismus für | |
seinen Wahlkreis Kaulsdorf. | |
Und wem helfe letztlich die Registrierung der Lobbyisten? Vielmehr sollten | |
laut Kohlmeier genaue Tatbestände formuliert werden, was als unredlich | |
angesehen werde. Und es brauche natürlich Sanktionen, also Strafen im Falle | |
der Nichtbefolgung. Die sieht der Entwurf der Linken bisher nicht vor. Im | |
August, sprich nach der Sommerpause, werde es ein Treffen der | |
Koalitionsfraktionen zum Lobbyregister geben, kündigte Kohlmeier an. | |
## „Eine erste Grundlage“ | |
Der linke Abgeordnete Efler hält Nachbesserungen nicht für ein Hindernis. | |
„Unser Entwurf ist eine erste Grundlage, er kann durchaus deutlich geändert | |
werden“, betont Efler. | |
Auch die Grünen sehen eigentlich keinen wirklichen Hinderungsgrund. | |
„Rot-Rot-Grün will dieses Gesetz“, sagt ihr Innenpolitiker Benedikt Lux. | |
„Im Oktober stehen die Eckpunkte, dann kommt ein Referentenentwurf – | |
einschließlich des legislativen Fußabdrucks.“ | |
Die Koalition habe in den vergangenen Monaten bei einer Reihe von | |
Gesetzentwürfen ihre „innenpolitische Handlungsfähigkeit unter Beweis | |
gestellt“, etwa beim Polizeibeauftragen, dem Abstimmungsgesetz und der | |
Reform des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes Asog, das die | |
Befugnisse der Polizei regle. Diese Handlungsfähigkeit werde sich auch beim | |
Lobbyregister zeigen. | |
Dieser Optimismus steht ein wenig im Widerspruch dazu, dass die Grünen | |
schon lange auf ein solches Gesetz drängen. „Der Einfluss von Lobbyistinnen | |
und Lobbyisten auf politische Entscheidungsprozesse hat in den letzten | |
Jahren stark zugenommen. Die zunehmende Verflechtung von politischen und | |
ökonomischen Eliten untergräbt die Neutralität der Regierungsorgane und | |
leistet einer Entmündigung der Parlamente Vorschub“, heißt es in der | |
Begründung eines Antrags im Abgeordnetenhaus zur Einrichtung eines | |
Lobbyregisters. Er stammt vom November 2011. | |
30 Jun 2020 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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