Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Vor dem EU-Gipfel: Auf Schmusekurs mit der Türkei
> Beim EU-Treffen am Donnerstag und Freitag setzt Brüssel auf eine
> Wiederannäherung an die Erdoğan-Regierung. Sanktionen sind vom Tisch.
Bild: Die EU will ihre Beziehungen zur Erdoğan-Regierung wieder ausbauen
Brüssel taz | Nach einer monatelangen Krise, die [1][fast zum Krieg in der
Ägäis] geführt hätte, will die EU ihre Beziehungen zur Türkei wieder
ausbauen. Dies kündigte Ratspräsident Charles Michel in einer Einladung für
einen EU-Videogipfel an, der am Donnerstag beginnt und bis Freitag dauert.
Geplant sei eine Annäherung in mehreren Phasen, die auch wieder
zurückgenommen werden könne. Weitere Themen des Gipfels sind Russland, die
USA und die Coronapandemie.
Die Türkei hatte im Sommer 2020 Griechenland und Zypern mit
[2][Gasbohrungen im östlichen Mittelmeer] provoziert; es kam zu
militärischen Zwischenfällen. Nach Vermittlung durch Deutschland gelang es
zuletzt, den Streit zu entschärfen und Gespräche in Gang zu bringen. Die
Bundesregierung hat sich zudem erfolgreich für eine „positive Agenda“
eingesetzt, die bis zu einem weiteren EU-Gipfel im Juni umgesetzt werden
soll.
Als erster Schritt sei ein Besuch der EU-Spitzen in der Türkei denkbar,
hieß es in deutschen Regierungskreisen. Berlin wünscht sich zudem eine
Neuauflage des [3][Flüchtlingsdeals], den Kanzlerin Angela Merkel 2016 mit
Präsident Recep Tayyip Erdoğan eingefädelt hat. Er sieht die Rücknahme von
nicht anerkannten syrischen Bootsflüchtlingen in die Türkei vor, wurde
zuletzt aber kaum noch umgesetzt. Anfang 2020 hat Erdoğan sogar kurzzeitig
die [4][türkisch-griechische Grenze geöffnet].
Ebenfalls im Gespräch ist eine Modernisierung der Zollunion mit der Türkei.
Sanktionen sind dagegen vom Tisch. Die EU hatte sich nach der Krise im
östlichen Mittelmeer zwar auf automatische Sanktionen verständigt, diese
jedoch vor einer Woche überraschend einkassiert. Auch beim Treffen der
EU-Außenminister am Montag, bei dem ein ganzes Bündel von [5][Sanktionen
gegen China], Myanmar und andere Länder verhängt wurde, blieb die Türkei
verschont.
## „Doppelstandards“ zugunsten der Türkei
Es gebe „Licht und Schatten“, sagte Außenminister Heiko Maas zur
Begründung. Zu den Schattenseiten zählt der [6][Verbotsantrag gegen die
Oppositionspartei HDP] sowie der [7][Austritt der Türkei aus der
Istanbul-Konvention] zum Schutz der Frauen. Die Türkei missachtet zudem ein
Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs, das im Dezember 2020
die sofortige Freilassung des [8][Oppositionspolitikers Selahattin
Demirtaş] forderte. In vergleichbaren Fällen hat Brüssel mit Sanktionen
reagiert.
Die EU lege „Doppelstandards“ an, kritisierte der im deutschen Exil lebende
türkische Journalist Can Dündar. Die EU-Politiker seien „dankbar“ für die
Zusammenarbeit mit Ankara in der Flüchtlingspolitik und deshalb bereit,
ihre Prinzipien zu opfern.
Für ein härteres Vorgehen sprach sich Human Rights Watch aus. Die EU-Chefs
sollten nicht zur Tagesordnung übergehen, „während die türkische Regierung
ihre Angriffe auf Kritiker, die parlamentarische Demokratie und
Frauenrechte eskaliert“, erklärte Geschäftsführer Kenneth Roth.
## Eiszeit zwischen Russland und EU
Ein weiteres Reizthema beim EU-Gipfel ist Russland. Die Beziehungen hatten
sich in den letzten Wochen massiv abgekühlt, nachdem die EU mehrere
[9][Sanktionen im Fall des Kremlkritikers Alexei Nawalny] verhängt hatte.
Der Gipfel sollte nun eigentlich eine strategische Neubewertung vornehmen.
Dies wurde jedoch von der Tagesordnung gestrichen. Nun soll Michel nur noch
von einem Gespräch mit Kremlchef Wladimir Putin berichten.
Das Verhältnis zu Russland sei auf einem historischen „Tiefpunkt“, hat
Michel bereits öffentlich erklärt. Putin wiederum warf den Europäern eine
„konfrontative“ Politik vor. Russlands Außenminister Sergei Lawrow sagte,
Moskau werde künftig nicht mehr mit der EU reden, sondern nur noch mit
einzelnen Mitgliedsländern. Zudem will sich Russland enger mit China
abstimmen. Peking war ebenfalls mit EU-Sanktionen belegt worden und hat
danach Vergeltung geübt – etwa mit [10][Reiseverboten für mehrere
Europaabgeordnete].
Positive Impulse erhofft sich Michel von einem kurzfristig angesetzten
Videotermin mit US-Präsident Joe Biden. Es sei „Zeit zur Wiederherstellung
unserer transatlantischen Allianz“, twitterte er. Allerdings gibt es auch
mit den USA Streit, etwa über die Sanktionen gegen die
[11][deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2]. Man könne nicht immer
einer Meinung sein, hieß es dazu in Berlin.
25 Mar 2021
## LINKS
[1] /Streit-zwischen-Tuerkei-und-Griechenland/!5709277
[2] /Streit-zwischen-Griechenland-und-der-Tuerkei/!5702962
[3] /5-Jahre-EU-Tuerkei-Abkommen/!5754907
[4] /An-der-griechisch-tuerkischen-Grenze/!5672942
[5] /EU-Sanktionen-gegen-China/!5760037
[6] /HDP-Verbotsverfahren-in-der-Tuerkei/!5759674
[7] /Tuerkei-tritt-aus-der-Istanbul-Konvention-aus/!5759872
[8] /Urteil-zu-kurdischem-Politiker/!5735404
[9] /Neue-EU-Sanktionen-gegen-Russland/!5750298
[10] /Spannungen-zwischen-China-und-der-EU/!5760116
[11] /Nord-Stream-2/!5750451
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
EU-Sanktionen
Türkei
EU-Gipfel
Russland
Türkei
Türkei
Türkei
Schwerpunkt Coronavirus
EU-Sanktionen
Nord Stream 2
US-Sanktionen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gasstreit Griechenlands und der Türkei: Entspannung am Mittelmeer
Der griechische Außenminister trifft die türkische Führung. Auch sonst
sucht Ankara nach der jüngsten Eskalation einen Neuanfang.
EU-Spitzen in der Türkei: Besuch im Tumult
Von der Leyen spricht mit Erdoğan über das EU-Türkei-Verhältnis – obwohl
der Präsident im eigenen Land gerade mit neuen Repressionen aufwartet.
Verhältnis der EU zur Türkei: Ewiges Dilemma
Die EU agiert im Umgang mit der Türkei zögerlich. Dabei ist gegenüber
Erdoğan klare Kante nötig. Durch positive Anreize – oder massive
Sanktionen.
Regierungserklärung der Kanzlerin: Merkel setzt Betrieben Frist
In ihrer Regierungserklärung nimmt die Bundeskanzlerin Länder und Kommunen
in die Pflicht. Und macht eine Ansage in Richtung Wirtschaft.
EU-Sanktionen gegen China: Eine halbgare Drohung
Sanktionen helfen nicht. Die Europäische Union sollte einen eigenen Weg
gehen: auf Verhandlungen und öffentlichen Druck setzen.
Moskau und der Westen: Sputnik gegen Corona und dicke Luft
Mit der Ausweisung dreier Topdiplomaten setzt Moskau weiter auf
Provokation. Gemeinsame Lösungen für die Pandemie könnten die Eiszeit
beenden.
Sanktionspolitik der EU: Kein Shopping mehr für Folterer
Mit einem neuen Mechanismus will Brüssel Personen treffen, die
Menschenrechtsverletzungen begangen haben. Vorbild ist der Magnitsky Act
der USA.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.